Serien-Review: „UnREAL“ S1 & „Atelier“

Hui. Diese Serien-Reviews habe ich recht lange vor mir hergeschoben. „UnREAL“ habe ich eigentlich im Herbst letzten Jahres gesehen. „Atelier“ liegt wenigstens nicht ganz so lange zurück. Warum hat es so lange gedauert bis ich sie hier bespreche? Ganz einfach. Weil ich bei ihnen immer an das Label „Frauenserien“ denken muss und das gefällt mir eigentlich nicht so gut. Aber dazu am Ende des Artikels mehr. Es bietet sich jedenfalls an gerade jetzt darüber zu schreiben, weil uns nach dem Dschungel-Brain-Off-Desaster jetzt auch noch im deutschen Fernsehen der Bachelor wieder begegnet. Mir immerhin nur in der Twitter-Timeline. Reviews sind wie immer spoilerfrei.

„UnREAL“ Staffel 1

Die echte wahre Liebe – das versuchen Sendungen wie Everlasting zu verkaufen. Einem jungen, vielversprechenden, gut aussehenden, bestenfalls sogar reichen Junggesellen wird eine Horde an ebenso gutaussehenden Frauen zu Füßen geworfen. Er redet und lebt eine Weile mit ihnen, verliebt sich letzten Endes in eine, während die Kamera die ganze Zeit draufhält und zum Schluss endet die Staffel mit einer Hochzeit, jawohl. Aufgrund dieses Konzeptes heißt die Serie UnREAL. Das ist die Vision die verkauft werden soll und die zieht Zuschauer(innen) an, sogar wenn sie sich dessen bewusst sind, dass das alles nur Fassade ist. Der simple Grund: wir wollen an das märchenhafte glauben und schauen uns gern schöne Menschen an oder wir sind schadenfroh, wenn die Schlampe der Staffel rausfliegt, nachdem sie sich schamlos an den ‚Junggesellen‘ rangemacht hat. So einfach ist das Prinzip. So einfach ist auch UnREAL. Hier geht es um die fiktive Sendung Everlasting, die an das uns allen zumindest vom Hörensagen bekannte Der Bachelor angelehnt ist und beginnt mit Rachel (Shiri Appleby), die als Produzentin der Serie zurückkehrt. Sie wurde vorher gefeuert und vom Sender verklagt, weil sie am Set quasi Amok gelaufen ist. Alles was sie an Everlasting damals zum Ausrasten brachte, ist aber nach wie vor dasselbe. Die Frauen, die vor Allem vor die Kamera wollen, der Junggeselle, der eigentlich selber das Geld nötig hat, die Manipulation der Teilnehmer am Set und dann ist da noch der Kameramann Jeremy, mit dem Rachel einst eine Beziehung hatte und der nun mit seiner Neuen Hand in Hand geht. Und als ob das noch nicht genug wäre, hat Rachel mit Geldsorgen zu kämpfen resultierend aus der Klage des Senders für den sie zu Allem Überfluss wieder arbeitet. Warum haben sie sie überhaupt nochmal eingestellt, nachdem was sie sich geleistet hat? Weil sie so gut Menschenflüsterer spielen oder bei Bedarf andere manipulieren kann.

Es ist schwierig mit UnREAL. Auf der einen Seite kritisiert und entlarvt es das Getue am Set solcher Sendungen und man könnte fast denken, dass UnREAL Kritik an sogenannten Reality-TV-Shows ist. Auf der anderen Seite bedient sich die Serie aber genau derselben Mittel um seine Zuschauer zu ködern. Während wir auf der einen Seite schockiert sind, dass die Kandidatinnen von Everlasting manipuliert und ausgebeutet werden, ja man sogar soweit geht sie in den Ruin zu treiben oder ihre Gesundheit zu gefährden; so neugierig macht die Serie doch. Wenigstens weil man wissen will, ob die Machenschaften auffliegen. Die kreierten Dramen sind ähnlich wie bei den ‚echten unechten‘ Sendungen die Aufhänger. Und wenn das noch nicht reicht, dann funktioniert Rachels Drahtseilakt zwischen den eigenen Hals retten und doch das richtige tun. Anfangs will Rachel ja noch aufrichtig sein und niemanden manipulieren, keine Kandidatinnen gegeneinander ausspielen oder lügen um sie dazu zu bringen bestimmte Dinge zu tun. Aber dann kommen Geldsorgen um die Ecke und sie kann die Angebote nicht ausschlagen. Später stößt einen die Serie vor den Kopf, weil sie damit weitermacht und man als Zuschauer ihre Motivation nicht verstehen kann. Man könnte sich jetzt einreden, dass Rachel durch ihr Umfeld aus Intrigen geformt wurde, aber es fällt schwer. Was anfangs wie eine Satire rüberkommt und zu einem krassen Höhepunkt hinausläuft ist gegen Ende etwas schwerer zu ertragen aufgrund der plakativen Charaktere. Und damit sind nicht mal der gelackte Bachelor und die Kanidatinnen gemeint, sondern v.A. die skrupellosen Produzenten. Ein bisschen zuviel Telenovela-Intrigen-Soap-Opera-Charme als man ertragen kann. Wegen des eher starken Anfangs der Staffel und des krassen Höhepunkts ködert die Serie einen letzten Endes aber doch und hat vor Allem eins: Tempo und Entwicklung.

(7/10)

Sternchen-7

UnREAL Season 1 Trailer, via iflix Malaysia (Youtube-Channel)

„Atelier“

Die japanische Fernsehserie wird auf dem westlichen Markt unter dem Namen Atelier vermarktet, heißt im Original aber アンダーウェア (sprich: Andāwea – Underwear) und ist ein sogenanntes „Dorama“, also ein Fernseh-Drama. Damit werden Serien bezeichnet, die man in Deutschland wahrscheinlich Telenovela nennen würde. Es sind leichte und lockere Serien, die hauptsächlich Frauen ansprechen sollen und meistens steht die Romantik oder irgendwelche anderen Herzensangelegenheiten (Familie, etc.) im Vordergrund. Atelier hebt sich von anderen Doramas ab, da hier tatsächlich die Romantik kein so großes Thema ist. Stattdessen geht es ein wenig darum sich selbst zu finden oder seine Berufung und auch Schönheit spielt ein nicht ganz unwesentliches Thema. Mayuko „Mayu“ Tokita (Mirei Kiritani) hat Mode studiert. Aber eigentlich mehr wegen der Stoffe und Chemie, die Dinge für die sie sich interessiert. Ihre Klamotten und ihr Stil sind eher praktisch. Umso weniger scheint sie zu ihrer neuen Arbeitsstelle in Tokio zu passen: dem schicken Dessous-Label Emotion. In dem Laden unter der strengen Führung der Chefin Mayumi Nanjō (Mao Daichi) wird Lingerie noch maßgeschneidert und auf Wunsch entworfen. Mayu scheint für die Werte des Unternehmens wenig Sinn zu haben und gerät mit der Chefin ein ums andere Mal aneinander. Doch auch Chefin Nanjō muss sich fragen, ob ihr Laden bei den Trends und dem Wandel der Zeit mithalten kann?

Tatsächlich macht die Serie Anstalten das Thema Berufung in den Vordergrund zu rücken statt des üblichen unerträglich süßen Cocktails aus Liebesdramen. So richtig gelingt das zu Beginn aber nicht. Es ist einerseits etwas witzig und comichaft wie Mayu ratlos irgendwo rumsteht und einen Monolog über Schönheit oder die Arbeit hält und dabei Manga-Gesten macht. Die witzigen Szenen können aber auch schon mal ins Fremdschämen abgleiten, weil Mayu sich manchmal wirklich sehr witzig und daneben benimmt. Stichwort: Maßnehmen. Das ist es aber nicht was das Thema Selbstverwirklichung verhunzt. Es ist der Anfang, der einen etwas ärgern kann, wenn man aus einem anderen Kulturkreis stammt. Warum versuchen alle Mayu dazu zu erziehen sich hübsche Dinge zu kaufen und statt ihrer praktischen Klamotten nette Kleidchen zu tragen? Gehört zu Selbstverwirklichung nicht auch, dass man das schön finden darf, was man eben schön findet? Schönheit. Das andere Thema. Die Chefin versucht ständig Mayu darüber aufzuklären was schön ist. Das ist Spitze, das ist elegante oder süße Unterwäsche … aber was ist mit der Individualität? Man fragt sich während des ersten Drittels der Serie wo diese Werte abgeblieben sind. Man kann sich als aufgeschlossener, weiblicher Zuschauer schon fragen, was hier schief läuft. Aber soviel sei gesagt: es wird besser. Um einiges. Die offensichtlich an Vogue-Chefin Anna Wintour angelehnte Chefin von Emotion bekommt in der zweiten Hälfte auch mehr Tiefe und eine Nebenhandlung, die sehr sehenswert ist. Außerdem gibt ihre Vergangenheit und Mentalität ziemlich viel Aufschluss über die asiatische Mentalität was Pflichten und Familie betrifft. Sowie die Serie insgesamt. So wird Unterwäsche einerseits wie ein Schatz behandelt, alle nehmen ihre Arbeit ausgesprochen ernst und man erfährt, dass Unterwäsche anders behandelt wird als andere Mode-Branchen, weil man mehr nackte Haut zeigen muss bzw. sieht, wenn man am anderen Ende sitzt. Überraschenderweise steckt die Serie voller interessanter Randdetails, zum Beispiel spielt die ehemalige Langstreckenläuferin Masako Chiba in der Serie Reiko, eine langjährige Angestellte und Vertraute der Chefin. Insgesamt herrscht in der Serie ein seltsames Ungleichgewicht aus dramaturgischen Schwächen und einem Hauch zuviel positivem Pathos. Auf der anderen Seite stehen die witzigen und charmanten Charaktere. Was außerdem sehr positiv ist: im Gegensatz zu den gängigen Telenovelas oder westlichen Serien allgemein, sind Doramas meistens nach einer Staffel abgeschlossen. Sehr löblich. Alles in allem: eine gute, seichte Unterhaltung, die etwas heraussticht sowohl unter den Doramas als auch unter westlichen Serien. Und davon mal abgesehen: können wir bitte mal darüber sprechen, dass Mao Daichi so gar nicht aussieht als ob sie 60 Jahre alt ist!?

(7/10)

Sternchen-7

アンダーウェア (Underwear aka „Atelier“) Trailer, via maidigitv (Youtube-Channel)

Mein Problem mit den Serien: Sie sind quasi das was man gerne mal als „Frauenserien“ abstempeln könnte. Ihre Themen werden Männer nicht zwingend anziehen. Bei ‚UnREAL‘ bin ich mir unsicher, aber welcher Mann würde sich ‚Atelier‘ anschauen? Und hier ist der Knackpunkt. Dem überwiegend weiblichen Publikum wird ein meiner Meinung nach überholtes Frauenbild vermittelt. Oder eins mit Knacks. Die Frauen in ‚UnREAL‘ sind Lügnerinnen oder manipulieren, sind geierhafte Leute-Ausnutzer und benutzen Sex als Mittel zum Zweck, sind Kamera-geile Tussis oder werden auf ihre Äußerlichkeiten reduziert. In ‚Atelier‘ wird die Schönheit gefeiert und der Hauptcharakter erst ernst genommen, als sie anfängt sich süß zu kleiden und anzupassen. So richtig cool ist das nicht. Betrachtet man die Serien eben in erster Linie als Serien ohne die Feminismus Flagge zu hissen, sind sie gute, seichte Drama-Unterhaltung. Das schlimme ist: UnREAL hatte mich echt am Haken. Meistens habe ich so ein Guilty Pleasure, in dem es Dramen und Intrigen und sogar Zickenkrieg geben darf. Auf all das lege ich im echten Leben keinen Wert. Aber manchmal ködern mich die Serien doch. Früher war eine solche Serie ‚Pretty Little Liars‘ bis ich das nicht mehr so ganz ertragen habe. Jetzt ist es wohl ‚UnREAL‘. Seufz. Kennt ihr die Serien? Was haltet ihr von ihnen? Sehe ich das mit dem Frauenbild zu eng? Was ist euer schlimmstes Guilty Pleasure? Und noch ein Moment voll des Lobes: schön, dass Netflix auch vermehrt japanische Serien in den deutschsprachigen Raum holt.

5 Antworten

  1. Mit „unREAL“ hatte ich ähnliche Probleme. Als extrem böse und ehrliche Kritik an Reality-TV ist sie eigentlich ziemlich cool, aber dann hat sie eben, wie du selbst sagt, auch billige Dramen und Elemente aus zweitklassigen „Tussi-Läster-Drama-Intrigen“-Serien. Rachels Verhalten am Ende konnte ich auch absolut nicht nachvollziehen und es ging mir mächtig auf die Nerven, dass ausgerechnet jemand, der psychisch so am Ende ist und schon die extremen Folgen der Belastung durch diese Arbeit mibelommen hat, nicht mal die Menschen, die nett zu ihr sind, entsprechend behandeln kann. Sie scheint selbst nicht zu wissen, was sie will – vermutlich, um dem Zuschauer Drama zu bieten.
    Und die einzige Figur, die ich als vernünftig einstufen würde, ist Jeremy. Alle anderen enttäuschen mich wirklich dermaßen.

    Grundsätzlich kann ich deine Kritik an Frauenbildern in „Frauenserien“ nachvollziehen und stimme dir dazu. Generell nerven mich Geschichten, in denen ihre Beziehungen und ihr Aussehen und die Meinung andere Richtung scheinbar das einzig sinnstiftende am Leben der Frauenfiguren sind.
    Bei „unREAL“ finde ich aber alle Figuren einfach so ätzend, dass ich dass ich das nicht auf ein Geschlecht festlegen würde. Adam zB benutzt auch sein Aussehen und Sex, um seine Ziele zu erreichen.
    Allerdings gibt es in „unREAL“ auch mehr Frauenfiguren, sodass die natürlich auch mehr Chancen haben, schlecht dargestellt zu werden.

  2. Das kann ich alles genau so unterschreiben, was du über UnReal schreibst! Und in der zweiten Staffel wird das nicht besser… 😉

  3. Hach ja, in Atelier wollte ich ja auch mal reinschauen. Schon allein, weil es aus Japan kommt und mich interessiert, wie es sich von den überpräsenten US-/UK-Serien unterscheidet.

    Bei Unreal kann ich dich voll verstehen, ich war da auch hin- und hergerissen. Wurde in der zweiten Staffel noch schlimmer als in der ersten…

  4. Ahh, bitte sag nicht, dass Dorama meistens von Frauen gesehen werden und dass sie locker bzw. leichter sind. Damit drückst du dem Wort doch Außerstehenden ein „Stempel“ auf. Dorama gibt es in allen Genres. Natürlich bilden Romance-Dorama in der Regel die Mehrheit, aber… wie gesagt, Dorama nicht gleich Romance-Dorama. Genau wie Anime nicht gleich Kinderkram. 🙂

    Da ich kein großer Fan von „Intrigen“ bin (und zu der Nicht-Netflixhaber-Minderheit gehöre), würde ich mir „Atelier“ vermutlich eher nicht ansehen (auch wenn er mir schon empfohlen worden ist), aber es ist schön, dass eine japanische Serie den Weg in den Westen findet. 🙂

  5. […] Meine Meinung: Es hat viele Gründe, warum ich Netflix toll finde. Aber einer, den ich immer mehr zu schätzen weiß, ist das Netflix auch in anderen Ländern als den USA oder UK Serien produziert und man die auch in Deutschland anschauen kann. Sei es eben das brasilianische 3%, das französische Marseille oder das japanische Atelier (Rezension von Miss Booleana). […]

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