Fantastischer Film: Ist das Leben nicht schön?

Am Weihnachtsabend beten viele Menschen aus dem beschaulichen Örtchen Bedford Falls für einen gewissen George Bailey und irgendwo ganz weit draußen am Sternenhimmel werden ein paar Stimmen wach und erhören die Gebete. Dieser George Bailey hat seinen Lebensmut verloren und sie schicken einen Engel, um das schlimmste zu verhindern. Der etwas tollpatschige und wunderliche Clarence (Henry Travers) soll es richten und wirft zuvor einen Blick auf das Leben von George. Der hat seit frühester Kindheit andere Menschen wortwörtlich gerettet, sich selbst aufgeopfert und seine eigenen Pläne und Wünsche für das Wohl anderer hinten angestellt. Man kann auch sagen, dass manchmal ein bisschen Pech dazukam. Als an einem Weihnachtsabend alles zusammenkommt und das Leben George Bailey (James Stewart) letztendlich zermürbt, wünscht er sich, er wäre nie geboren. Just in diesem Moment trifft er auf einen gewissen Clarence, der verrücktes Zeug redet und ihm mal zeigt wie es in Bedford Falls wäre, wenn George Bailey nie geboren worden wäre.

Ist das Leben nicht schön? gilt als Weihnachtsklassiker, der erschreckend lange an mir vorbeigegangen ist. Könnte daran liegen, dass es ein Schwarzweißfilm ist, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat und mir nicht durch Werbung oder Kino bekannt gemacht wurde, sondern durch die Filmliebhaber-Szene. Der Film stammt nämlich aus dem Jahr 1946 – man lasse sich das auf der Zunge zergehen. Der Film von Frank Capra ist mehr als 50 Jahre alt. Und funktioniert doch so gut. Capra dürfte einigen übrigens ein Begriff sein, weil er noch die Stummfilmära miterlebt hat und in die Tonfilm-Ära hineingewachsen ist. Klassiker wie Arsen und Spitzenhäubchen und Die unteren Zehntausend stammen ebenfalls von ihm. Ist das Leben nicht schön basiert? übrigens auf der Kurzgeschichte The Greates Gift des amerikanischen Autors Philip Van Doren Stern. Der fand für seine Kurzgeschichte keinen Verlag und beschloss sie stattdessen an 200 Bekannte als Weihnachtskarte zu verschicken. Das machte letzten Endes die Filmproduzenten aufmerksam. Das ist zwar eine herbeigeführte Wende, zu der gehört aber auch eine Portion Glück und guter Wille. Erinnert ein bisschen an eine bestimmte Szene aus dem Film. 🙂

Der Zuschauer hat übrigens eine Begleitung während des Films: Stimmen aus dem Off (die Engel) nehmen erstmal George Baileys Leben auseinander und blicken zurück. Dass man danach erst zum eigentlichen Konflikt kommt, erscheint mir wie eine recht moderne Erzählform. Auch der Witz des Films und aller Beteiligten ist herrlich spontan und sorgt dafür, dass das Geschehen alles andere als bedrückend ist. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass man einen so fein platzierten, kurzen, pointierten Witz in heutigen Filmen kaum findet und das ist sehr schade. Alle Beteiligten liefern ein schönes Spiel ab und Henry Travers als Clarence, der immer davon redet, dass er sich jetzt seine Flügeln verdienen will und auf andere wie ein Geisteskranker wirkt, macht unheimlich viel Spaß. V.A. wenn er in der Bar einen Glühwein mit ein bisschen Zimt und Nelken bestellt und der Barkeeper ihn am liebsten auffressen will. Ebenso ist es mit James Stewart, der die unterschiedlichen Lebensabschnitte von Bailey punktgenau rüberbringt. Den jungen, energischen Mann mit großen Plänen, der durch einen Schicksalsschlag gezwungen ist alles anders zu machen. Der Mann, der unpopuläre Entscheidungen treffen muss, aber das beste daraus macht. Der mürrische, der auf sein Leben zurückblickt und sich bewusst wird, das nicht alles so gut lief. Und dann den Mann, den das Leben kaputt gespielt hat, der Frau und Kinder anblafft. Und dann … seht selbst. Das einzige, was ich an dem Film nicht so ganz gelungen finde ist die Lauflänge. Ca. eineinhalb Stunden schauen wir uns das Leben Baileys an, erst dann tritt Clarence in Erscheinung und ich empfand den ersten Teil tatsächlich einen Tick zu lang. Aber nichtsdestotrotz: ein wunderschöner Film, der möglicherweise in keinem Jahr so passend ist wie dem etwas schwierigen, zermürbenden 2016. Auf ein gutes neues Jahr 2017!

Ist das Leben nicht schön? (OT: It’s A Wonderful Life), USA, 1946, Frank Capra, 125min

„It’s A Wonderful Life – Trailer“, via londonforchristmas (Youtube-Channel)

Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆

8 Antworten

  1. Den habe ich dieses Jahr auch das erste Mal gesehen. Da hat man echt was verpasst 🙂 War der erste Part echt so lang? Kam mir gar nicht so vor.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Also zumindest kam er mir so lange vor 😀
      Das witzige ist, ich habe ihn ja auch erst letztes Jahr Weihnachten gesehen. Aber dieses Ding mit den Engeln, die ihre Flügel bekommen wurde in vielen TV-Serien schon Mal aufgegriffen für irgendwelche Weihnachts-Specials. Jetzt weiß ich endlich mal wo das herkommt….

      1. Stimmt. Habe ich gar nicht drüber nachgedacht!

  2. Kann ich nur zustimmen. Einfach fantastisch!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Danke – finde ich auch 😀

  3. Patrick Stewart spielt auch mit? 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Autsch … im anderen Absatz habe ich ihn wenigstens „JAMES“ Stewart genannt. Das ist eine schöne Nerd-Falle. V.A. weil ich neulich beim „Kleinen Lord“ mal besser aufgepasst habe und gemerkt habe, dass in dem Weihnachtsfilm sehr wohl Patrick Stewart mitspielt XD

  4. Mir kam der erste Teil noch viel viel länger vor. Trotzdem ist es immer noch ein sehenswerter Film. Witzig fand ich übrigens, dass die US-Serie „die besten Jahre“ mit ihrer Musik im Abspann Bezug darauf nimmt: da kommt am Ende der Refrain „and dance by the light of the moon“ (Buffalo Gals) vor, gefolgt von dem Logo der „Bedford Falls Company“. Da wusste ich auch lange Zeit nicht, wo das herkommt.

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