Serienlandschaft: Kurz-Kritiken – „Preacher“ Season 2 & „Twin Peaks“ (2017)

Die Reviews, die ich heute in die Welt schicke, habe ich lange vor mir hergeschoben. Vermutlich schieße ich mich und meinen mit Herzblut geschriebenen Artikel mit dem Satz der gleich kommt ins Aus. Vielleicht ist es auch kontrovers genug, damit ihr weiterlest, wer weiß? 🙂 Aber der gemeinsame Nenner der heute besprochenen Serie ist, dass sie Fortsetzungsstaffeln sind und dass sie mich nicht überzeugen konnten. Das ist v.A. deswegen schlimm, weil ich ihnen sehr entgegen gefiebert habe. SEHR entgegen gefiebert. Und jetzt nicht mal weiß, ob ich die Serien weiterschauen würde, wenn es weitere Staffeln gibt. Es geht um „Preacher“ und „Twin Peaks“ nach der 2017 erschienen Fortsetzung. Reviews sind spoilerfrei für die Staffel, die ich reviewe. Nicht spoilerfrei für vorangegangene Staffeln.

‚Preacher‘ Season 2

Schon gewusst, dass Gott in New Orleans lebt und Jazz mag? Das sind zwei der wenigen Hinweise, denen Jesse, Cass und Tulip auf der Suche nach Gott nachgehen. Nachdem sie Annville (offensichtlich gerade rechtzeitig) verlassen haben, folgen sie vagen Spuren wo Gott sich angeblich aufhält. Dabei werden sie allerdings von jemanden verfolgt, der kompromissloser nicht sein könnte und nichts zu verlieren hat. Mal abgesehen von Jesses Dilemma rücken Cass und Tulip mehr in den Vordergrund. Tulip, sonst immer tough, muss  etwas entdecken, was ihr fremd geworden war: Angst. Cass hingegen bekommt ein Wiedersehen mit seiner Vergangenheit in Form seines Sohnes Denis (Ronald Guttman).

„Preacher – Season 2 Official Trailer“, via Sony Pictures Entertainment (Youtube)

In Punkto Kontroverse mischt Preacher wieder ganz vorn mit und wagt sich an die Grundmanifeste der Geschichte und der Religion. So wird man sich im Zuge dieser Staffel Fragen müssen, ob man Mitleid mit Hitler hat – um nur ein Beispiel zu nennen und das ist noch nicht mal die Spitze, sondern noch eher das Guilty Pleasure der Serie. Es gibt noch viel schockierendere Darstellungen an die sich die Serie wagt. Eine große Rolle spielt die Organisation The Grail, die von dem eiskalten Herrn Starr (Pip Torrens) geleitet wird. Die und ihre Ziele sind eigentlich spannender als die eigentliche Handlung der Serie, die vorrangig auf Drama setzt und beispielsweise Tulips Vergangenheit und Ängste in den Vordergrund rückt. Eigentlich war es sehr wünschenswert, dass Cass und Tulip mehr Raum bekommen als in der ersten Staffel. Während Cass‘ Charakter und Geschichte sehr gelungen sind, wird Tulips Geschichte aber gestreckt. Über Folgen zieht sich, was locker in einer erzählt gewesen wäre und auch leider nur soviel Tiefe hergibt, die eine Folge bedienen kann. Aber nicht gefühlt ein Drittel einer Staffel. Nebenbei stellt sich v.A. die Frage, ob der Preacher alles zugrunde richtet, was er anfasst. Siehe Annville und leider auch seine Freunde. Ein Konflikt, der noch aussteht. Gerade Jesse ist eine Figur, die in Staffel eins sympathischer und vom Glauben getriebener wirkte. In der zweiten Staffel ist seine Suche manischer, verzweifelter, er wird genauer beleuchtet und fällt als Preacher durch. Er ist keine tragische Figur mehr, sondern einer der schwimmt, um irgendetwas zu erreichen und doch fast untergeht. Seine Probleme sind self-made. Und das ist es, was es für den Zuschauer schwierig macht. Kann man sich mit diesem Jesse noch identifizieren? Er hat nun schon soviel mitgemacht und gelernt, aber er scheint dieselben Fehler immer noch zu begehen.

Neben der Glaubenskrise des Zuschauers gesellt sich v.A. eine Eigenschaft dazu, die ich der ersten Staffel Preacher nicht zugeschrieben hätte. Der zweiten schon. Sie besteht aus Plot Holes. Es ist schwer vorstellbar, dass beispielsweise Profis wie Jesse und Tulip nicht bemerken, dass sie abgehört werden. Preacher ist immer noch auf eine böse Art und Weise gut, weil es Glauben und Gesellschaft satirisch auf die Spitze treibt und umstößt, was man als unumstößlich wahrgenommen hat. Aber ansonsten konzentriert sich die Staffel in lähmender Langsamkeit auf die falschen Dinge.

(7/10)

Sternchen-7

‚Twin Peaks‘ Season 3

Nach den Geschehnissen der zweiten Staffel ist der echte Agent Cooper in der Black Lodge gefangen und ein von BOB besessener Doppelgänger Coopers wandelt auf der Erde und geht seinen ganz eigenen Geschäften nach. Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre hat er sich ein dichtes Netz an kriminellen Handlangern und Machenschaften aufgebaut. Der echte Cooper bekommt gesagt, dass sein böser Zwilling zuerst zurückkehren muss, damit er vollständig die Black Lodge verlassen kann. Als es Cooper durch Einmischung verschiedener Entitäten gelingt die Black Lodge und weitere Orte jenseits der menschlichen Vorstellungskraft zu verlassen, ist er aber im Körper eines weiteren Doppelgängers, Dougie Jones, gefangen bzw. nimmt dessen Platz ein. Sein Geist ist aber wie gelähmt bzw noch in der Black Lodge gefangen und er quasi handlungsunfähig. Die Geschehnisse der Staffel verbinden Cooper und BOB mit dem Bösen allgemein. Das sucht sich offensichtlich seinen Weg in die Welt u.a. durch die Black Lodge. Verschiedene Kriminalfälle und Spuren werden parallel zu Coopers Geschichte erzählt. Die fühlen sich mitunter noch mehr wie ein Fortschritt an verglichen mit Coopers Irrweg aus dem Wahnsinn. Einige dieser Handlungsfäden sind der Hawks (Michael Horse), der von der Log Lady (Catherine E. Coulson) diverse Hinweise bekommt oder auch der von FBI-Agent Gordon Cole (David Lynch), der zusammen mit den Agents Rosenfield (Miguel Ferrer) und Preston (Chrysta Bell) in einem Blue Rose-Fall ermittelt, der sie letzten Endes zu Coopers bösem Doppelgänger führt. Also ja: alles ist verbunden.

„Twin Peaks | It Is Happening Again | SHOWTIME Series (2017)“, via Twin Peaks (Youtube)

Aber bis diese losen Fäden zueinander führen, machen die Showrunner Mark Frost und David Lynch teilweise schmerzhafte Umwege, obwohl oder vielleicht gerade weil Twin Peaks ihr Baby ist. Coopers Hinvegetieren als Dougie Jones ist teilweise stupide. Er spricht kaum, verhält sich wirr, scheint nicht viel wahrzunehmen und legt als einziges Fortkommen Spiegelverhalten an den Tag, was ihn irrsinnigerweise erschreckend oft durch den Alltag rettet. Es ist fast satirisch wie niemand mit dem Mann zum Arzt geht, obwohl er wirkt, als ob er einen Schlaganfall oder ein schweres Trauma hatte – Satire. Manchmal kommt vage der uns bekannte Agent Cooper durch, beispielsweise wenn es um damn fine coffee geht. Die Satire dauert aber erschreckend lang und stößt daher Fans wie mich gehörig vor den Kopf, die sich erwartet hatten, dass man die Zeit auch anders nutzen konnte. Ist das von Lynch gewollt um den Ansprüchen an die Fortsetzung der Serie einen gewaltigen Dämpfer zu verpassen und unsere Gemüter abzukühlen? Dann ist das nicht sehr gut gelungen. Dann aber wieder gibt es Verbeugungen vor der Serie und ihren Charakteren wie Catherine E. Coulson alias The Log Lady. Die Schauspielerin drehte ihre Szenen 2015 ab, nur wenige Tage bevor sie starb. Und in den anderen Handlungsfäden treten zahlreiche lieb gewonnene Charaktere auf wie Lucy und Andy oder David Duchovny als Denise Bryson. Für manche lang gestrickten Handlungsfäden wie die um Nadine, Ed und Norma gibt es vielleicht eine gefühlt ewig erwartete Auflösung. Aber trotzdem hat man das Gefühl, dass diese kleinen Wiedersehen ein bisschen mehr Raum bekommen könnten, wenn die Dougie-Jones-Storyline nicht so explodiert wäre. Bei manchen Charakteren ist es fast schmerzhaft wie unterentwickelt und lückenhaft ihre Storyline bleibt, beispielsweise die Audrey Hornes. Ein bisschen Spaß machen dann aber wiederum die Gastauftritte von Stars wie beispielsweise von Michael Cera als Wally Brennan, der Sohn von Lucy und Andy, der offensichtlich ähnliche Eigenschaften wie seine Eltern hat. 😉 Und ja! Wir sehen Diane! Irgendwie jedenfalls. Das hätte aber eigentlich gereicht um den satirischen und verrückten Charakter der Serie wieder aufleben zu lassen.

Insgesamt ist die Staffel durch die Vielzahl an eingestreuten neuen Informationen und Charakteren so konfus, dass man nicht den Eindruck hat, dass sie viel beantwortet. Es wirkt mehr so, als ob sie mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Rein gefühlsmäßig kann man erahnen wie die Zusammenhänge sind und sich einiges selber beantworten. Wenn man konkrete Antworten will, dann muss schon so wie bei Lynch zwangsläufig, Zeit investieren und interpretieren. Für viele Zuschauer wird es aber so sein, dass sie sich nach dem Schauen der Staffel fragen: was ist hier eigentlich passiert? Und was will mir das sagen? Es gibt genügend Artikel im Internet, die das erklären und das teilweise auch gut machen. Ich kann es nicht besser als die anderen. Aber ich kann versuchen es in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Da das für manche Leser Spoiler sind, habe ich den folgenden Satz maskiert. Es ist mehr ein Hinweis dessen wo die Staffel hin will, verrät aber nicht das Ende. Zum lesbar machen den folgenden Abschnitt markieren: Die Quintessenz der Serie ist, dass Laura u.a. vom Fireman in die Welt entsandt wurde gegen das Böse, das u.a. in Form von BOB existiert. Damit trägt Laura eine große Bürde, unter der sie wie wir ja in den vergangenen Staffeln und Filmen gesehen haben, mehr oder weniger eingeknickt ist. Twin Peaks versinkt in einem relativen Chaos und die Stadt wirkt wie durchzogen von Kriminalität und Verwahrlosung – natürlich noch mehr hinter vorgehaltener Hand als wir das aus den früheren Staffeln kennen. Mit dem Wissen aus der Black Lodge könnte Cooper, sofern er wieder zu vollem Bewusstsein zurückkehrt, versuchen Laura wiederzubringen. Trotz der relativ weitreichenden Konsequenzen die das mit sich bringt ist es aber sehr schwierig die Staffel zu genießen, da sie viel Stoff verschleiert, aufbläht und viel Neues hinzufügt. Selbst für einen Fan. Wer sich erhofft hat, dass die Serie mit der dritten Staffel ein vollkommen rundes, abgeschlossenes Ende liefert, der wird enttäuscht werden.

(6/10)

Sternchen-6

LINK: „[Twin Peaks] Top Theories Season 3 | The Return Finale Theories Explained“, via Pete Peppers (Youtube)

Jetzt bin ich gespannt auf eure Meinung: wie habt ihr die beiden Staffeln empfunden? Hat Preachers zweite Staffel euren Nerv eher getroffen als meinen? Und wie habt ihr die langersehnte Fortsetzung von Twin Peaks empfunden? Offiziell ist es übrigens „Twin Peaks (2017)“ und nicht „die dritte Staffel von Twin Peaks“. Daran scheiden sich die Geister, für mich ist es eben irgendwie die dritte Staffel. Und wie schon oben geschrieben, wünsche ich mir hier keine weitere Fortsetzung mehr. Ich denke, dass die Fortsetzung einige Erkenntnisse brachte und ja es gab einiges, das an der Staffel genial war. Allein wie David Lynch mit dem Begriff der Realität spielt – siehe das über dem Absatz eingefügte Video. (Nur als Link, weil das Thumbnail fiese Spoilere enthält) Aber all das war in sehr lange 18 Episoden gekleidet, die mich ehrlich gesagt nicht gut unterhalten haben und zuviel unnützen Overhead hatten. Ich habe angefangen genervt zu sein von Twin Peaks und das ist keine sehr schöne Entwicklung. Und deswegen würde ich hier einen Cut machen und ohnehin die Serie nicht weiterschauen. „Preacher“ wahrscheinlich vorerst noch, wobei auch da meine Begeisterung sehr abgeflaut ist. Wie ist es bei euch? Und findet ihr die dritte Staffel von Twin Peaks genial oder verhunzt oder ist es irgendwo dazwischen?

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

3 Antworten

  1. Ich habe Twin Peaks ja noch nicht gesehen und als riesiger Fan freue ich mich natürlich, hab aber schon auch ein bisserl Fracksausen insbesondere nach deiner Rezension. Ich werde Dich wissen lassen wie es mir ergeht. ABER der neue Soundtrack ist auf jeden Fall schon mal der Hammer, den habe ich mir gleich gekauft und der ist 1A 🙂

  2. Ich war leicht enttäuscht von Twin Peaks, weil es einfach die Erwartungen nicht erfüllt hat (die Staffel spielt ja größtenteils nicht mal in Twin Peaks) – aber andererseits ist es Lynch und Twin Peaks. Will man, dass da irgendwelche Erwartungen erfüllt werden? Trotzdem blitzt sein Können immer weider auf, wenn er mit surrealen Mitteln ein Gefühl der Angst oder Beklemmung erschafft. Das kann in der Form wohl kein anderer. Aber die Fülle der Figuren war etwas zu viel und die Handlung zu selbst verliebt – und die Geschichte um Dougie viel zu ausführlich und letztlich uninteressant.

  3. […] fällt vielleicht auf, dass hier einige Vertreter wie The Walking Dead (TWD), Black Mirror oder Preacher fehlen, die man vielleicht in einer Liste mit Horrorserien erwarten könnte. Irgendwie sehe ich die […]

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