5 vor 9

Um 5 vor 9 reflektiert das Fenster von einem der umliegenden kleinen Wohnhäuser Licht und wirft es genau an und durch mein Fenster am Schreibtisch. Da ich ein Zimmer habe, dass mehr nach Norden gerichtet ist, stellt diese Reflektion tatsächlich das hellste Licht da, dass überhaupt in mein Zimmer strahlen kann. Und natürlich ist das nur im Moment 5 vor 9 und in ein paar Tagen oder einer Woche wird es ein ganz anderer Zeitpunkt sein. Und das mag jetzt seltsam klingen aber dieser Umstand und mein Studium haben viel gemeinsam.

Bevor ich angefangen habe zu studieren, war ich eine der Besten. Wie bei so vielen Leuten ist man dann an der Universität aber erstmal nur Einer oder Eine von vielen und manch einer entdeckt, dass er nicht so gut war und ist wie damals zu Schulzeiten. Um ehrlich zu sein, hat mich das nicht besonders überrascht. Damals im ersten Semester habe ich gemerkt, dass mir Informatik und Programmieren unverändert gut liegt und wie die Noten zeigen, hat sich bis heute daran nichts geändert. Mathematik allerdings, insbesondere die Analysis, sollte ein Graus werden. Obwohl ich das in der Schule sehr mochte. Wie gesagt, ich war darauf gefasst, dass es nicht einfach wird. Alles andere wäre auch sehr blauäugig gewesen. Worauf ich nicht gefasst war, ist, dass es bestimmte Rechenregeln und Themen gibt, die wir einfach ausgelassen haben. Ergo habe ich mich sehr über meinen Unterricht geärgert, da ich dadurch an der Uni einfach immer mehr als die anderen lernen musste. Es gab Dinge, die ich nachholen musste und die als Voraussetzung gehandelt wurden, obwohl ich davon noch nie zuvor gehört habe, wohingegen es für die anderen nichts Neues war. Vielleicht auch eine der Nebenwirkungen, wenn man in einem anderen Bundesland studiert.

Zwischendurch hatte ich immer Angst, dass irgendwann mein Ehrgeiz und das Besiegen meines inneren Schweinehundes nicht mehr ausreichen würden und ich einfach verliere. Leider habe ich nicht die schnellste Auffassungsgabe und auch nicht das abstrakteste Denken. Was ich aber sehr wohl habe, ist ein unerschöpfliches Interesse an den Dingen und den Willen und Wunsch zu Lernen und etwas daraus zu machen und das Gesehene umzusetzen.

Die Frage, ob ich für dieses Studium eventuell nicht geschaffen bin, hat sich mir nie gestellt. Dafür fühle ich mich in diesem Studiengang und in den Vorlesungen viel zu sehr zu Hause. Interessant ist, dass sich andere zuweilen sehr wohl mit dieser Frage beschäftigt haben. Im ersten Semester wurde mir von einem Kommilitonen  geraten, doch eher Medieninformatik zu studieren, das wäre vielleicht nicht ganz so schwer wie der mathematikorientierte Studiengang, den ich zu dem Zeitpunkt studierte. In einer Zeit voller Bangen wie sich das Studium für mich weiterentwickeln würde, war das natürlich wie erneutes Salz in der Wunde. Vor kurzem musste ich mir wieder einen Spruch anhören. Aber mitlerweile hat sich einiges geändert. Jetzt ist es mir egal. Unter anderem auch deswegen, weil er immer der einzige Kommilitone geblieben ist, der mir solche Dinge sagt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass er sich Gedanken um diesen Sachverhalt macht und nicht um das, was ich kann oder nicht kann.

In dieser Woche hatte ich meine letzte Prüfung, am nächsten Tag habe ich meinen Antrag auf Exmatrikulation abgegeben, meine Bachelorverteidigung hatte ich vor einigen Wochen und in etwas mehr als einer Woche beginne ich mein Masterstudium. Ich habe in Regelstudienzeit abgeschlossen und bin ein bischen stolz darauf. Vermutlich wegen all dem, was ich oben geschrieben habe. 🙂

Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen dem harten arbeiten und immer wieder hinsetzen und jede Menge lernen müssen, dann würde ich das jeder Zeit wieder tun. Vor allem dann, wenn es mir so viel wert ist wie die Informatik. Und ich würde das eher wählen, als die superschnelle Auffassungsgabe die zum Beispiel dieser eine genie-like Kommilitone hat. Auch einen leichteren Weg würde ich nicht wählen. Manchmal war es wie die Nordseite, die die direkte Sonne nicht zu Gesicht bekommt. Es kann ja nicht alles leicht sein. Aber manch einer auf der Süd- oder Ostseite kann nicht das sehen, was ich sehe. Nicht nur 5 vor 9, sondern nie.

Die Arbeit hat sich gelohnt und sie wird sich immer lohnen. Und wenn man hinterher auf den harten Weg zurückblickt, merkt man erst den Wert des Ganzen. Das alles hier, hat mir viel zu viel Spaß gemacht, als dass ich mir was anderes erzählen ließe. 🙂

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