Fantastischer Film: Das letzte Einhorn

Ein Einhorn lebt zurückgezogen in seinem Wald. Ihm wird erzählt, dass es das letzte seiner Art sei. Aber das kann nicht sein, es gab doch früher so viele von ihnen? Wo sind sie alle hin? Es hält sich das Gerücht, dass der rote Stier alle Einhörner vertrieben haben soll. Das kann es nicht akzeptieren und verlässt seinen sicheren Wald. Auf der Suche begegnet es vielen Feinden, aber auch Freunden. Manche erkennen es als Einhorn, andere sehen nur ein hübsches, schneeweißes Pferd. Der manchmal mehr manchmal weniger begabte Zauberer Schmendrick und die Räuberin Molly Grue begleiten es bei seiner Suche nach den Einhörnern und geraten an Orte, die dunkler und weniger friedvoll als der Wald sind. Und als sie dem roten Stier begegnen, müssen sie eine folgenschwere Entscheidung treffen. Der Animationsfilm wurde im Jahr 1982 veröffentlicht und basiert auf einem Buch von Peter S. Beagle, der sich übrigens vor dem Erfolg seines Buches und dem des Films als Tellerwäscher verdiente.

Habt ihr das auch schon Mal erlebt? Es gibt da einen Film, den ihr schon lange kennt und sehr sehr oft gesehen habt und sehr mögt und dann sucht ihr Hintergrundinformationen zu dem Film und kommt aus dem Staunen nicht raus. Ich kenne Das letzte Einhorn seitdem ich ein Kind bin. Damals hat mich nicht die Bohne interessiert von wem der Film ist, aber heute dachte ich, ich fresse einen Besen. Jules Bass und Arthur Rankin Jr. Führten Regie. Ihre Produktionsgesellschaft hieß Rankin/Bass Productions und ließ oftmals in Japan beim Animationsstudio トップクラフト (Topcraft bzw. Top Craft) produzieren. Das erklärt schon Mal den Anime-ähnlichen Look. Rankin/Bass Productions ist scheinbar auf dem amerikanischen Markt sehr bekannt für ihre Weihnachtsanimationen und die Herr-der-Ringe-Zeichentrickreihe und hatte quasi animationstechnische Erkennungsmerkmale. Das Unternehmen bestand bis 1987 und die Rechte an den Filmen liegen heute bei DreamWorks Classics und Warner Bros. Topcraft wiederum hat (losgelöst von Rankin/Bass) auch einige bekannte Anime im Portfolio. So steuerte das Studio einzelne Episoden zu Serien wie Saber Rider and the Star Sheriffs und The Wizard of Oz (1982) bei. Aber auch Langfilme wie Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984) wurden von Topcraft produziert. Und Animekenner wissen, wer da Regie führte. Genau: Hayao Miyazaki. Der arbeitete bei Topcraft genauso wie Toshio Suzuki und Isao Takahata, die anderen Gründerväter von Studio Ghibli. Ab hier beginnt die Geschichte, die ich kannte. Das Studio ging bankrott, wurde aufgelöst und mithilfe der Resterlöse gründeten die Drei aus den Überresten von Topcraft das Studio Ghibli. Bäm.

Das andere, was mich zutiefst erstaunte beim recherchieren waren die Kritiken, die Das letzte Einhorn einst bekam. Das Lexikon des internationelen Films beispielsweise schrieb 1997 „Ein literarisch anspruchsvolles, aber reichlich kitschiges Zeichentrick-Märchen, das dem Wunsch nach einer Herrschaft der Poesie und dem Sieg des Schönen über Gewalt und Zerstörung Ausdruck verleiht. Tricktechnisch auf biederstem Fernseh-Niveau.“ Die von mir heutzutage sehr geschätzte Zeitschrift Cinema schrieb „Viel Kitsch in wenig magischen Bildern“. Ist der Film so schlecht? Biederstes Fernseh-Niveau? Wirklich? Sehe ich das nur nicht, weil ich den Film in meiner Kindheit geliebt habe und er heute noch einen Nostalgiebonus hat? Pfff. Nein. Für mich ist das nicht so. Für mich ist die Geschichte ein Lehrstück über Gut und Böse und vor Allem über die Grauschattierungen dazwischen. Für die ganz Kleinen ist die Geschichte möglicherweise hier und da zu gruselig, aber wer es schaut, nimmt aus dem Märchen die Lehre mit, dass man manchmal mutig sein und sich verändern muss, um etwas zu erreichen, aber man nie vergessen darf, wer man ist und wo man herkommt. Die etwas erwachseneren Zuschauer entdecken in dem Märchen außerdem Motive wie Sinn- und Identitätssuche. Damit nicht alles vor Schönheit überläuft, machen die herrlich schrulligen Charaktere wie Schmendrick die Geschichte noch etwas menschlicher und kantiger. Die Animation ist einerseits angelehnt an mittelalterliche Bilder die an Hieronymus Bosch und seine Zeitgenossen erinnern. Das wird kombiniert mit feenhaften, plakativen Hintergründen und einem zarten Charakterdesign, das auch Mut zur Hässlichkeit hat und damit die Poesie der Geschichte wunderbar unetrstreicht. Ein wunderschönes Märchen, das in der deutschen Synchro noch den großen Pluspunkt hat, dass König Haggard von Christopher Lee gesprochen wird. Herrlich.


Der Trailer nimmt leider den ganzen Film vorweg … . Und jetzt alle zusammen: „the laaast uniiiicooooooooooorn“

Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆

15 Antworten

  1. I’m aliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiive….*seuftz*

    Und für immer werde ich lieben wie Christopher Lee auf deutsch sagt. „Was ist mit deinen Augen? Ich kann mich nicht sehen in deinen Augen!“

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Oh ja – das sind großartige Passagen!!! Er passt so gut in die Rolle des kalten Königs – man kann sich kaum eine andere Stimme vorstellen. Ich hab auf Anhieb seine Stimme im Kopf gehabt, als ich deinen Kommentar gelesen habe 😉

  2. Mochte den Film auch immer sehr. Hab auch den Soundtrack 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Der ist ja auch klasse 😉

  3. Einer meiner Lieblingszeichentrickfilme, den ich jahrelang immer an Weihnachten geschaut habe. Nun schon mehrere Jahre nicht mehr. Wird absolut Zeit. Als Kind hatte ich immer viel Angst vor dem roten Stier und dem sprechenden Skelett. Da kommen Erinnerungen hoch. Danke für die vielen tollen Infos! 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich auch! Aber gleichzeitig habe ich mich immer auf das Skelett und den Stier gefreut. XD verrückt …. . Gern geschehen – ich war auch hin und weg, als ich das alles gelesen habe. Ich wusste ja, dass die Schließung des vorhergehenden Studios von Miyazaki und Co. Studio Ghibli finanzierte … aber dass es das Studio ist, dass „Das letzte Einhorn“ gemacht hat. Und dass daselbe Studio Nausicäa gemacht hat!? Da war ich baff ….

  4. Das ist auch ein typischer Kindheitsfilm von mir! 😀 Besonders an Weihnachten habe ich den gern geguckt, der lief ja immer auf RTL II. Und bieder oder gar kitschig finde ich den gar nicht, hallo? Diese Minikritiken vom Lexikon des internat. Films lese ich auch immer wieder in Wiki-Artikeln. Kam schon oft vor, dass ich denen nicht zugestimmt habe, also sei’s drum 😉
    Und der Soundtrack (ja, ich komme auch immer wieder auf die Musik zurück) ist einfach toll. Passt perfekt zu dieser schwermütigen, melancholischen Stimmung im Film.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Das sehe ich genauso wie du – ich verstand die Welt nicht mehr, als ich die Kritiken gelesen habe XD wie kann man das als bieder bezeichnen? Oder als schlechtestes Fernsehniveau?? Habe es diese Woche erst wieder geschaut und empfinde es eigentlich so, dass viele Details aus künstlerischer Intention heraus so und nicht anders gemacht wurden. Z.B. gibts wenig Schatten. Und die Haare des Einhorn sind wenig plastisch. Aber ich finde die Kritik mächtig überzogen und bescheinige den Kritikern Fantasielosigkeit …. Mensch. Ist doch so ein toller Animationsfilm. Und die Musik! Guter Punkt! Die ist wunderbar und passt sehr gut.

  5. Ich liebe diesen Film bzw. die Geschichte: Den Film habe ich tausendfach im TV, auf VHS und Blu-ray gesehen und jetzt im Erwachsenenalter habe ich endlich mal Buch und Graphic Novel gelesen. Mir hat der Film immer auch wegen des Stils so gut gefallen – es war nicht der typisch quietschbunte Zeichentrick und kein klassischer Kinderfilm wegen der düsteren Stellen (aus dem Grund mochte ich auch immer „Watership Down“ so sehr). Heute Abend steht das Fernsehprogramm also fest. Und wehe, jemand in der Familie will was anderes schauen! 😀

    Mit der Hintergrundgeschichte hatte ich mich allerdings nie näher beschäftigt. Dank dir habe ich also wieder dazugelernt 🙂

    Frohe Weihnachten dir und deinen Lieben!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Und hat sich die Familie getraut einen anderen Fernsehwunsch zu äußern?? 😉
      Siehst du mal … ich hab nicht gewusst, dass es eine Graphic Novel gibt! Auch wieder was gelernt! Habe mir allerdings auch in den Kopf gesetzt 2016 das Buch zu lesen – plus die Fortsetzung. Wie hat es dirgefallen? Ich finde die Cover alle furchtbar kitschig und hadere noch mit dem Kauf ….

      1. Die haben sich nicht getraut, etwas zu sagen. 😉 Ich habe lediglich betont, dass ich an Weihnachten ja absolut keine (TV-)Traditionen habe und nur „Das letzte Einhorn“ für mich zum Fest dazugehört. Da niemand einen besseren Programmtipp hat, gab es dann auch keine Widerrede 😉

        Ja, die Buchcover mag ich auch nicht – hätte ich den Titel und Autor nicht durch den Film gekannt, hätte ich das Buch wohl auch nie eines zweiten Blickes gewürdigt. Aber auf der Buchmesse hatte ich vor Jahren dann die Ausgabe mit beiden Einhorn-Teilen gesehen und spontan gekauft.
        „Das letzte Einhorn“ als Roman hat mir sehr gut gefallen. Der Film ist sehr nah am Buch gehalten, aber im Roman ist vieles natürlich noch näher erläutert, v.a. Schmendrick, Molly Grue, Haggard und Lír kommen stärker als für sich stehende Charaktere raus. Der Film versprüht dagegen durch Optik und Musik einen ganz eigenen Zauber, den ich so intensiv beim Roman nicht verspürte. Die Graphic Novel ist dagegen ein perfektes Zwischending zwischen Film und Roman (ich nutze das mal für Eigenwerbung ;): http://www.phantasienreisen.de/2013/07/31/peter-s-beagle-peter-b-gillis-renae-de-liz-ray-dillon-das-letzte-einhorn/)

        Die Fortsetzung von „Das letzte Einhorn“ ist eigentlich eher eine Novelle als ein richtiger Roman und zwar ganz nett,aber vom Hocker hat sie mich nicht gerissen. Abgesehen davon finde ich den Titel so unsäglich kitschig ^^

  6. Für mich gehört „Das letztes Einhorn“ zu meiner Kindheit. Ich war schon immer vernarrt in den Film und konnte ihn nicht oft genug sehen. Auch, wenn man weiß was passiert, der Film wird einem nicht über. 🙂 Ich habe ihn nun schon sehr lange nicht mehr gesehen und werde das noch vor Silvester nachholen. Du hast mich an was Wunderbares erinnert. Ich freu mich schon darauf den Film meinen Kindern zu zeigen *indieZukunftschau* :‘).

  7. Also, ich glaube, „Das letzte Einhorn“ gehört zur Kindheit von uns allen, oder? Ich habe den Film als Kind auch geliebt und schaue ihn mir auch heute noch sehr gern an 🙂 Bieder ist daran überhaupt nix xD Aber vielleicht ist das auch wirklich die Nostalgie, die unseren Blick darauf ein bisschen trübt 😉

  8. […] Während gefühlt 90 % der deutschen Frauen jedes Jahr die Ausstrahlungstermine von „3 Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Kalender markieren, gibt es für mich nur ein Must-See in dieser Zeit: „Das letzte Einhorn“. Miss Booleana hat sich dem Film im Dezember einmal näher gewidmet und erzählt uns etwas mehr über die cineastischen Hintergründe. […]

  9. Den Film habe ich als Kind mit meiner Schwester rauf und runter gesehen. Irgendwas fand ich dabei an der Stimme des Königs ungewöhnlich, konnte aber damals noch nicht richtig artikulieren, was mir daran so komisch erschien. Daher konnten mir meine Eltern auch keine vernünftige Antwort auf meine Frage geben.

    Erst als Erwachsener habe ich realisiert, dass Christopher Lee sich in dem Film sozusagen selbst synchronisiert. Das, was mir als Kind so ungewöhnlich erschien, war einfach nur ein leichter britischer Akzent.

    Somit ist ein großes Mysterium meiner Kindheit heute gelöst.

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