Serien-Review: ‚Glow‘ Season 1 & ‚Utopia‘ Staffel 1

Es wird mal wieder Zeit den Berg angesammelter, geschauter Serien zu reviewen. Und der gemeinsame Nenner der beiden Serien, die ich heute besprechen möchte ist ein sehr unglamouröser: es sind Serie, die ich gesehen habe, als ich neulich mit Grippe im Bett lag. Das Gute daran: beide haben mir echt gut gefallen! Reviews sind spoilerfrei.

‚GLOW‘ Season 1

Den Bechdel-Test besteht die Serie locker. Locker! GLOW steht für Gorgeous Ladies Of Wrestling. Ein Format für das im Casting die verschiedensten Typen Frauen erscheinen, darunter einige denen ernsthafte Jobangebote als Schauspielerin bisher verwehrt blieben wie beispielsweise Ruth Wilder (Alison Brie). Sie hat die 30-Sekunden-Screen-Time-Casts satt wie viele andere der Frauen, die zum Casting eingeladen sind. Sam Sylvia (Marc Maron) ist der Regiesseur und will das Format auf die Beine stellen, mit seiner rauen, unverblümten Art sagt er direkt, dass es hier um Frauen-Wrestling geht und wem das nicht passt, der kann jetzt das Casting verlassen. Einige bleiben. Und es ist kein Geheimnis: unter ihnen sind einige, die als Schauspielerin nicht dem klassischen Schönheitsideal der Traumfabrik der 80er Jahre entsprechen. Aber sie bleiben und trainieren und werden zu ernst zu nehmenden Wrestlerinnen. Aber der Weg dahin ist steinig, für den Zuschauer mal witzig, mal tragisch. Die Serie der Orange is the new Black-Macher schafft den Spagat wie niemand sonst. In der einen Minute möchte man mit ihnen weinen, in der nächsten höchstens weinen, weil man so hart lachen musste.

Die Dramedy-Serie ist v.A. wegen ihrer diversen und herrlich spleenigen Charaktere so gut. Und wenn sich die Damen dann ihre Wrestle-Identitäten ausgedacht haben, fängt der Spaß erst so richtig an – obwohl bei einigen davon die Klischeehaftigkeit etwas Nerven kostet. Was die Frauen (und das spricht für eine gute Serie) auch lautstark kritisieren. Ruth, die unbedingt eine ernstzunehmende Schauspielerin sein möchte, wird zu Zoya the Destroyer, die wunderbar sketchig alle möglichen Sowjet-Klischees auspackt. Die etwas pfundige Carmen (Britney Young) stammt aus einer Wrestling-Familie und wird zu „Machu Picchu“. Sheila (Gayle Rankin) wird zu Sheila, the She-Wolf. Die Identität als Wolf ist aber für sie nicht nur eine Rolle, die sie spielt, sondern purer ernst. GLOW schafft es diese Spleens nicht wie Spleens aussehen zu lassen, sondern schafft es hinter die Fassaden zu schauen und wunderbar menschliche Charaktere zu zeigen, die einem ans Herz wachsen. Wir sehen zu wie sie allen möglichen Scheiß bewältigen. Leerer Kühlschrank, Mutti und Vati um Geld bitten, nie den eigenen Vater kennengelernt, bei Castings geht einem immer nur einer an die Wäsche, zum Sex-Objekt reduziert, nicht akzeptiert oder ernst genommen werden, zerbrochene Ehe, ungewollt schwanger – das sind alles Probleme die neben dem Glitter, heftigen Make-Up und Wrestling so sehr aus dem Leben exklusiv weiblicher Probleme genauso wie einfach menschlicher Probleme erzählen. Und wenn dazu noch der großartige 80er-Jahre-Soundtrack (Scorpions „Hurricane“, Journeys „Separate Ways“, …) abgefeiert wird, dann erwische ich mich dabei wie ich Folge nach Folge nach Folge sehen will. Die Frauen rocken und dank des Humors ist die Serie nicht auf ein Publikum festgelegt. Übrigens gab es GLOW wirklich, auch wenn die Serie sich nur lose an die Geschichte der echten Gorgeous Ladies Of Wrestling hält. Sie dürften damit ähnlich um Akzeptanz gerungen haben wie Frauen, die in anderen angeblichen Männerdomänen unterwegs sind wie man auch aus diesem Interview herauslesen kann.

(9/10)

Sternchen-9

„GLOW | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)

‚Utopia‘ Season 1

Utopia ist die schrille, schnelle abgefuckte, brutale, witzige, clevere Serie, die alle eure Verschwörungstheorien und Aluhut-Fantasien zu einem großen Ganzen zusammenfügt, bei dem immer wenn du denkst, dass du was wüsstest, alles anders kommt als du erwartest. Das war quasi das TLDR; – für wen es ein bisschen mehr Inhaltsangabe sein darf, dem sei gesagt, dass die Serie von der Graphic Novel The Utopia Experiment handelt. Das Leben einiger Menschen, ob sie nun von der Graphic Novel wissen oder nicht, wird aufgrund dessen komplett umgekrempelt. In einem Internetforum treffen sich ein paar Leute, die über die in der Graphic Novel dargestellten Verschwörungen (bspw. dass BSE vom Staat entwickelt und in Umlauf gebracht wurde) fachsimpeln. Darunter die ehemalige Medizin-Studentin Becky (Alexandra Roach), die sogar eine Doktorarbeit darüber schreiben will. Ebenso der IT-Consultant Ian (Nathan Stewart-Jarrett), der leidenschaftliche Verschwörungstheoretiker Wilson Wilson (Adeel Akhtar) und der elfjährige Grant (Oliver Woolford). Als ein weiteres Mitglied des Forums ihnen den zweiten Band von The Utopia Experiment anbietet, geraten sie in Lebensgefahr.

Es ist eine Kunst für sich eine Serie schnell und knifflig aufzubauen, sie aber gerade in der Geschwindigkeit „abzuspielen“ und zu orchestrieren, dass der Zuschauer nicht überfordert ist. Tatsächlich grenzt Utopia an manchen Stellen schon fast an Reizüberflutung. In der ersten Folge passiert bereits soviel, dass man das Gefühl hat einen abendfüllenden Film zu sehen. Es ist schon regelrecht tragisch wie schnell die Leben der Nutzer des Forums zerstört werden. Aber Utopia schafft den Spagat: man kann der Serie folgen und auch mitempfinden wie langsam die losen Enden zusammengeführt werden. Das Schicksal von Becky, Ian & Co. wird bald schon mit denen des Beamten Michael Dugdale (Paul Higgins) und der Gesuchten Jessica Hyde (Fiona O’Shaughnessy) zusammenhängen. Insbesondere was Dugdale betrifft, ist das nicht von Anfang an klar. Dazu kommt die herrlich verrückte Note der Serie. Eine Geheimzutat aus spleenigen Charakteren, dem Psycho-Electropop von Cristobal Tapia de Veer und einem farbenprächtigen visuellen Storytelling. Sehr bunt, abwechslungsreich und sehenswert. Kompromisslos beschreibt die Serie auch sehr gut, v.A. in punkto Brutalität, denn man braucht hin und wieder einen starken Magen. Denn das Aufrechterhalten der Verschwörung, die die Graphic Novel schonungslos offenlegt fordert zahlreiche Opfer, deren Ableben schockiert und dementsprechend schockierend inszeniert ist. Hier ist auch besonders Neil Maskell zu nennen, der den Killer Arby spielt, der alle umbringen soll, die der ‚Organisation‘ im Weg sind. Oder auch die Folter, bei der das Nervensystem des Zuschauers in Mitleidenschaft gezogen wird. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich etwas Punktabzug geben muss. Trotzdem gelingt es der Serie aber einen gewissen aberwitzigen Humor aufrechtzuerhalten, der auch den liebenswerten Charakteren zuzuschreiben ist.

(9/10)

Sternchen-9

„Utopia – Trailer [HD] Deutsch / German“, via polyband (Youtube)

Ah – es gibt natürlich auch zwei weitere Gemeinsamkeiten der Serien. Sie sind beide Auftaktstaffeln und haben richtig coole Soundtracks. Utopias Erkennungsmelodie werde ich der Serie wahrscheinlich noch in Jahren zuordnen können, weil es so markant ist. Und der Soundtrack von ‚Glow‘ macht extrem gute Laune. Und die dritte Gemeinsamkeit: ich werde beide definitiv weiterschauen. GLOW wurde bereits verlängert, Utopia hat allerdings nur noch eine zweite Staffel. Es wird davon keine weitere geben. Wie übrigens neulich bei meinen ‚Gedanken‚ schon aufgelistet, habe ich Utopia zufällig bei Watchbox gefunden. Der Plattform statte ich jetzt öfter einen Besuch ab. Ich finde sie ist nach dem Relaunch echt gut geworden. Leider funktioniert aber die App an meinem Fernseher eher etwas leidlich. Kennt ihr die beiden Serien? Und wenn ja, wie haben sie euch gefallen?

3 Antworten

  1. „Und wenn sich die Damen dann ihre Wrestle-Identitäten ausgedacht haben, fängt der Spaß erst so richtig an – obwohl bei einigen davon die Klischeehaftigkeit etwas Nerven kostet.“

    Das ist so ein Punkt, den die Serie sehr richtig macht. Die 80er Wrestling Welt war einfach ein Sammelbecken der Stereotypen. Da gab es quasi nix anderes. Hauptsache simpel und auf das Nötigste runtergebrochen. Das fängt die Serie sehr gut ein. Auch generell einfach ein großer Spaß. Noch mehr, wenn man wie ich mal Wrestlingfan war, denke ich.

  2. Glow war schon gut, auch wenn ich da nicht ganz so euphorisch war. Mich hat das ganze sehr an die Cool Runnings erinnert – nur in einer anderen Sportart.

  3. Ich mag „Utopia“, obwohl ich anfangs erstmal ratlos vor dem Bildschirm saß. Die gesuchte Dame wird zwar nach einer Weile recht aufdringlich und um ehrlich zu sein, mag ich ihre Stimme überhaupt nicht. Dafür gibt es aber andere Charaktere, die zum Teil echt gaga sind und eine Comic-Story.

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