Neulich im Kino … Review zu „The Imitation Game – ein streng geheimes Leben“

Es ist schon eine Ironie … einer meiner liebsten Schauspieler in der Rolle einer meiner liebsten Personen der Geschichte und Mathematik und Informatik. Ich fand Turing schon immer faszinierend und sein Schicksal grausam und undankbar. Und den Cumberbatch? Den fangirle ich. Man kann sich meine Freude über die Ankündigung 2013 bestimmt lebhaft vorstellen. Wer hätte gedacht, dass ich mit der Darstellung Turings nun nicht zufrieden bin? Ein klarer Fall von zu hohen Erwartungen? Spoilerfrei.

Worum gehts?

The Imitation Game erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Mannes. Der britische Mathematiker Alan Turing (Bebedict Cumberbatch) wird angeworben, um an der Entschlüsslung der deutschen Funksprüche zu arbeiten, die während des zweiten Weltkriegs den Alliierten das Leben schwer machen. Zusammen mit u.a. Hugh Alexander (Matthew Goode) und der jungen Mathematikerin Joan Clarke (Keira Knightley) arbeitet er getarnt in der Radiofabrik Bletchley Park daran die Verschlüsselung der ‚Enigma‘ genannten Verschlüsselungsapparatur zu knacken. Sein Charakter und seine andere Vorgehensweise stoßen nicht nur einmal auf Ablehnung und er findet lediglich in Joan eine Freundin und trifft bei ihr auf Verständnis. Niemand darf wissen, was sie in der alten Radiofabrik tun. Dabei wird in Bletchley Park Geschichte geschrieben. Nicht ungefährlich für Turing selber. Er ist homosexuell und das wurde damals als Verbrechen bestraft – er führt in vielerlei Hinsicht „ein streng geheimes Leben“.

Hintergrund

Über Alan Turing und was einige der Grundzüge seiner Lehren sind, habe ich schon mal ganz grob und vereinfacht geschrieben: Wer war Alan Turing? Und was ist der Turing-Test?. Er ist einer der Vorreiter auf dem Gebiet der automatischen Datenverarbeitung und hat den Zweig der Automatentheorie maßgeblich beeinflusst. Viele seiner Gedanken über Maschinen führten zu wegweisenden Thesen wie der noch heute oft zitierte sogenannte Turing-Test, der auch im Film erwähnt wird. Wenn auch nur am Rande. Dabei handelt es sich um einen Test für intelligentes Verhalten, wenn nicht sogar künstliche Intelligenz (KI). Dabei unterhält sich ein Juror (bspw. per Chat) mit einem Gesprächspartner. Hält der Juror die Maschine für einen Menschen, würde man dementsprechend von KI sprechen. Heute geht der Trend dahin, dass viele Maschinen designt werden, um vorzutäuschen intelligent zu sein. Häufig einzig und allein um diesen Test zu bestehen. Aber außerhalb ihres Anwendungsgebiets funktionieren sie oft nicht und sind somit nicht ‚intelligent‘. Das gibt dem Titel The Imitation Game noch einen anderen Beigeschmack.

Fazit

An und für sich ist The Imitation Game ein sehr guter Film. Es geht um ein historisches Ereignis, das den Krieg maßgeblich beeinflusst hat. Um harte Arbeit. Um verkannte Genialität. Um Spionage. Um Mathematik. Um moralische Fragen zwischen Leben und Tod. Um das persönliche Glück angesichts geschichtlicher Umbrüche und falscher Ansichten.

Ich kann es dem Film nicht übel nehmen, dass die mathematischen Sachverhalte nicht mehr beleuchtet wurden. Das will nun mal nicht jeder sehen. Es wäre für die breite Masse einfach ein Abtörner. Die historische Korrektheit kann ich nicht gut genug beurteilen. Einige in anderen Reviews genannten Kritikpunkte kann ich nicht nachvollziehen: den Spion gab es nachweislich. Woran ich aber Anstoß genommen habe, ist dir Darstellung Turings als weltfremder Sonderling.

Benedict Cumberbatchs Darstellung hat mich unangenehm an das weltfremde an Sheldon Cooper aus TBBT erinnert. Einige Sätze hätten direkt von ihm stammen können. („Das würden sie eh nicht verstehen“) Das hat höchstwahrscheinlich nichts mit Cumberbatchs Leistung an sich zutun, sondern eher damit, welches Bild möglicherweise Regiesseur und Drehbuchautor erreichen wollten. Warum muss ein genialer Kopf immer ein verschreckter Nerd sein? Andere Momente wie die zum Ende des Films waren stark und haben bei mir einen großen Eindruck hinterlassen. Aber der Rest: Empfindsamkeit? Eindrucksvoll. Nerdige, unsympathische Sturheit? Woher wisst ihr das? Wisst ihr wirklich, ob er so war? Ein Dilemma, so alt wie das Geschichtenerzählen.

Ein anderer Schnitzer ist für mich die Erklärung gegen Ende des Films, dass Turingmaschinen heute als „Computer“ bekannt wären. Das klingt episch, ist aber nur eine vorgeschobene Aussage, um Turings Bedeutung der breiten Masse deutlich zu machen. Selbstverständlich hat eine große Bedeutung für die heutige Informatik. Aber die Aussage, dass Turingmaschinen heute Computer heißen ist fachlich falsch. Auch frage ich mich wie aus dem mächtigen Begriff „Turing-Bombe“ bzw. „Turing-Welchman-Bombe“ nun „Christopher“ werden konnte. Wurde die Geschichte hier nicht künstlich aufgeweicht?

Das klingt jetzt sehr negativ, weil ich mir heute viel Zeit zum Erklären meiner Kritik genommen habe. Nichtsdestotrotz ist The Imitation Game ein guter Film, der mehr als nur eine wichtige Botschaft hat und diese ohne allzu übertriebenen Hollywood-Protz erzählt. Ein guter Film. Ein Film bei dem man nicht dümmer wird und mal die Grenzen der Berechenbarkeit (am Computer) gezeigt bekommt, sowie das moralische Dilemma, das großes Wissen und Kleingeister mit sich bringen. Aber der Film blieb leider stark hinter meinen Erwartungen zurück.

(8/10)

Sternchen-8

Habt ihr den Film gesehen? Und falls ja: wie fandet ihr ihn? Habt ihr ähnliche Kritik wie ich oder seid ihr restlos begeistert? Hat der Film seinen Bildungsauftrag erfüllt? Wusstet ihr vorher bereits etwas über Enigma, Turing und Bletchley Park?

17 Antworten

  1. Hier zeigt sich mal wieder, wenn jemand das gewisse Hintergrundwissen zum Film mitbringt. Da sieht man natürlich immer alles sehr viel kritischer. Geht mir manchmal auch so. Ist auf gewisse Weise zwar ein Vorteil, kann aber für den Genuss eines Films durchaus auch nerven. 🙂 Aber solange du auch weiterhin eine Cumberbitch bleibst, ist ja alles okay… 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Es hat nicht allzu sehr gestört. Als ich aus dem Film kam, hätte ich vielleicht eher eine 7/10 gegeben – das hat sich aber gelegt. Das ist immer schwierig, wenn man solange so hohe Erwartungen hatte. Dann wurden die Oscarnominierungen öffentlich und dann dachte ich mich erwartet das ganz starkes, eine 10/10. Erzählerische Ungenauigkeiten kennt man ja bei Biopics und Literaturverfilmungen – aber über Stereotypen kann ich nicht hinwegsehen.
      Trotzdem … ich bleibe natürlich eine Cumberbitch 😉

  2. Hmm, müsste man recherchieren. Vielleicht war Turing ja wirklich ein Nerd 😉 Kann aber natürlich sein, dass du da recht hast. Ich werde eine E-Mail an mein Kino schreiben müssen. Der Film ist offenbar tatsächlich nicht für das Programm vorgesehen 🙁

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich habe schon früher viel über Turing gelesen (leider aber nie die Biografie, auf der der Film auch basieren soll) und habe auch während des Studiums viel über ihn gehört. Daher wusste ich, dass er sehr exzentrisch ist, aber trotzdem sozial kompetent. Er hatte Freunde und die Leute waren wohl gut auf ihn zu sprechen und er hatte auch einige Eigenschaften die auf den klassischen ‚Nerd‘ jetzt nicht so zutreffen. Er war ein Sport-Ass beispielsweise. Das soll kein Lobgesang sein – er ist den Leuten wohl gerne begegnet indem er sie bewusst etwas vor den Kopf stößt und herausfordert. Aber ich finde eben Stereotypen … scheiße. So jetzt hab ichs gesagt.

      Hat das Kino schon geantwortet? Wäre ja schade, wenn sie den nicht bringen. Das ist wahrscheinlich ein kleineres KIno bei euch, für das die Nicht-Blockbuster eher ein finanzielles Risiko sind? Hast du es sehr weit bis zum nächsten Kino? Ach, das kenne ich noch von früher …da fragt man sich immer ‚wieviel ist mir der Film jetzt wert?‘

      1. So, jetzt noch mal, aus irgenwelchen Gründen kann ich über die WordPress-App nicht bei dir kommentieren, komisch. Ok, dann ist seine Darstellung wohl wirklich überzogen. Ich hab dem Kino ehrlich gesagt noch gar nicht geschrieben, muss ich unbedingt machen. Ja, wir haben in Neunkirchen nur noch die beiden Kinos, eins mit nur einem, großen Saal und eins mit mehreren kleinen. Die gehören zusammen, aber es ist schon schwierig für diese Kinos, glaube ich. Wobei ich bei dem Film wegen der Oscarnominierungen schon gehofft hatte. Sie haben eine spezielle Reihe „Sehenswert“, da laufen dann Filme ein oder zwei Mal insgesamt, da hab ich zum Beispiel „Die Bücherdiebin“ gesehen und ich hoffe, da auch noch „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ zu sehen. Ist wohl auch die einzige Hoffnung für „The Imitation Game“ 🙁

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Ach, das Gefühl kenne ich nur zu gut. Das war in meiner letzten Stadt auch so. Da gab es auch so eine Aktion und da liefen dann die kleineren Produktionen und alles was abseits des Popcornkinos ist. Das lief dann meistens auch erst Wochen nach dem eigentlichen Start. :-/ Gibts schon Neuigkeiten?

          1. Der Filmclub trifft sich am Dienstag, um die neuen Filme für die „Sehenswert“-Aktion auszuwählen, und er steht zumindest auf der Vorschlagsliste….

  3. Hui, ich dachte nach dem ersten Absatz folgt ein ordentlicher Verriss. 😉
    Deine Kritik lässt sich nachvollziehen, wenn gleich ich es in der Hinsicht etwas lockerer gesehen habe. Gut, mir fehlte auch das Vorwissen. Bei Biopics stellt sich ohnehin immer die Frage, wie akkurat etwas dargestellt wird oder ob sich doch grobe künstlerische Freiheiten rausgenommen werden… das hat man leider oft so. Allerdings wurden solche Schnitzer immer kurz darauf mit genialen Szenen ausgemerzt. Gerade die Verhörszene war grandios.

    Kennst du eigt. das Buch von Andrew Hodges, auf dem der Film basiert? Muss ich einfach mal fragen. 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Nein, ich habe das Buch schon länger auf meiner Wunschliste, aber es ist irgendwie nicht so richtig billig. :-/ Das Taschenbuch kostet immer noch 50€. Das ist gemein … ich werds wohl mal gebraucht bestellen.
      Ich habe nur über das Buch und über Alan Turing in anderen Quellen reichlich gelesen.

      1. (Irgendwie will mein Internet heute nicht so richtig. Hoffe es gibt keine Doppel- & Dreifachposts.)
        Achso. Hatte nur gehofft du hättest es schon gelesen und könntest es weiterempfehlen. Hmm, verdammt schade. 😉
        Nachdem mich der Film gestern nochmal so richtig erwischt hat, interessiert mich die Person um Turing sehr. Falls du es also mal günstig in die Hände bekommen solltest… darfst du gerne etwas dazu schreiben. ;D

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Das werde ich tun, wenn es dann endlich soweit ist! 😀

  4. Klasse Kritik! 🙂 Ich hab zwar von Turing noch nie was gehört und bin auch nicht so belesen, was das Thema angeht, aber ich liebe historische Filme und Keira Knightley 😀 Deswegen schau ich mir den Film auch direkt am Montag an 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Na jetzt bin ich ja mal gespannt – wie hat dir der Film gefallen? 🙂

  5. […] diese Bio­gra­fie, die als das Werk über den berühm­ten Mathe­ma­ti­ker gilt. Nach­dem ‘The Imi­ta­tion Game’ meine Erwar­tun­gen nicht erfüllt hat, will ich jetzt mehr. Der Film ist gut als Film, aber […]

  6. […] Bio­gra­fie basiert. Meine Mei­nung zu Film und Buch gibt es getrennt und spoiler­frei: Review zum Film & Review zum Buch. Die­ser Arti­kel hin­ge­gen ist nicht spoiler­frei was den Film […]

  7. Avatar von Nessaalk
    Nessaalk

    Ich teile voll und ganz den Kritikpunkt, dass Turing als komplett autistisch dargestellt wird. Das ist eine Beschädigung seiner Person, die nur den Nervenkitzel erhöhen sollte. Warum muss ein genialer Wissenschaftler (und hier auch noch ein real existierender) im Kino immer ein Psychomonster sein??? Erträgt es der Zuschauer nicht, dass „so jemand“ zu allem Überfluss auch noch charmant und witzig sein konnte? (Seine Zeitgenossen haben das bestätigt.) Ich denke, der Zuschauer hätte da kein Problem, aber man will halt Kasse machen, also dreht man die Psycho-Schraube noch etwas weiter…

  8. […] gelesen. Das war ein wichtiger Schritt, um Gewissheit zu haben, ob ich so falsch liege, wenn ich The Imitation Game schlechter bewerte als viele andere und die Darstellung Turings als stellenweise falsch erachte. […]

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