7ème art: Weihnachten (II)

Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich habe das Gefühl dieses Jahr brauchen wir ein bisschen Fest der Liebe, Frieden, Besinnlichkeit … eben Weihnachten. Zumindest ist es das was ich damit verbinde. Joy to the world. Have a merry little christmas. Heimkommen und so. Sicherlich – es gibt einige Leute, die sagen jetzt: Ich brauch dieses Kommerzfest nicht. Und wieder andere sagen: das hat was mit Religion zutun, aber ich nicht und deswegen lehne ich es ab. Und irgendwo sitzt bestimmt einer der sagt: ich kann immer besinnlich sein und mit meinen Lieben zusammensein, wenn ich will, dafür brauche ich Weihnachten nicht. Es gibt ‚zig Meinungen da draußen. Fakt ist aber: manchmal brauch es dieses Datum im Kalender, um uns einfach daran zu erinnern, das wir besinnlich sein können. Ich brauch Kommerz auch nicht. Aber ich brauche die Lichter in den Fenstern, die Stille auf den Straßen zu Weihnachten und dass alle mal zur Ruhe kommen und über den Tellerrand denken. Und ja, ich bin der festen Überzeugung, dass das alles nur wegen dieses Datums im Kalender möglich ist. Und wenn es das nicht gäbe, gäbe es auch nie dieses zur Ruhe kommen. Und wenn wir so die Nachrichten anschalten und zurückblicken was 2015 alles gewesen ist, dann brauchen wir dieses Datum im Kalender alle besonders. Das ist der zweite 7éme-art-Artikel mit Weihnachtsfilmen, schaut auch gerne in den ersten rein, der 2013 im Blog erschienen ist.

Ist das Leben nicht schön? (1946)

Am Weihnachtsabend beten viele Menschen aus dem beschaulichen Örtchen Bedford Falls für einen gewissen George Bailey und irgendwo ganz weit draußen am Sternenhimmel werden ein paar Stimmen wach und erhören die Gebete. Dieser George Bailey hat seinen Lebensmut verloren und sie schicken einen Engel, um das schlimmste zu verhindern. Der etwas tollpatschige und wunderliche Clarence (Henry Travers) soll es richten und wirft zuvor einen Blick auf das Leben von George Bailey. Der hat seit frühester Kindheit andere Menschen wortwörtlich gerettet, sich selbst aufgeopfert und seine eigenen Pläne und Wünsche für das Wohl anderer hinten angestellt. Man kann auch sagen, dass manchmal ein bisschen Pech dazukam. Als an einem Weihnachtsabend alles zusammen kommt und das Leben George Bailey (James Stewart) letztendlich zermürbt hat, wünscht er sich, er wäre nie geboren. Just in diesem Moment trifft er auf einen gewissen Clarence, der verrücktes Zeug redet und ihm mal zeigt wie es in Bedford Falls wäre, wenn George Bailey nie geboren worden wäre.

Kaum zu glauben, aber ich habe den Film tatsächlich erst gestern gesehen. Warum ich ihn solange nicht auf dem Radar hatte, kann ich euch nicht sagen. Auf jeden Fall war ich sehr überrascht von der Machart des Films. Dass die Stimmen aus dem Off (die Engel) erstmal George Baileys Leben auseinandernehmen und zurückblicken und man dann erst zum eigentlichen Konflikt kommt, erscheint mir wie eine recht moderne Erzählform. Auch der Witz des Films und aller Beteiligten ist herrlich spontan und sorgt dafür, dass der Film alles andere als bedrückend ist. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass man einen so fein platzierten, kurzen, pointierten Witz in heutigen Filmen kaum findet und das ist sehr schade. Alle Beteiligten liefern ein schönes Spiel ab und Henry Travers als Clarence, der immer davon redet, dass er sich jetzt seine Flügeln verdienen will und auf andere wie ein Geisteskranker wirkt, macht unheimlich viel Spaß. V.A. wenn er in der Bar einen Glühwein mit ein bisschen Zimt und Nelken bestellt und der Barkeeper ihn am liebsten auffressen will. Ebenso ist es mit Patrick Stewart, der die unterschiedlichen Lebensabschnitte von Bailey punktgenau rüberbringt. Den jungen, energischen Mann mit großen Plänen, der durch einen Schicksalsschlag gezwungen ist alles anders zu machen. Der Mann, der unpopuläre Entscheidungen treffen muss, aber das beste daraus macht. Der mürrische, der auf sein Leben zurückblickt und sich bewusst wird, das nicht alles so gut lief. Und dann den Mann, den das Leben kaputt gespielt hat, der Frau und Kinder anblafft. Und dann … seht selbst. Das einzige, was ich an dem Film nicht so ganz gelungen finde ist die Lauflänge. Ca. eineinhalb Stunden schauen wir uns das Leben Baileys an, erst dann tritt Clarence in Erscheinung und ich empfand den ersten Teil tatsächlich einen Tick zu lang. Aber nichtsdestotrotz: ein wunderschöner Film.

Ist das Leben nicht schön?, USA, 1946, Frank Capra, 125min, (9/10)

Sternchen-9

Das Wunder von Manhattan (1947)

Skan­dal auf der all­jähr­li­chen Thanksgiving-Parade von Macys: das Aus­hän­ge­schild, der Weih­nachts­mann, ist betrun­ken und kann sich kaum auf den Bei­nen hal­ten. Die Orga­ni­sa­to­rin Doris Wal­ker (Mau­reen O’Hara) sucht hän­de­rin­gend nach einem Aus­weg. Da kommt ihr der gut­mü­tige alte Herr (Edmund Gwenn) ganz recht, der den Trun­ken­bold ent­larvt hat. Sie enga­giert ihn, kein Wun­der — er sieht auch aus wie der Weih­nachts­mann höchst­per­sön­lich. Und die Kin­der lie­ben ihn, auch als er spä­ter den Kaufhaus-Weihnachtsmann bei Macys gibt. Als sie aber bemerkt, dass er sich wirk­lich für den einen, ein­zi­gen Weih­nachts­mann hält, sich Kris Kringle (in der deut­schen Syn­chro Christ Kindl) nennt und sei­nen Wohn­ort mit Nord­pol angibt, wit­tert sie Ärger. Noch schwie­ri­ger ist es aber für sie, dass ihre Toch­ter Susan (Nata­lie Wood) durch Kris wie­der beginnt an den Weih­nachts­mann zu glau­ben. Doris glaubt an die Wahr­heit und nich an Mär­chen und möchte das auch an ihre Toch­ter wei­ter­ge­ben. Als aber publik wird, dass sich Kris für den ech­ten Weih­nachts­mann hält, nimmt ein Skan­dal sei­nen Lauf. Ist es mög­lich? Kann er der Weih­nachts­mann sein oder ist Kris ein lie­bens­wür­di­ger Spinner?

Wie ver­mut­lich die meis­ten da drau­ßen habe ich zuerst die Neu­ver­fil­mung aus dem Jahr 1994 ken­nen­ge­lernt und geliebt. Aber das Ori­gi­nal hat einen ganz eige­nen Charme, auch wenn der Haupt­teil der Hand­lung rela­tiv ähn­lich ver­läuft. So ist der Film von 1947 wesent­lich boden­stän­di­ger und etwas weni­ger ver­kitscht und nimmt sich an man­chen Stel­len weni­ger ernst. Bei­spiels­weise wenn es darum geht Susan mal etwas Fan­ta­sie bei­zu­brin­gen und Kris Kringle mit ihr übt wie man Tiere nach­äfft oder sich Kris sei­nen Bart ganz wun­der­bar mit einem von Susans Kau­gum­mis ver­klebt. Die Lie­bes­ge­schichte zwi­schen Doris Wal­ker und ihrem Nach­barn Fred Gai­ley steht weni­ger im Vor­der­grund und wird weit­aus weni­ger dra­ma­tisch insze­niert. Kleine Bemer­kung am Rande (Ach­tung Iro­nie): beob­ach­tet mal wie unglaub­lich lie­be­voll und müt­ter­lich Doris mit Susan in die­ser Ver­sion umgeht. Wahr­schein­lich der ein­zige Wider­spruch zur Aus­sage des Films — das war wohl damals ein­fach so. 😉 Die Auf­lö­sung und finale Beweis­füh­rung vor Gericht finde ich im Ori­gi­nal wesent­lich gelun­ge­ner und schlüs­si­ger. Somit ist auch das Ori­gi­nal ein Film, der ans Herz geht und weni­ger ver­kitscht den Gedan­ken des Weh­nachts­fes­tes lehrt und als Bot­schaft mit auf den Weg gibt, dass es gut ist an etwas zu glau­ben. Was, dass muss jeder für sich selbst ent­schei­den. Aber ich muss sagen — ich liebe sie beide. Das Ori­gi­nal und die Neuverfilmung.

Das Wunder von Manhattan, USA, 1947, George Seaton, 92min, (9/10)

Sternchen-9

Kevin – Allein in New York (1992)

Sein Kind einmal Weihnachten zu vergessen ist die eine Sache. Aber ein zweites Mal …? Im ersten Film Kevin – allein zu Haus, wurde Kevin McCallister (Macaulay Culkin) wenigstens einfach nur zuhause vergessen, während die Familie über die Feiertage wegfuhr. Im heimischen Umfeld musste er sich dann gegen Einbrecher wehren und mit Waschmaschinen kämpfen. Sehr zur Freude der Zuschauer. Wer hat als Kind nicht davon geträumt alles tun zu können, was man will? Im zweiten Teil nun verliert sich die Familie auf dem Flughafen und Kevin fliegt aus Versehen nach New York, während der Rest der Familie in Florida landet, wo sie eigentlich alle zusammen Weihnachten verbringen wollten. Selbstredend, dass sich seine Mutter für die schlechteste Mutter der Welt hält. Aber auch dieses Mal schlägt sich Kevin irgendwie durch. Dank Kreditkarte hat er bald ein Hotelzimmer und hält diesmal noch mehr Leute auf Trab und muss irgendwie in der großen Stadt klarkommen.

Das Erfolsgrezept geht weiter. Das lautet nämlich: der freche Junge, der seine Familie ärgert wo es nur geht und der plötzlich auf sich alleine gestellt ist und beide Seiten merken wie sehr sie den anderen vermissen. Dabei muss sich Kevin wieder gegen die Einbrecher wehren und allerlei Leute, die nicht wissen sollen, dass er im Moment elternlos ist. Schlau mogelt er sich durch alle Situationen, bastelt Fallen für seine Verfolger und macht Bekanntschaft mit einer Obdachlosen, vor der er sich anfangs fürchtet wie vor seinem Nachbarn im ersten Teil. Und auch hier wird er merken, dass es manchmal nicht so ist wie es scheint. Bewährtes Rezept. Beim zweiten Teil funktioniert es noch. Man spürt zwar deutlich, dass die Geschichte mächtig aufgewärmt ist und dem Schema des ersten Teils 1:1 folgt, aber noch ist es witzig. Kaum zu glauben, dass es insgesamt 5 der Home Alone – Filme und einige Nachahmer gibt. Für Macaulay Culkin wars das übrigens, Kevin allein in New York ist sein letzter Auftritt als Kevin, obwohl es im vierten Teil der Reihe wieder um die Figur geht. Allerdings dann mit einem anderen Darsteller. Kevin allein in New York ist ein schöner Weihnachtsfilm für die ganze Familie, der mich sehr an meine Kindheit erinnert. Nicht, weil ich Weihnachten irgendwo vergessen wurde 😉 , sondern weil ich Kevins Abenteuer in der großen Stadt und zuhause sehr gern gesehen habe. Gewitztheit und ein bisschen Besinnlichkeit gehen hier ganz gut Hand in Hand. Nur wie das eben so mit zweiten Teilen ist, fragt man sich ein wenig wo die Lernkurve war, nachdem Kevin das Weihnachten zuvor schon Mal vergessen wurde. Ist Kevin netter geworden? Und seine Familie weniger chaotisch? Eigentlich nicht. Dazugelernt hat irgendwie keiner. Naja … und die Gags sind auch dieselben.

Kevin – Allein in New York, USA, 1992, Chris Columbus, 120min, (6/10)

Sternchen-6

A Christmas Carol – Die Nacht vor Weihnachten (aka „A Christmas Carol – Die drei Weihnachtsgeister“) (1999)

Charles Dickens Die Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) wurde schon so oft verfilmt. Ob als normaler Spielfilm in klassischer Manier so wie der hier vorgestellte mit Patrick Stewart oder auch als moderne Variante mit Bill Murray, als Zeichentrick, als 3D-Animation, mit Dagobert Duck, mit den Muppets … quasi alles da. Aufgrund der zahlreichen Variationen und Interpretationen finde ich es gerade schön eine Kostümdrama-Variante davon zu sehen, die strikt dem Buch folgt. Und Patrick Stewart gibt den Scrooge mit soviel Inbrunst und so überzeugend, dass ich alle anderen Scrooge-Personifikationen direkt vergesse. Für alle, die doch nicht so recht wissen wovon die Rede ist: Der Unternehmer Ebenezer Scrooge (Patrick Stewart) ist ein Geizhals und alles andere als ein Wohltäter. Sein ehemaliger Geschäftspartner Marley (Bernard Lloyd) war sein einziger Freund, aber der ist schon längst tot. Eines Nachts bekommt er Besuch von Marley – oder vielmehr von seiner gequälten Seele. Er will, dass Scrooge geläutert wird und kündigt ihm den Besuch drei weiterer Geister an. Und so begegnet Scrooge auch in dieser Version des Weihnachtsklassikers dem Geist der vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Weihnacht und blickt zurück auf sein eigenes Leben, das der Menschen um ihn herum und was ihn in Zukunft erwartet, wenn er weitermacht wie bisher. Ich liebe Dickens Die Weihnachtsgeschichte sehr und kann euch sagen, dass sich die Umsetzung hier peinlich genau an die literarische Vorlage hält. Inklusive des Wortlauts der Dialoge. So sieht man Szenen, die in anderen Umsetzungen ganz fehlen wie Marleys Beerdigung. Das große Plus: eine runde Geschichte mit tollen Kostümen und Kulissen und überzeugenden Darstellern bei denen lediglich die Effekte nicht mehr ganz überzeugen können. Der Nachteil: so manche Reaktion wirkt etwas überspannt und gestelzt. Fraglich wo dafür die Ursache zu suchen ist: möglicherweise die synchro. Aber alles in allem ist es für mich die überzeugendste, originalgetreue, klassische Verfilmung, obwohl es ’nur‘ ein Fernsehfilm ist und nie die Kinos gesehen hat. Patrick Stewart als geläuterter Scrooge, der sich öffnet, macht sehr viel Spaß.

A Christmas Carol – Die Nacht vor Weihnachten, USA, 1999, David Hugh Jones, 95min, (8/10)

Sternchen-8

Der Grinch (2000)

Die Whos aus Whoville feiern fröhlich, bunt und mit viel Pomp und Geschenken ihr Weihnachtsfest, während ein grünes, pelziges Wesen garstig vom Mount Crumpit auf sie herabschaut. Es ist der Grinch (Jim Carrey). Und er will der Freude ein Ende machen, spielt ihnen ständig Streiche. Vor Allem Weihnachten will er ihnen so richtig vermiesen und sabotiert nach und nach das Weihnachtsfest. Die kleine Cindy Lou (Taylor Momsen) sieht die Weihnachtsfeier in Whoville ebenfalls kritisch. Ist das nicht alles etwas zuviel? Vergessen sie nicht, worum es bei dem Fest wirklich geht? Sie erfährt von dem Grinch und warum er so ist wie er ist und will ihn dazu bringen mit ihnen allen friedlich ein beschauliches Weihnachten zu feiern. Ungefähr da beschließt der Grinch ihnen Weihnachten kurzerhand … zu stehlen.

Ich verstehe die Begeisterung für Dr. Seuss Geschichten absolut, obwohl ich lange Zeit überhaupt nichts von ihm kannte. Erst nach und nach habe ich immer mal ein, zwei Geschichten von ihm kennen gelernt. Er ist wohl nicht so recht über den Ozean geschwappt? Seine Geschichten sind wunderbar menschlich. Wofür ich aber nicht so ganz viel Begeisterung aufbringen kann ist die Ron Howardsche Verfilmung, die für mich wie eine knallbunte, überdrehte Karikatur wirkt. Möglich, dass das im Sinne von Dr. Seuss‘ Geschichte ist. Die Whoville-people sind schon recht speziell. Und ich meine ja nur … so weit weg vom Krampus ist dieser Grinch auch nicht. So rein optisch auch. Aber der Grad der Gemeinheit und Hinterlistigkeit, die hier gezeigt wird ist etwas überproportional zu dem Leid des Grinchs. Heißt: sie haben zuviel Mühe darin investiert ihn fies wirken zu lassen. Das Fratzenziehen und die Mimik schreit förmlich nach Jim Carrey, ist mir aber ein touch too much. Gegen Ende hat mich die Geschichte dann doch noch ein wenig gekriegt, auch v.A. wegen der Vergangenheit des Grinchs und der tragikomischen Geschichte und eigentlich ganz schönen Botschaft. Aber es wird wohl nie mein Lieblingsweihnachtsfilm werden oder die Art Klassiker, die wohl in den USA der Grinch-Zeichentrickfilm ist. Vielleicht stattdessen lieber den schauen, ich werde es auf jeden Fall mal nachholen.

Der Grinch, USA, 2000, Ron Howard, 101min, (5/10)

Sternchen-5

Tokyo Godfathers (2003)

Man hat ja schon von Western gehört, die sich bei asiatischen Filmen Inspiration holen. So beispielsweise Die glorreichen Sieben bei Die Sieben Samurai. Beim Anime des leider viel zu jung verstorbenen Regiesseurs Satoshi Kon (Perfect Blue, Millennium Actress) ist es mal andersrum. Sein 88-minütiger Film basiert auf dem John-Ford-Western Three Godfathers, hierzulande bekannt als Spuren im Sand. Darin fühlen sich drei Viehdiebe verantwortlich für ein Neugeborenes, dessen Mutter gerade gestorben ist. In Tokyo Godfathers sind es drei Obdachlose, die im Müll ein Baby finden. Sie beschließen sich um das Kind zu kümmern und die Eltern zu suchen. Die einzigen Hinweise: eine Notiz, gut auf die Kleine aufzupassen und ein Yakuza. Während dieses Abenteuers in den Parks, Straßen und vergessenen Ecken Tokios erfährt der Zuschauer mehr über die Drei und warum sie auf der Straße leben: die junge Ausreißerin Miyuki, die Transsexuelle Hana und Gin, der seinen Kummer im Alkohol ertränkt.

Tokyo Godfathers ist nicht die fröhlichste Weihnachtsgeschichte und unser Trio sind Antihelden par excellence. Sie sind alle vor etwas in ihrem Leben davongerannt und stellen sich ihren Dämonen eher nicht. Sie sind trotzig und dickköpfig und liebenswert menschlich und prügeln sich auch mal. Wo wir oft zu Weihnachten eher Bilder von gedeckten, reichen Weihnachtstafeln, geschmückten Tannenbäumen und Geschenken sehen, macht Satoshi Kon einen Ausflug zu denen, die nichts haben und die mehr oder weniger freiwillig irgendwann aufgegeben haben. Ein krasser Kontrast, der zeigt wie schwer das Leben auf der Straße ist, aber die Obdachlosen als Menschen mit einer Geschichte zeigt, die von irgendetwas aus der Bahn geworfen wurden. Mit anderen Worten: ihr Schicksal ist uns nicht so fern wie wir glauben. Dabei begeistert Satoshi Kons realistischer Stil. Das ab und zu etwas schwermütige Thema versucht er mit viel Slapstick aufzuhellen, was größtenteils gelingt, manchmal aber wie ein touch too much wirkt. Ich sage nur: Gesichtsfasching. Cinematografie und Schnitt bieten vielleicht nicht soviele außergewöhnliche Beispiele für sein Know-How wie seine anderen Werke, sind aber immer noch großes Kino. Und gegen Ende des Films gibt es vielleicht Erlösung für die Tokyo Godfathers.

Tokyo Godfathers, Japan, 2003, Satoshi Kon, 88min, (8/10)

Sternchen-8

Verrückte Weihnachten (2004)

Luther (Tim Allen) und Nora Krank (Jamie Lee-Curtis) sind für ihr perfektes Weihnachtsfest bekannt. Perfekte Beleuchtung, tolle Party, wunderbarer Weihnachtsbraten. Friede, Freude Eierkuchen. Als Tochter Blair (Julie Gonzalo) aber wegen eines Auslandsaufenthalts nicht zuhause Weihnachten feiern kann, will insbesondere Luther ausbrechen und statt des üblichen Weihnachtszirkus‘ eine Reise machen. Weihnachten ausfallen lassen? Für seine Nachbarn undenkbar. Und wehe jemand zieht nicht mit. Während die Reisevorbereitungen voranschreiten und regelmäßig sabotiert werden, ereilt die Familie kurz vor der Angst noch eine Nachricht: Blair kommt überraschend doch noch nach Hause. Schaffen sie es noch das Fest vorzubreiten?

Es gibt so Filme, bei denen kann man sich selber kaum entscheiden, ob man sie jetzt gut oder schlecht findet. So einer ist Verrückte Weihnachten. Auf der einen Seite ist der Film eine nette Abrechnung mit dem Weihnachtstrubel, fast eine Satire, auf der anderen Seite v.A. gegen Ende hin dann doch noch ein schöner Familienfilm, der im Abgang dann den Kitsch streift. Der Abgesang auf typische gesellschaftliche Zwänge („Wann findet eure legendäre Weihnachtsparty statt!?“) mag viele ansprechen, die Weihnachten überdrüssig sind und damit noch nie so recht was anfangen konnten. Ich bin da eher so gepolt: lass es halt einfach sein. Feier das Weihnachten, was du feiern möchtest. Und wenn du mit Weihnachten und der ganzen Nächstenliebe-Sache gar nichts anfangen kannst: dann fahr doch einfach in den Urlaub. Deswegen kann mir die Familie Krank gar nicht so recht leid tun und die Nachbarn finde ich verrückt. Der Tim-Allensche Humor über Sonnenstudio- und Botox-Missgeschicke funktioniert bei mir auch nicht so recht. Als ich später erfahren habe, dass der Film auf dem Roman Das Fest von John Grisham basiert, wollte das nicht so recht in meinen Kopf. Ist das Buch genauso? Läuft dort Mrs Krank auch einem wegrollenden Weihnachtsbraten hinterher? Kann ich mir nicht so recht vorstellen. Auch dass die Familie ihrer Tochter vorgaukelt, dass sie Weihnachten wie jedes Jahr feiern und das Drama extra für sie inszenieren: hat nicht soviel mit dem Fest der Liebe zutun, wenn soviel gelogen wird, oder? Andererseits hat der Film gegen Ende eine sehr menschliche Botschaft, ob ich die Familie Krank nun mag oder nicht.

Verrückte Weihnachten, USA, 2004, Joe Roth, 98min, (6/10)

Sternchen-7

Welche Weihnachtsfilme schaut ihr am liebsten? Und gibt es welche, die eurer Meinung nach das Thema verfehlt haben? Welche Filme, die eigentlich keine klassischen Weihnachtsfilme sind, schaut ihr trotzdem jedes Jahr zum Fest? Aschenbrödel? Das letzte Einhorn? 😉 Ansonsten möchte ich diesen Artikel nochmal mit einem Zitat abschließen, was ganz gut wiedergibt, was ich im Weihnachtsfest sehe und warum ich diese Zeit des Jahres wichtig finde.

„Ich bin nicht nur eine wunderliche Gestalt die einen hübschen Anzug trägt und sich eines fröhlichen Gebarens befleißigt, verstehen Sie, ich bin ein Symbol, ein Symbol der menschlichen Fähigkeit durch die es möglich wird sich frei zu machen von Selbstsucht und hasserfüllten Neigungen, die den größten Teil unseres Lebens bestimmen. Und wenn Sie überhaupt nichts allein durch Glauben anerkennen, dann sind Sie verurteilt zu einem Leben, das von Zweifeln beherrscht wird.“ (‚Kris Kringle‘ aus: ‚Das Wunder von Manhattan‘, 1994)

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

8 Antworten

  1. Ich kann ja mit Weihnachten rein gar nix anfangen und halte es für nichts anderes, als gewaltigen Dauerkonsumfirlefanz, der nur dazu dient, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und das ab dem Punkt, wenn die erste Weihnachtsschokolade im Supermarktregal steht. Im September! Da sieht man ja schon, warum das alles nur wahnsinniger Bullshit ist.

    Aber ein paar Weihnaschtsfilme gehören bei mir dann trotzdem dazu, einfach weil ich die Filme mag. Ganz vorne selbstverständlich das Griswold-Weihnachtsfest in Christmas Vacation. Chevy Chase und Randy Quaid in absoluter Höchstform.

    Außerdem, aus irgendeinem Grund, Liebe braucht keine Ferien. So ein kitschiger Liebesschnulzenstreifen, mit dem großartigen Jack Black, mal nicht nur als er selbst, der fantastischen Kate Winslet, der von mir eigentlich nicht wirklich zu ertragenden Cameron Diaz und Jude Law, der für mich nie wirklich von Belang war, weshalb mir gerade kein Adjektiv einfällt, um meine Meinung zu ihm zum Ausdruck zu bringen. Jedenfalls mag ich den Film, seit ich ihn vor einigen Jahren aml zufällig im TV gesehen habe und ich weiß bis heute nicht warum. Ein typisches Guilty Pleasure.

    Die Gremlins dürfen ebenfalls nicht fehlen, einfach weil die Viecher saucool sind und für richtig schönes Chaos im weihnachtlichen Kaff sorgen, was ich mir hier im Kaff auch jährlich wünsche, aber leider immer ausbleibt.

    Wenn ich dann noch Lust habe, gibts auch noch so Streifen wie Tödliche Weihnachten, Die Hard, Lethal Weapon usw. Die sind aber eher optional. Die oben genannten drei gehören für mich aber an Weihnachten dazu.

    Von den hier genannten Streifen kenn ich nebenbei genau drei. Kevin 2 war okay, aber wie du schon sagst, der gleiche Quark wie in Teil 1. Unterhaltsam ist es aber trotzdem gewesen. Müsste ich mir mal wieder geben. habe beide Filme ewig nicht gesehen.

    Der Grinch fand ich fürchterlich. Und das obwohl ich alles abfeier, was Carrey macht.

    Und beim Tim Allen Schinken habe ich durchgehe nd gedacht, dass das eigentlich nicht mehr ist, als ein Home Improvement Christmas Special in schlecht und unlustig. Außerdem mag ich Jamie Lee Curtis irgendwie nicht, was die Sache nicht besser gemacht hat.

    Okay, und etliche Weihnachtsgeschichtenversionen kenne ich natürlich auch. Diese allerdings nicht. Aber ist auch immer das Gleiche, also muss das wohl auch nicht sein.

    Der Tokyo Streifen klingt allerdings ganz interessant. Den werde ich mir mal merken.

  2. Eine schöne Auswahl an Weihnachtsfilmen 🙂
    Ich liebe die Zeit auch, und einige Filme gehören zum Ritus dazu.
    „Kevin“ kenne ich aus meiner Kindheit, aber die Werke wurden mit der Zeit schlechter. „Gremlins“ ist Standard, sowie „Santas Slay“ und „Strib Langsam“.
    Vor ein paar Jahren hatte ich mir einmal die Mühe gemacht eine Liste mit allen Weihnachtsfilmen zu erstellen und habe einige Klassiker abgearbeitet. Da findet man viele schöne Filme!
    „Wunder einer Winternacht“ war bisher die schönste Überraschung 🙂

  3. Ich werde ja in meiner Familie immer gern als Grinch tituliert. Meine Weihnachtsbegeisterung dürfte damit definiert sein. 😉

  4. Ich bin auch eher Weihnachtsmuffel, aber ich liebe ‚Tatsächlich Liebe‘. Außerdem gehören für mich ‚Der kleine Lord‘ und ‚Drei Nüsse für Aschenbrödel‘ zu Weihnachten. Und was ich auch sehr süß finde ist „The Little Match Girl“.

  5. Immer noch ohne „Schöne Bescherung“? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! 😀

  6. Schöne Auswahl… wobei da auch echt Filme dabei sind, die ich seit Ewigkeiten schon nicht mehr gesehen habe (Kevin zum Beispiel). Aber „Tokyo Godfathers“ ist ein toller Film… und „It’s A Wonderful Life“ mein All-Time-Favourite. Den gucke ich jedes Jahr wieder und habe jedes Jahr Tränen in den Augen!

  7. Ich hab es ja mit Weihnachten gar nicht so – es gibt keine rituellen Filmsichtungen, ich bin nicht anders gelaunt als sonst und das viele Hickhack drumrum nervt mich eher. Dennoch Lob (mal wieder) für die viele Mühe. 7 quasi-Reviews auf einmal zu veröffentlichen macht echt Arbeit!

  8. […] hatte ja in den Werkschauen im Dezember wirklich oft Weihnachtsfilme. Nämlich 2015 und 2013 … das macht vierzehn Weihnachtsfilme. Aber wonach schreit Dezember? Also da gäbe es ja […]

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