Mid-Year Book Tag: Literatur-Rückblick auf die erste Jahreshälfte 2017

Bei Liesa habe ich neulich diesen Tag gefunden und fand die Idee sehr schön und sehr passend. Einfach mal in der Mitte des Jahres einen Cut machen und zurückblicken. Was private Belange und Gedanken betrifft, habe ich das in letzter Zeit öfter getan. Warum nicht auch für Bücher, die sowieso die ständigen Begleiter in allen Lebenslagen sind? Ich erinnere mich noch, als ich ‚Der Zauberberg‘ gelesen habe und darin eine Zeile vorkam, die zu einer Sache im Privatleben gerade passte wie die Faust aufs Auge. Also los gehts … in 15 Fragen lasse ich das Lesejahr schon mal revue passieren. Übrigens findet ihr Liesas Beitrag hier.

(1) Best Book you’ve read so far in 2017

Die erste Frage finde ich schon mal vergleichsweise hart. 🙂 Ich habe keine Ahnung. Zum Einen hat mich das Hörbuch Die Vegetarierin sehr berührt, zum Anderen empfand ich den Manga Gipfel der Götter von Jirō Taniguchi unheimlich inspirierend und mitreißend. Margaret Atwoods Alias Grace habe ich mit Spannung gelesen, George Orwells Animal Farm fand ich aber ebenso entlarvend und mitreißend. Krass, berührend, verstörend – so ist für mich der Manga Last Hero Inuyashiki. Gemessen daran wieviele Emotionen der Manga in mir hervorruft und mich meistens noch einige Zeit nach dem Lesen beschäftigt, müsste er eigentlich in Summe das beste Buch des Jahres sein. Allerdings habe ich bis jetzt nicht mal ein Drittel der Reihe zu Ende gelesen. Wenn ich wirklich eine Entscheidung treffen muss, dann fällt meine Wahl wohl auf Gipfel der Götter, weil mich das Durchhaltevermögen der Charaktere und Taniguchis Zeichnungen umgehauen und sprichwörtlich weggetragen haben.

(2) Best sequel you’ve read so far in 2017

Puuuh. Auch schwierig zu beantworten, weil ich keine Reihen lese. Die einzige Ausnahme sind Manga oder Graphic Novels. Aber da von einem Sequel zu sprechen, ist bei mehrbändigen Formaten auch nicht richtig. Man kann sagen, dass das einzige wirkliche Sequel, dass ich gelesen/gehört habe, das Hörbuch Die Känguru Offenbarung war, der dritte Teil von Marc Uwe Klings Känguru-Büchern. Und da es quasi das einzige Sequel war, muss es in dem Fall auch das beste sein, schätze ich. Ich fand es aber auch wirklich sehr witzig und cool. 😉

(3) New release you haven’t read yet, but want to

Da ich nur nach meinem eigenen Kalender lese und nicht nach dem Veröffentlichungs-Kalender ist auch die Frage nicht so einfach. Tatsächlich lese ich selten etwas, dass gerade frisch erschienen ist. In letzter Zeit mischen sich auch häufig Klassiker in mein Regal. An der Stelle habe ich nicht so richtiges Zeitgefühl, wann was erschienen ist. Aber mich reizt Naomi Aldermans The Power extrem, auch Paul Auster 4 3 2 1 – was sogar schon in meinem SuB darauf wartet gelesen zu werden. Die Neapolitanischen Saga rund um Meine geniale Freundin und die Folge-Bücher reizen mich auch irgendwie, obwohl das Thema nicht unbedingt mein übliches Beute-Schema ist. Irgendwie habe ich auch große Lust auf den Manga Beyond Evil. Von Last Hero Inuyashiki bin ich ja sehr angefixt, der erscheint jetzt gerade so nach und nach in Deutschland.

Paul Auster „4 3 2 1“ in der englischen Ausgabe … hat man jemals ein perfekteres Cover gesehen?

(4) Most anticipated release for the second half of the year

Ich habe keine Ahnung. Mir fielen einige Bücher ein, aber wie ich gerade ergoogelt habe, wurden die für 2018 angekündigt. Und irgendwann soll es einen neuen Murakami geben, aber der muss erstmal zu Ende geschrieben werden. Mir fällt nur Zeug ein, das noch zu weit in der Zukunft liegt. Da sieht man wieder, dass ich nicht nach dem Veröffentlichungskalender lese Grrrr. Und deswegen sage ich jetzt einfach Last Hero Inuyashikis Folgebände. Halt! Monstress Volume 2 erschien gleich zu Beginn der zweiten Jahreshälfte, aber bei dem hält sich meine Neugier etwas in Grenzen.

(5) Biggest Disappointment

Eine richtige Enttäuschung in dem Sinne gab es nicht. Manche Kurzerzählungen in Shirley Jacksons Sammlung The Lottery and other Stories fielen etwas stark von den anderen ab. Dafür gab es aber trotzdem viele viele starke. So ist das ja meist mit Kurzgeschichtensammlungen, also keine wirkliche Überraschung. Etwas negativ angetan war ich anfangs von Thomas Manns Der Zauberberg In meiner Besprechung habe ich das ja etwas ausführlicher erklärt, aber ich hatte andere Erwartungen an das Buch. Ich dachte da geht es von Anfang an um große Themen wie Leben und Tod, dabei ist es v.A. viel Gesellschaftskritik in leisen und sehr sehr ausschweifenden Tönen. Dabei wird das dekadente Leben in dem Sanatorium etwas angeprangert. Aber um es anzuprangern wird es erstmal geschildert. Und das sehr ausführlich. Sehr. Seeeeeeehr. Und das hat mich anfangs etwas abgestoßen. Allerdings steigert sich das Buch dann.

Der Zauberberg

(6) Biggest Surprise

Da gibts mehrere. Zum Einen habe ich nicht im Geringsten damit gerechnet, dass mit Last Hero Inuyashiki so gut gefallen würde. Die Prämisse klingt schon ziemlich krass. Ein schüchterner Mann mittleren Alters mit einem sehr geringen Selbstwertgefühl und einer sehr lieblosen Familie bekommt zu Allem übel die Nachricht überbracht, dass er unheilbar krank ist und bald sterben wird. Als es ihm damit gerade so richtig miserabel geht, stürzt eine fremde Entität auf ihn ab und er stirbt. Bumm. Aber die Entität ist intelligent und stellt ihn wieder her. Als Maschine. Undzwar mit Schutz- und Kampfmechanismen. Kurzum: er ist von da an eine Kampfmaschine und macht es sich zur Aufgabe seinem miserablen Leben eine Wendung zu geben und andere zu retten. Die Knuffigkeit von Inuyashiki sorgt außerdem dafür, dass man ihn immer umarmen möchte. Was soll ich sagen? Außerdem war es extrem überraschend, dass mir das Hörbuch zu Neil Gaimans Neverwhere so gut gefällt, obwohl mir die deutsche Ausgabe Niemalsland letztes Jahr beim Lesen ehrlich gesagt nicht besonders gut gefallen hat. Aber die Charakter-Stimmen und die Inszenierung waren irgendwie energiegeladener und haben der etwas stereotypen Handlung echt gut getan.

„Manga Trailer Last Hero Inuyashiki“ von Egmont Manga, via Facebook

(7) Favourite new author (Debut or new to you)

Ich interpretiere das jetzt mal um in „Autoren, von denen ich das erste Mal etwas gelesen habe“. Denn irgendwie waren mir vorher alle bekannt. Dieses Jahr habe ich das erste Mal etwas von Shirley Jackson, Han Kang, Hans Christian Andersen (!), Kore Yamazaki, Thomas Mann und Margaret Atwood gelesen. Außerdem das erste Mal H.P. Lovecraft – aber in Form von Hörbüchern. Dabei haben v.A. das lovecraftsche Horror-Universum als auch Han Langs Die Vegetarierin und Margaret Atwood bei mir Eindruck gemacht.

(8) Newest Fictional Crush

Die Bücher, die ich gelesen habe, geben irgendwie kein Crush-Potential her. Aber ich fand Habu Yoshis männliche Männlichkeit sehr spannend (Hauptfigur in Gipfel der Götter). Ist es seltsam das Känguru aus den Känguru-Chroniken („Es ist so süüüüüüüß“) oder Elias aus dem Manga Die Braut des Magiers zu nennen? Ein bisschen? Ok. Damit kann ich leben.

(9) Newest Favourite Character

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, aber: Ichiro Inuyashiki aus Last Hero Inuyashiki.

„Inu Yashiki Anime Trailer (PV) HD“, via Dieking Manga ́s (Youtube)

(10) Book that made you cry

Es gab ein, zwei Szenen in Der Zauberberg, die mich hart an den Verlust eines lieben Menschen erinnert haben und wegen derer ich etwas geweint habe. Aber auch das Ende von Gipfel der Götter war sehr berührend. Auch die Ungerechtigkeit, die Inuyashiki und einem Obdachlosen in Last Hero Inuyashiki entgegengebracht wird, hat mich fast gehabt.

(11) Book that made you happy

Eigentlich machen die mich alle glücklich 😉 Ist wirklich so. Wenn ich ein Buch zu Ende gelesen/gehört habe, beschleicht mich immer so ein Gefühl etwas geschafft zu haben, irgendwas dazugewonnen zu haben (Erkenntnisse, Gefühle, Erfahrungen, ein ganzes Leben). Ich fühle mich danach meist etwas geerdeter als vorher. Macht das Sinn? Gipfel der Götter hat mich beispielsweise sehr erfüllt.

(12) Favourite Book to Film Adaptation you saw this year

American Gods, Neil Gaiman

Ganz klar American Gods. Bryan Fuller & Neil Gaiman haben aus dem Buch das Beste herausgeholt und nochmal einen draufgesetzt. Viele Charaktere wurden ausgebaut und haben mehr Geschichte bekommen, was auch der Handlung zugute kommt. Außerdem ist die Verfilmung symbolreich und die Bilder sind einfach stark. Die Serie ist divers, modern und sogar noch konsequenter als das Buch. Und das sage ich, obwohl es mein Lieblingsbuch ist. Das gäbe auch ein paar andere Verfilmungen, die ich dieses Jahr gesehen habe. Beispielsweise Die Schöne und das Biest, The Dress Maker, Ghost in the Shell, Das Geisterhaus, The Hours, Kill Your Friends, Erlösung, Sieben Minuten nach Mitternacht (aka „A Monster Calls), A Silent Voice, und und und – aber American Gods war dabei am beeindruckendsten. Außer kenne ich bei den anderen die Vorlage nicht oder unzureichend.

(13) Favourite review you’ve written this year

Das beantworten besser die Leser 🙂 Gibt es etwas, dass ihr besonders gern von mir gelesen habe in diesem Jahr? Gemessen an der Resonanz in Form von Kommentaren und Likes müsste das die Besprechung von Thomas Manns Der Zauberberg sein. Das war auch gewissermaßen eine sehr persönliche Angelegenheit.

(14) Most beautiful book you’ve bought (or received) so far this year

Das wahrscheinlich schönste Buch ist die Ausgabe von Die kleine Meerjungfrau aus dem Wunderhaus Verlag mit Illustrationen von Anton Lomaev. Durch die lieben Bloggerkollegen auf der Leipziger Buchmesse entdeckt und gekauft und es ist wahrscheinlich das schönste Buch in meinem Regal. Außerdem bin ich wie oben schon erwähnt ein größer Fan des Covers der englischen Ausgabe von Paul Austers 4 3 2 1. Außerdem finde ich zwei Bücher sehr schön, die beide auf dem Cover mit dem Begriff Zeit spielen. Zum Einen Ted Chiangs Story of Your Life and others und Einstein Dreams von Alan Lightman in der deutschen Ausgabe aus dem Droemer Verlag. Und die beiden habe ich sogar von meinen Eltern geschenkt bekommen 🙂 danke.

(15) What books do you need to read by the end of the year

Gemäß des 7 Bücher für 2017 Tags, den ich Anfang des Jahres mitgemacht habe, „muss“ ich noch vier der sieben Bücher lesen. ^^“ Das kling gerade irgendwie viel … . Darunter ist Haruki Murakamis Kafka am Strand, John Irvings Garp und wie er die Welt sah, Hiromi Kawakamis Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß und Phillip K. Dicks Das Orakel vom Berge. Und nach Der Zauberberg bin ich noch etwas geschädigt und schaffe es nicht Bücher mit mehr als 500 Seiten überhaupt auch nur anzugucken. Gespannt bin ich trotzdem auf die vier.

Hach. So war das bis jetzt. Das Jahr und die Bücher. Verrückt wie schnell die Zeit vergeht. Als Kind kamen mir Tage, Wochen, Monate, Jahre so unendlich lang vor. Und jetzt scheint die Zeit im Flug zu vergehen, so dass ich manchmal Angst habe, dass das Leben genauso erbarmungslos an einem vorbeifliegt. Falls euch der Tag gefallen hat, könnt ihr euch die Fragen ja auch mal stellen und darüber bloggen? Oder hier in den Kommentaren beantworten? Welches Buch hat euch denn dieses Jahr zum weinen gebracht? Oder in welchen Charakter habt ihr euch verguckt? Da fällt mir ein, dass ich dieses Jahr angefangen habe eine Karte zu führen mit den Orten, die ich während des Lesens besucht habe. Bis jetzt ganz aufschlussreich. Mit dem Finger auf der Landkarte und in der Fantasie reist man am leichtesten 😉 Könnt ihr dafür ein Tool empfehlen? Ich habe mir bei Google Maps eine Karte dafür angelegt bzw. eine Liste. Aber ich würde gern eintragen können welche Bücher an den Orten spielten, nicht nur die Orte alleine.

3 Antworten

  1. Schöne Idee, die Bücherorte zu speichern. Mit so einem Gedanken habe ich vor ein paar Jahren auch schon einmal gespielt, aber ich kenn mich da zu gut: Das verliere ich nach drei, vier Eintragungen aus den Augen bzw. vergesse ich es einfach irgendwann. ich bin ja schon bei Lovelybooks und Co. ne halbe Karteileiche. Bei mymaps von Google kannst du doch aber bei markierten Orten auch eine Beschreibung ergänzen (hab ich letztes Jahr für den Londontrip zum ersten Mal gemacht). Ansonsten wäre ja so eine interaktive Karte toll, die dir die Bücher bereits beim Mouse Over anzeigt. Aber womit das am besten erstellt, weiß ich leider auch nicht. :-/

    Ich habe die Halbjahresrückblicke in den letzten Tagen oft gesehen und auch schon gegrübelt, einen zu machen. Aber bei vielen Punkten könnte ich entweder gar keine Angabe machen oder würde mich zu oft wiederholen. ^^

    Und was deinen „Zauberberg“-Artikel angeht: Ja, der war echt klasse! Aber ich liebe deine Beiträge ja sowieso und könnte da nie nur einen Favoriten benennen (der Beitrag zu Shirley Jacksons Kurzgeschichten hat mich auch so richtig gefesselt und kreist mir seit Tagen im Kopf herum).

  2. Was für ein cooler Tag. Ich liebe ja so Rückblicktags, da kann man immer so viele neue und spannende Bücher entdecken. Die Känguru Chroniken liebe ich übrigens auch. Als Hörbuch finde ich sie aber fast sogar noch einen Ticken besser 🙂

    Liebe Grüße
    A.

  3. Danke für den interessanten Artikel. 🙂 Das Gefühl, dass die Zeit mit dem Lebensalter schneller vergeht, kennen wohl viele. Das einzige Mittel was mir dagegen einfällt ist wohl sich Zeit für Langeweile zu nehmen, aber ob man das will? Vielleicht liegt es auch daran, dass man in jüngeren Jahren fixierter in seinen Vorhaben und Plänen ist und natürlich auch noch mehr Jahre vor sich hat. 😉

    Bei Google Earth kann man, wenn ich mich recht entsinne, auch beliebige Notizen an Örtlichkeiten hinterlegen.

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