Manga Manie: „Naruto“ von Masashi Kishimoto

Bisher habe ich immer davor zurückgeschreckt hier Manga vorzustellen, die als Endlosserie erschienen sind. Endlosserie ist für mich alles, was ca. 30 Mangabände überschreitet. Warum? Weil man dafür ziemlich Ausdauer braucht. (Und Platz, wenn man analog liest.) Aber in manchen Fällen lohnt es sich eben doch. Der Manga Naruto (jp. ナルト) von Masashi Kishimoto dreht sich um den gleichnamigen Helden, anfangs eher Antiheld. Naruto ist ein Junge, der in der fiktiven Welt des Manga zur Ninja-Schule geht und trotz seines schmalen Könnens eine große Klappe hat und voreilig ankündigt eines Tages der Hokage seines Dorfes zu werden – sowas wie der Dorfälteste und ein begabter Ninja. Der Haken bei der Sache: Naruto ist frech, vorlaut und kann nicht soviel wie er gern vorgibt. Schnell lernt der Leser aber, dass Naruto eine Waise ist und aus Gründen, die wir noch nicht verstehen, von Kleinauf von den Dorfbewohnern gemieden und beschimpft wird. Die Ursache dafür ist, dass in Narutos Körper ein Fuchsdämon eingeschlossen wurde, der das Dorf vor Jahren angegriffen hat. Aus Angst vor dem Fuchsdämon meiden sie Naruto oder denken automatisch an die grausame Verwüstung des Dämons – der Junge kann eigentlich nichts dafür. Ab diesem Zeitpunkt begleitet der Leser Naruto, als er quasi noch ein kleiner vorlauter (aber liebenswerter) Bengel ist bis zu einem Zeitpunkt an dem er als Herangewachsener schwere Entscheidungen treffen und harte Kämpfe durchstehen muss. Wir werden mit Naruto groß und sehen wie die Probleme und Herausforderungen wachsen – bis zum Krieg. Das ist die Stärke des Manga, der außerdem mit einer immensen Anzahl an vielschichtigen Charakteren aufwartet so wie Narutos Teamkollegen Sasuke, der schon als Junge von Rache angetrieben wird und der felsenfest plant seinen Bruder umzubringen. Hört, hört.

Die Welt von Naruto ist eine mittelalterlich anmutende Alternativ-Welt, die durch asiatische Folklore und Mythen geprägt ist. Ninja werden in Schulen ausgebildet und gehen hinterher ganz unterschiedliche Wege. Es gibt Medizin-Ninja, solche die sich als Söldner ihren Lebensunterhalt verdienen, etc. Dementsprechend handelt es sich bei Naruto anfangs um einen Battle-Manga mit Drama- und Comedy-Elementen. Als Naruto als Kind die Ninja-Ausbildung beginnt, geht es meist um das Bestehen der nächsten Tests und Prüfungen. Der Manga bietet Erklärungen zu den typischen Begriffen der Welt, die Masashi Kishimoto hier gebaut hat und die irgendwo in unserer Welt fußen. So geht es beispielsweise um Chakren und Shuriken.

Naruto schlägt sich zusammen mit seinem Team bestehend aus Sasuke und Sakura durch den Alltag zusammen mit ihrem Lehrer Kakashi Hatake. Gutes Beispiel für das Drama, sowie auch für Comedy und den Kishimoto-eigenen Stil. So hat jeder Charakter ein bestimmtes Erkennungsmerkmal. Kakashi beispielsweise trägt immer eine Halbmaske, die den Großteil seines Gesichts verdeckt. Naruto hat sowas wie Fuchs-Schnurrhaare im Gesicht und Sasuke einen finsteren Blick. Das Gespann ist ein ziemliches ungleiches. Sasuke kann alles, er scheint ein Genie für sein Alter zu sein und jede neue Technik gelingt ihm sofort. Naruto hingegen muss lernen, er ist eher tollpatschig und ungeduldig. Aber ist bereits zu schwitzen und zu trainieren um endlich von anderen anerkannt zu werden. Ähnlich geht es Sakura, die sich durchschlägt und viel von ihrer Schläue profitiert. Nicht unbedingt einfacher wird es dadurch, dass Naruto Sakura mag, die aber auf Sasuke steht. Sasuke, der nur von Rachegedanken angetrieben wird und die Wege der anderen scheinen aber in ganz andere Richtungen zu verlaufen. Neben dieser Handlung baut sich eine wesentlich düstere auf, die letztendlich nicht nur Konoha Gakure, das Dorf unseres Gespanns, sondern die ganze Welt beeinflussen wird und unsere Helden auf eine harte Probe stellt und ihr ganzes Dasein in Frage stellt. Der Manga wird erwachsen und der Leser ist dabei. Es gibt in der Geschichte einen Bruch, einen alles verändernden Kampf, der die Kindheit der Gruppe quasi beendet. Der Manga wird fortgesetzt, einige Jahre nach dem Geschehen und geht um einiges härter weiter als man anfangs dachte, als man Naruto anfing zu lesen. Das Gefühl einen Manga lange zu verfolgen und den Charakteren beim Wachsen zuzuschauen ist ein sehr besonderes Erlebnis, das den Nachteil der Endlosreihen aufhebt. Wenn man so einen langen Atem hat zumindest.

Masashi Kishimoto schafft einen wirklich guten Spagat zwischen einem klassischen Battle-Manga in dem sich der Protagonisten bzw. allgemein alle Charaktere versuchen zu steigern sowie den Genres Drama, manchmal sogar Horror und Comedy. Natürlich lebt Naruto als Manga auch von Narutos Schusseligkeit und Streichen, von Kakashis chronischem Zuspätkommen und den Streitereien mit Sakura. Aber er bietet eine enorme Entwicklung, sowohl was die Charaktere, als auch die Geschichte betrifft. Man verfolgt als Leser selten die Geschichte der Helden von Kindesbeinen an bis zu dem Zeitpunkt an dem die Kindheit vorüber ist und die Geschichten kaum ernster sein könnten. Außerdem ist sehr deutlich, dass die Handlung auf lange Sicht geplant ist. In späteren Bänden gibt es Enthüllungen über Dinge, die man seit Band 1 zu wissen glaubt, die machen, dass einem der Atem stockt.

Der Zeichenstil Kishimotos ist schlicht und unverschnörkelt und verzichtet auf das allzu übertriebene Große-Augen-Klischee. Dabei ist er von Anfang an ein sicherer Zeichner, dessen Stil sich aber deutlich entwickelt und ab einem gewissen Punkt des Manga gefestigt ist. Actionszenen sind rasant dargestellt und perspektivisch sehr abwechslungsreich. Insbesondere großformatige Momentaufnahmen aus einem Kampf beeindrucken. Ein weiterer großer Pluspunkt ist das character design, das sehr abwechslungsreich gestaltet ist. Ziemlich gut, bei der Fülle an Nebencharakteren, die man ab einem gewissen Zeitpunkt begleitet. Ebenso wie das immense world building. Die Welt von Naruto, Sasuke & Co. ist sehr komplex und durchdacht. Umfasst verschiedene Regionen – Wüsten, Wälder mit verschiedener Flora und Fauna. Verschieden Regionen, Dörfer und Beziehungen untereinander. Hat eine eigene Mythologie und v.A. ein sehr eigenes Kampfsystem, das was man über Ninja aus der Realität kennt mit einem gewissen Mystizismus erweitert. Das alles hat Naruto zu einem enorm populären Manga gemacht, der in 23 Ländern erschien und auch als Anime umgesetzt wurde. Dabei handelt der erste Anime Naruto von Narutos Anfängen und dem Beginn seiner Reise (220 Folgen), während Naruto Shippuden (NARUTO-ナルト-疾風伝, über 400 Folgen) den Teil des Manga abdeckt, in dem Naruto älter ist. Dazu gesellen sich zahlreiche Anime-Filme, Spin-Offs, Sonderausgaben, Artbooks, Merch und Musicals. Wer also in die Welt von Naruto eintaucht, hat definitiv viel Stoff zum Anschauen. Und die Geschichten von Menschen, die als Außenseiter gebrandmarkt werden und sich vielleicht zum Helden mausern, machen doch am meisten Spaß, oder?

„NARUTO: Masashi Kishimoto OFFICIAL Creator Sketch Video by SHONEN JUMP Alpha“, via vizmedia

Wo lesen?

Alle 72 Ausgaben von Naruto und einige Sonderausgaben sind in Deutschland bei Carlsen! Manga erschienen.

Schrecken euch Endlosreihen eigentlich ab? Oder macht euch das nichts aus? Habt ihr schon Mal eine beendet? (Aber bitte keine Spoiler in den Kommentaren.) Vielleicht sogar Naruto? Kennt ihr den Manga? Und wie findet ihr ihn?

Manga sind ein wunderbares Medium, dass für jeden Geschichten parat hält und mehr kann als die gängigen Vorurteile behaupten. In dieser Kategorie stelle ich Manga vor, die stellvertretend für die Vielfalt der japanischen Comics stehen: Manga Manie ist an der Tagesordnung! 🙂

6 Antworten

  1. Naruto ist einer von zwei „Endlosmangas“ 😉 die ich mitverfolge bzw. mitverfolgte, da Naruto inzwischen ja abgeschlossen ist. Masashi Kishimoto gelingt es meiner Meinung nach hervorragend grundlegende Aspekte des menschlichen Charakters darzustellen und in Beziehung zu setzen, so dass man als Leser auch etwas von Wert nach dem Lesen mitnehmen kann. Liebevoll ausgearbeitet sind Form und Farbe der Charaktere und das nicht nur zeichnerisch, könnte man sagen. 😉

  2. Ich habe früher Naruto gern gelesen, als der Manga noch in der Banzai erschienen ist. 😀 Danach habe ich den Manga nicht mehr aufmerksam verfolgt, aber es gibt ja zum Glück Naruto-Wikias, da kann ich immer schnell reinlesen, was so in der Zwischenzeit passiert ist. Reicht mir schon, da meine Interessen sich nun doch gewandelt haben und ich mit „Battle“-Manga nicht mehr so viel anfangen kann. 🙂

    Endlosreihen mag ich eigentlich nur, wenn ich auch von Anfang an dabei gewesen bin. Es war 2003, als ich den ersten Band von Detektiv Conan gekauft habe und in wenigen Tagen werde ich Nummer 89 in den Händen halten können. Da gfrei i mich schon drauf. 🙂

    Ach ja, die einzigen Endlosreihen, die ich beendet habe, sind Dragon Ball mit 42 Bände und Ranma 1/2 mit 38 Bände. ^^“

  3. Ich war stets Verfechter des Animes das ich absolut kein Mangamensch bin… So gehypt wie ich am Anfang war so hat sicher die Begeisterung relativ schnell wieder gelegt irgendwo bei Folge 200 habe ich glaube ich aufgehört, da ich keine weiteren Episoden mehr gefunden habe und mir die aussichtslose Rettungsaktionen für Sasuke zu sehr auf den Keks ging. Ebenso wie Sakura… Da konnten selbst die wunderbaren Nebencharaktere wie Tsunade, Neshi oder Gara nichts mehr retten… Aber die Botschaft der Freundschaft und des Nieaufgebens habe ich verinnerlicht, denn die ist wirklich toll! Zumal der Anime wirklich so viele unterschiedlich coole Charaktere zu bieten hat, die leider nie wirklich in den Vordergrund gerückt werden.

  4. Jetzt habe ich endlich einen Überblick über Naruto und eine Erklärung, wieso so viele Menschen Naruto mögen! Ich hatte bisher nichts mit Naruto am Hut, also weder als Anime gesehen noch gelesen. Danke für deine vielschichtige Vorstellung des Mangas!
    Ich habe mit Onie Piece angefangen und aus Zeitmangel hab ich irgendwo aufgehört und freue mich aber bereits, hoffentlich bald wieder weiterzulesen! Du hast Recht, wenn man mit den Charakteren mitwächst, dann ist das was ganz Eigenes. Es sind nur Figuren, aber man hat sie gewissermaßen ins Herz geschlossen.

  5. Ich habe auch so meine Probleme mit den Endlosserien … Ich mag „Naruto“, habe sie aber nur stockend verfolgt und könnte partout nicht sagen, wie viel von der Serie ich eigentlich gelesen habe. (Die Hälfte?) Die Erzählweise ist bisweilen meisterhaft, aber mir fehlt ein bisschen die Abwechslung, ungefähr das wichtigste bei Shonen-Battle-Manga. (Etwa im Vergleich mit dem weit weniger tiefgründigen, aber eben launenhafteren „One Piece“, oder meinem absoluten Lieblingsmanga, „Hunter X Hunter“.)

  6. Du hast es geschafft! Ich habe wieder Bock auf meinen Rewatch, den ich bis Folge 60 der ersten Serie durchgehalten habe und dann wieder aus den Augen verloren habe. Und ähnlich wie andere hier habe ich den Manga eher in der Banzai verfolgt. War so das erste, was ich wirklich in der Jugend begeistert in japanischer Sprache mit englischen Untertiteln geguckt habe und fleißig bei den Mangas abgezeichnet habe.
    Ich glaube das, was so viele Menschen da einnimmt ist nicht nur die Story, sondern vor allem die Charaktere. da gibt es ja gefühlt tausende aus denen du dir deine Lieblinge heraussuchen kannst. und ähnlich wie in Hogwarts kannst du dann überlegen aus welchem Dorf du bist und welches coole Band du als angehender Ninja ummachen würdest. Da ist irgendwie viel an Substanz um sich in der Welt zu verlieren, was ich wundervoll finde.
    Wie stehst du zu „Shaman King“?

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