Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Dunkirk“

Christopher Nolan war einige Zeit ein Held der Cineasten. Er hat moderne Filme mit ordentlichem Handwerkszeug gemacht, die gerne etwas Köpfchen erfordern. Beispielsweise die nicht-lineare Erzählweise von Memento. Oder die visuellen Effekte von Inception. Aber im Laufe der Zeit wurde er auch ein bisschen das Hass-Objekt der Cineasten, da sich manche seiner Stilmittel häuften und stark kopiert wurden bis sie in der Filmszene krass überstrapaziert wurden. Beispielsweise das charakteristische Dröhnen, dass seither jeden dritten Trailer bevölkert oder der Hang zu Twists und Cliffhangern. Aber er kann ja irgendwie nichts dafür, er macht seine Sache ja gut. Es ist so ein bisschen wie mit dem schlauen Kind in der Klasse, das sich nicht mal wahnsinnig oft meldet oder angibt, aber trotzdem als Streber gemobbt wird. Ich mochte seine Filme meistens sehr und der einzige Grund, warum ich wenig Lust hatte Dunkirk zu sehen, war dass ich Kriegsfilme eher selten schaue. Filmbesprechung ist spoilerfrei.

Im zweiten Weltkrieg wurden in Dünkirchen, Frankreich, die britischen Truppen eingekesselt. Die Soldaten warteten am Strand auf ihre Rettung wie auf dem Serviertablett. Von überall her war der Feind zu erwarten. Aus der Luft, der See, hinter den Dünen. Die Umgebung und Situation ist der taktische Todesstoß für ein Evakuierungsmanöver. Und das merkt man dem Film zu jeder Zeit an. In vier parallel, aber nicht linear(!), ablaufenden Handlungssträngen wird das Schicksal der Männer erzählt mit der Betonung auf den Überlebenskampf und nicht das ewige Wer-gegen-Wen des Krieges. Bei Dünkirchen versucht Commander Bolton (Kenneth Branagh) soviele Männer wie möglich vom Strand wegzubekommen. Nicht nur, weil sie bald in der Heimat gebraucht werden, sondern weil im eingekesselten Dünkirchen der sichere Tod lauert. Zu den Soldaten, die vom Strand wegwollen gehören Tommy (Fionn Whitehead), Alex (Harry Styles) und Gibson (Aneurin Barnard). Die versuchen sich teilweise an Schiffe zu schmuggeln, indem sie sich als Sanis ausgeben und Verletzte transportieren, nur um endlich in Sicherheit zu kommen. In der Luft versuchen währenddessen Farrier (Tom Hardy) und Collins (Jack Lowden) die Gegner abzuschießen, die gnadenlos den Strand und die Schiffe bombardieren. Und auf See versucht der zivile Mr. Dawson (Mark Rylance) zusammen mit seinem Sohn und dessen Freund auf seinem Boot Soldaten aus Dünkirchen zu holen, wobei sie u.a. einen Soldaten (Cillian Murphy) aus dem Meer ziehen, der schwer traumatisiert ist und sie dazu bringen will nicht nach Dünkirchen zu fahren.

Nolan grast dabei alle Dimensionen dieses Manövers ab. Zu Land, im Wasser, in der Luft. Facettenreichtum ist hier das Schlagwort, nicht nur was die Fronten des hier abgebildeten Teilstück des Krieges ist. Bei den Charakteren ist alles dabei. Die bis hin zur Dummheit mutigen, die aufopfernden, die feigen, die traumatisierten, die unglücklichen und die die Glück haben. Dieser Kriegsfilm ist ein deutlicher Antikriegsfilm, denn er skizziert wie egal im Krieg plötzlich die Fronten werden, die Meinungen und manchmal auch die Ehre. All die Dinge, die den Krieg erst auslösten (in den meistens Fällen). Letzten Endes ist da nur der Überlebenskampf und holt aus manchen Soldaten das äußerste heraus, während das Leben anderer mehr aus Zufall ausgelöscht wird. Das ist es was der Film auf schmerzlichste zeigt und Krieg vielleicht besser charakterisiert als viele dagewesenen Kriegsfilme. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Nolan darauf verzichtet die Deutschen als Feindbild darzustellen und zu erwähnen. Anders als in zig anderen Kriegsfilmen, die mit Stereotypen um sich werfen, geht es hier um den Menschen und der Feind ist der Tod. Und das wird dem Zuschauer nur mehr als deutlich durch die Beteiligten, deren Namen nicht so oft verlautbart werden wie der des unvermeidlichen Regiesseurs und Drehbuchschreibers Christopher Nolan. Als da wären Hoyte van Hoytema für die Kamera, Lee Smith für den Schnitt, Hans Zimmer für die Musik und Richard King für die Soundeffekte. Sie machen den Film zu einem Erlebnis, dass sich haarsträubend realistisch anfühlt und beim Zuschauer die Spannungsschrauben anzieht.

„The sound illusion that makes Dunkirk so intense“, via Vox (Youtube)

Vor Allem vor dem Sound Design und Mixing ziehe ich den Hut, denn selten hat sich das Pfeifen der Bomben, die sich den Weg durch die Luft bahnen so realistisch und bedrohlich angefühlt. Die Schrecken des Krieges auf Film. Das oben eingebettete Video zeigt außerdem wie Hans Zimmer die Shepard Skala einsetzt um mit einer eigentlich kurzen Sequenz eine sich immer fortpflanzende Audio-Teufelsspirale kreiert. Bzw. das auch in früheren Christopher Nolan Filmen verwendet wurde. Nolans Ansatz einen Antikriegsfilm-Kriegsfilm zu erzählen und sich dabei auf das wesentliche zu konzentrieren gefällt mir: Krieg ist furchtbar und furchtbar sinnlos.

Dunkirk, USA/UK/Frankreich/Niederlande, 2017, Christopher Nolan, 107 min, (10/10)

Sternchen-10

„Dunkirk – Trailer 1 [HD]“, via Warner Bros. Pictures (Youtube)

Zahlreiche Kritikerstimmen haben zu ‚Dunkirk‘ andere Meinungen und behaupten, dass der Film den Krieg glorifiziert. Ich frage mich wo. Gesehen habe ich es nicht. Und ich habe gut aufgepasst. Wie ist eure Meinung zu ‚Dunkirk‘?

18 Antworten

  1. Danke für Dein Review. Ich hatte mich erste dagegen entschieden in den FIlm zu gehen, aber mal schauen ob ich es doch noch schaffe.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Warum hast du dich erst dagegen entschieden? Derselbe Grund wie bei mir? Kriegsfilm-Abneigung? 🙂 Und hast du es doch noch gewagt?

      1. Ich fand den Trailer, den ich gesehen hatte, unpassend und ging davon aus, dass der Film ebenfalls wenig sehenswert für mich sein wird. Das Genre ist tatsächlich nicht so meins, wobei das für viele Genres gilt. 😉 Leider habe ich es noch nicht ins Kino geschafft und allmählich werden die Möglichkeiten knapp.

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Jaaa … Kriegsfilm und Western sind bei mir so Knackpunkte. Aber jetzt bin ich neugierig geworden 😉 Warum empfandest du den Trailer als unpassend?

          1. Die starke Audio-Untermalung versucht einen in den Augenblick zu reißen und vermindert so die Möglichkeit das Gesehene zu reflektieren und einzuordnen. Kein bisschen Platz schien mir in dem Trailer (es gibt auch bessere Trailer von Dunkirk) sei dafür gelassen wurden. Eine emotionale Achterbahnfahrt zur Unterhaltung des Zuschauers schien mir das Hauptmotiv zu sein.

  2. Der Film ist wirklich sehr beeindruckend und verzichtet eigentlich fast völlig auf strahlende Helden. Wo der Film den Krieg glorifizieren soll, ist mir ein Rätsel.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja das ist mir auch ein Rätsel und ich empfinde das so wie du. Trotzdem habe ich erst heute einen Film-Podcast gehört, in dem sich tatsächliche alle Kritiker einig waren, dass der Film voller Pathos wäre. Das bringt mich echt zum Staunen.

  3. Mir geht es genauso. Ich liebe Christopher Nolan, aber Kriegsfilme sind eigentlich so gar nicht meins. Werde ihn aber zumindest auf DVD irgendwann schauen, denn ich glaube schon, dass der wirklich gut ist.

    1. Schau ihn dir im Kino an! Dieser Film ist einfach fürs Kino gemacht, gedreht auf IMAX-Film (nicht digital!), die von Miss Booleana erwähnten Soundeffekte kannst du auch im Heimkino kaum reproduzieren. Der Film zeigt außerdem – da du keine Kriegsfilme magst – keinerlei Blut oder umherfliegende Körperteile, anders als z. B. „Der Soldat James Ryan“ oder kürzlich „Hacksaw Ridge“.

      1. ok – überredet 🙂

        1. 🙂

      2. Avatar von Miss Booleana
        Miss Booleana

        Da kann ich der singenden Lehrerin nur zustimmen 😉 Bei dem Soundtrack und den eindringlichen Shots darf man regelrecht von Immersion reden, wenn man im Kino ist.

  4. Ich bin so froh, dass endlich auch die richtig guten Kritiken in unserer Blogosphäre hereinflattern! Die ersten Kritiken von filmschrott und hemator, z. B., haben ja bemängelt, dass sie sich nicht genügend reinfühlen konnten. Mir ging es da wie dir: „Sie machen den Film zu einem Erlebnis, dass sich haarsträubend realistisch anfühlt und beim Zuschauer die Spannungsschrauben anzieht.“

    Und ich finde in keinster Weise, dass hier der Krieg glorifiziert wird. Hier wird ja nicht ständig darauf hingewiesen, dass die bösen deutschen Nazis besiegt werden müssen – es geht hier einfach nur ums Überleben der Briten.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Und ich bin auch sehr froh über deinen Kommentar, denn ich habe jüngst einige dieser Kritiken gelesen (ich hebe mir die manchmal auf bis ich meinen eigenen Artikel fertig habe) und bin ziemlich verblüfft. Heute habe ich sogar einen Film-Podcast gehört, in dem sich alle Kritiker einig waren, dass der Film vor Pathos nur so triefen würde, was ich auch nicht nachvollziehen kann. Haben die einen anderen Film gesehen? Klar, es gibt zwei drei Szenen mit Kennth Branagh die die Offiziere und Kommandeure als heldenhafte Helden darstellen und den Krieg oder zumindest die Rettungsaktion als unschlagbar ehrenhaft etc aber wenn man die Gesamtheit des Films betrachtet, dann steht da doch so wie du sagst und so wie ich oben schreibe der Überlebenskampf. Da werden die Soldaten verheizt, da verhalten sie sich relativ unehrenhaft und wollen tricksen um schneller dort wegzukommen … und man bekommt den Eindruck, dass so ein Soldatenleben extrem schnell verheizt wird. Wo ist da Pathos?

      In dem Sinne freut es mich, dass wir unsere Meinung teilen und eine ganz ähnliche Auffassung des Films haben … sonst müsste ich mich schon fragen wo meine Wahrnehmung während des Schauens hingeflattert ist oder ob die gerade mit nem Cocktail über die Wiese hüpft.

  5. […] irgendwie nicht der unbedingt beste Filmmonat, mal abgesehen von Dunkirk. Der lang erwartete Death Note Film (Remake, Netflix-Original) lief endlich an, hat mich aber nicht […]

  6. […] Ich musste sogar neulich einen Podcast ausmachen, in dem der Film zerrissen wurde. In meiner Besprechung habe auch ich versucht darzulegen, was Dunkirk meines Erachtens nach schafft: den Krieg als ein […]

  7. Bei mir war das so eine komische Mischung im Kino. Da wechselte sich ungemeine Herzraser-Spannung mit unemotionaler Langeweile ab. Da konnte ich irgendwie nicht mit umgehen.
    Ich würde auch nicht sagen, dass der Film Krieg glorifiziert. Das Problem ist einfach, dass man hier, wie bei jedem Film, auch einfach viel über die Zeit in der er gedreht wurde, erfährt. Und so fühlt sich das Ding, da es anscheinend eh ein historischer Kontext ist, der den Briten Mut gibt, sich aus der Scheiße selbst zu schaufeln, einfach wie Brexit The Movie an. Und das war einfach ein bitterer Beigeschmack, den ich nicht ignorieren konnte. Außerdem ist die Rolle von Cillian Murphy zum Haare raufen.
    Soundtrack ist aber jut.

  8. […] Me by Your Name“ „Darkest Hour“ „Dunkirk“ „Get Out“ „Lady Bird“ „Phantom Thread“ „The Post“ […]

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