#Japanuary 2018 – Zwischenfazit (Tampopo, The Whispering Star, Tetsuo: The Bullet Man, Still Walking, Kumiko the Treasure Hunter)

Dank des Urlaubs habe ich bei der Challenge gut Fortschritte gemacht. Spannend waren die ersten Tage des #Japanuary! Da geben sich Filme höchst unterschiedlicher Genres die Klinge in die Hand – eine schöne Abwechslung 🙂 Meine Liste gab es in der Ankündigung.

Tampopo

Als die Trucker Goro (Tsutomu Yamazaki) und Gun (Ken Watanabe) am Imbiss von Tampopo (Nobuko Miyamoto) halten, wissen sie noch nicht, dass große Aufgaben auf sie zukommen. 🙂 Tampopo wird von ihren Kunden kritisiert, dass ihre Ramen nicht schmecken würden. Für einen traditionellen Laden wie ihren eine heftige Klatsche. Ramen sind ein traditionelles japanisches Nudelgericht mit wahrscheinlich sovielen unterschiedlichen Rezepten wie Sand am Meer. Goro mischt sich ein und infolge dessen bittet Tampopo ihn zu unterrichten und zu helfen die perfekten Ramen zu kochen. Das mündet darin, dass die Beiden als infernalisches Duo andere Läden ausspionieren, einen Trainingsmarathon aus Schnell-Nudeln-Schöpfen und Kochtopf-Heben durchführen und sich noch mehr tatkräftige Unterstützung holen. Der Weg zum perfekten Ramen wird der Weg zum perfekten Ramen-Geschäft voller wahnwitziger Sidekicks, die sich in das Unterfangen einmischen. Ganz nebenbei ist der Film einer der die ganze Esskultur adressiert und damit eine der schönsten Nicht-Nebensachen der Welt. 😉 Da geht es um ein Paar, das beim Akt gern mit Essen spielt (obwohl sie bestimmt als Kinder auch anderes gelernt haben) oder die Neurosen, die vom Essen abhalten. Eine Benimmschule, deren Teilnehmerinnen im Restaurant Grund zur Sorge bekommen, dass ihre Lehrerin ihnen womöglich nicht die echten europäischen Tischrituale beibringt und viele Geschichten mehr rund um Essen und Genießer. Ein köstlicher Film, der wahrscheinlich zeitlos ist.

Tampopo (OT: タンポポ „Tanpopo“), Japan, 1985, Jūzō Itami, 114 min, (9/10)

Sternchen-9

„Tampopo – New Trailer for 4K Restoration with English Subtitles (HD)“, via Admir Destani (Youtube)

The Whispering Star

Sion Sono hat schon Filme gemacht, die mehr in your face sind und nicht ganz so leise wie The Whispering Star. Und das meine ich wortwörtlich, denn in dem Film wird die meiste Zeit geflüstert. Alles andere wäre auch erschreckend angesichts der Stille und des Minimalismus in dieser Galaxie. Der Film spielt in einer weit entfernten Zukunft, in der es nur noch wenige Menschen gibt und diese weit durch das All verstreut auf verschiedenen Planeten leben. Die meiste Aktivität dort machen zudem auch Androiden aus. Auch Yoko Suzuki (Megumi Kagurazaka) ist eine Maschine und hat den Auftrag Pakete an die verbliebenen Menschen auszutragen. Zusammen mit dem nach außen hin wie ein traditionelles japanisches Haus aussehende Raumschiff gleiten sie über lange Entfernungen durch das dunkle Nichts.

Der Bordcomputer ist kitzelig und Suzuki melancholisch. Beide reden nicht besonders viel. Da ist eher noch der Boardcomputer die Labertasche. Es herrscht eine Stille in dem ganzen Film, die die Einsamkeit und das Aussterben der Menschen oder zumindest der Kultur und Gesellschaft wie wir sie kennen wie eine Metapher kleidet. Die ausgestorben wirkenden Gegenden mit verlassenen Supermärkten und Straßenzügen kommen nicht von ungefähr. Gefilmt wurde u.a. in Namie, Minamisoma und Tomioka. Alle drei Orte liegen in der Präfektur Fukushima, die durch die Nuklearkatastrophe 2011 quasi unbewohnbar wurde. Wenn es in der Erläuterung anfangs im Film heißt, dass der Mensch die Erde unbewohnbar gemacht hat und deswegen nach und nach ins All abwanderte, dann muss man nicht viel interpretieren, um zu begreifen, dass der Film nicht nur rein philosophischer Natur ist, sondern auch darauf abzielt uns vor Augen zu führen wie wir unseren Lebensraum demontieren. Vielleicht sind die Inhalte der Pakete die Suzuki ausliefern muss, deswegen so melancholisch. Anfangs versteht sie noch nicht, warum die Menschen sich diese Dinge schicken. Gegen Ende des Films vielleicht schon. Falls die Besprechung es nicht deutlich gemacht hat: der geneigte Zuschauer sollte von stillen Arthouse-Filmen nicht abgeneigt sein, um The Whispering Star genießen zu können. Denn selbst für Arthouse-Fans ist der Film stellenweise schon etwas zu still und Zeit eine Größe mit der sehr großzügig umgegangen wird.

The Whispering Star (OT: ひそひそ星 „Hisohiso boshi“), Japan, 2015, Sion Sono, 101 min, (7/10)

Sternchen-7

Tetsuo: The Bullet Man

Tetsuo: The Bullet Man ist die inzwischen dritte Ausgeburt der Cyberpunk-Filmreihe von Shinya Tsukamoto, wobei man aber die Vorgänger nicht kennen muss, um Bullet Man zu verstehen und die Handlung ist auch schnell erzählt. Der Familienvater Anthony (Eric Bossick) muss tatenlos zusehen wie ein Fremder seinen Sohn scheinbar mit Absicht überfährt und tötet. Die Trauer und Ohnmacht von ihm und seiner Frau wird schnell zu Wut. Plötzlich bemerkt Anthony seltsame Veränderungen an seinem Körper und desto wütender er wird, desto schneller schreitet seine Transformation zu einem Mensch-Maschine-Hybriden voran. Als ihm auch noch Auftragskiller auf den Fersen sind, ist klar: jemand hat scheinbar damit fest gerechnet, dass er sich bald in den Bullet Man verwandelt. In diesem Film spielt Shinya Tsukamoto, der Regisseur selber, die Figur des sogenannten Metal Fetishist, der die Transformation erzwingt, indem er als irrer Fremder Anthonys Sohn überfahren hat. Ohne den Film und alle Mitwirkenden schlecht zu machen sei gesagt: die Geschichte ist relativ einfach gestrickt bis obskur (Stichwort Android-Sex) und die Darsteller transportieren das alles auch nur halbwegs glaubhaft. Die Mittel sind eigentlich auch nicht der Knaller – so versucht man die lückenhafte Maske und wenig vorhandenen Special Effects mit deutlich zuviel shaky cam zu übertünchen. Aber der Film hat was. Vor Allem ist er mit seiner durch Trauer und Verlust gespickte Geschichte etwas mehr Stoff zum „lieb haben“ als die Vorgängerfilme, in denen wohl Menschen-Panzer und Metallpenise nicht unüblich waren. Deshalb ist das der Grund, warum man den Film trotz seiner Trash-Infusion mögen kann. Das brachiale hinter der Idee hat was. Wut über Schmerz und Verlust, der sich in einer künstlichen Welt zu einem künstlichen Hybriden aufbäumt und Dinge kaputt machen will. Kann ich verstehen.

Tetsuo: The Bullet Man, Japan, 2009, Shinya Tsukamoto, 79 min, (6/10)

Sternchen-6

„Tetsuo: The Bullet Man [US Trailer for Japanese Film]“, via Martin Krejza (Youtube)

Still Walking

Wer von Familienzusammenkünften mit allen Verwandten nicht genug bekommen kann, sollte unbedingt Still Walking schauen. Ist es ein Feiertag oder Geburtstag? Nein, der Zuschauer erfährt erst nach und nach, dass sich die Familie trifft und in großem Stil ein Festmahl gekocht wird, um an seinem Todestag dem ältesten Sohn der Familie zu gedenken. Familienoberhaupt Kyohei (Yoshio Harada), ein bis vor Kurzem noch praktizierender Arzt, und seine Frau Toshiko (Kirin Kiki) laden ein und die Kinder Chinami (You) und Ryota (Hiroshi Abe) folgen ihrem Ruf zusammen mit ihren Familien. Dabei kochen bei geflüsterten Diskussionen im Flur und Nebenräumen die schwelenden Konflikte hoch. Sei es, dass Kyohei bitter ist, weil sein ältester Sohn verstorben ist und er gehofft hatte, dass der seine Praxis übernimmt und sein Erbe antritt. Von den Lebenswegen seines zweiten Sohnes und seiner Tochter hält er wenig. Ryotas Beruf hält er für nichts handfestes und kritisiert ihn, weil er eine Witwe mit Kind geheiratet hat, was in Japan früher als unschicklich galt. Eine Witwe sollte trauern und nicht wieder heiraten. Aber es ist nicht nur der Generationen- und Werte-Konflikt. Es kommen auch lang gehütete Geheimnisse ans Tageslicht.

Trotz der ganzen Fülle an unausgesprochenen Vorwürfen und Zweifeln, fühlt sich der Film so wie Hirokazu Koreeda ihn inszeniert hat locker und leicht an. In dem Film wird übrigens gar nicht soviel gelaufen. Still Walking ist mehr eine Hommage daran, dass es trotz unserer Differenzen schon irgendwie weitergeht. Im Deutschen sagt man Blut ist dicker als Wasser. Und so gibt es auch nicht nur Knatsch im Film. Er erzählt auch von der Nostalgie, dem Zurückkehren in das Haus in dem man aufgewachsen ist, die grausame Wahrheit, dass alle Menschen altern und die Zeit mancher fast abgelaufen ist. Gegenseitiges Verständnis und Gelächter. Familien, die wachsen und sich verändern und der Lauf der Zeit. Still Walking ist ein unaufgeregter Film, der bei den Konflikten Funken sprüht, aber ansonsten eine angenehm seichte Komik und Melancholie inne hat. Ganz nebenbei zeigt er mit Leichtigkeit den japanischen Alltag. Wie Familien zusammenkommen, essen, baden, spazieren gehen, ihrer Verstorbenen gedenken. Und ihre Mentalität. Sie laden zu der Feier jedes Jahr auch den Mann ein, bei dessen Rettung ihr Ältester gestorben ist. Warum? Um den Geretteten daran zu erinnern, dass er sein Leben einem Anderen verdankt und ab jetzt für ihn weiterlebt und das auf die bestmöglichste Art tun sollte.

Still Walking (OT: 歩いても 歩いても „Aruite mo aruite mo“), Japan, 2008, Hirokazu Koreeda, 114 min, (8/10)

Sternchen-8

Außerhalb der Wertung (!?)

Kumiko, the Treasure Hunter

Als ich den Trailer zu Kumiko sah, erwartete ich einen hoffnungsvollen Abenteuer-Film um eine ungewöhnliche Schatzsucherin. Ein Hobby, das heute wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Tatsächlich fühlt sich der Film etwas anders an. Kumiko (Rinko Kikuchi) lebt in Tokyo und ihr Hobby ist tatsächlich die Schatzsuche. Ansonsten führt sie aber ein tristes Leben als Büroangestellte, die vor den Anforderungen der Menschen um sie herum, ihrer Mutter und der Gesellschaft einknickt und sich immer mehr zurückzieht. Es wirkt wie eine soziale Phobie, wenn sie beginnt den Menschen immer mehr aus dem Weg zu gehen, um nicht mit ihren Werten konfrontiert zu werden. Heiraten soll sie, hart arbeiten und befördert werden. Und Kinder kriegen natürlich. Niemand fragt sie, was sie eigentlich will. Und genau das ist es, was sie wahrscheinlich immer mehr in die Schatzsuche treibt. Aber nicht irgendeine. Sie will den Koffer mit Geld finden, den Steve Buscemi im Coen-Brothers-Film Fargo vergräbt. Sie ist besessen davon und der Überzeugung, dass der Film oder zumindest der Schatz echt ist.

Und so bricht Kumiko auch eines Tages in die USA auf – was so ziemlich der Anfang des Endes ist. Die Zellner Brüder haben einen melancholisch-traurigen Film geschaffen, der uns mit einer ungewöhnlichen Antiheldin konfrontiert. Einerseits ist es befremdlich wie Kumiko in vielen Situationen vor den kleinen Hürden des Lebens flieht, so als würde sie sie nicht sehen. Sei es der überquellende Briefkasten oder die überglückliche Freundin, die einen zufällig auf der Straße trifft und unbedingt deine aktuelle Handynummer will. Es gibt Situationen, in denen wir Kumiko aber nur zu gut verstehen. Letzten Endes wird ihre Schatzsuche aber zu einer Tour-de-Force, bei der der Zuschauer einen Emotionscocktail zwischen Wut aufgrund ihrer Gedankenlosigkeit und Trauer aus vielen Gründen durchstehen muss. Es ist die Geschichte einer, die den Anforderungen und Werten der Gesellschaft nicht genügte und versucht hat auszubrechen. Und die Zellners haben es ganz schlau angestellt, indem sie Kumiko nicht als durchgeknallt, sondern missverstanden darstellen. Denn ihre Schatzsuche führte sie anfangs schließlich auch zu dem Fargo-Video und deutet damit an, dass ihre Schatzsuche nicht nur in ihrem Kopf existiert. Der Film basiert lose auf dem realen Fall der Japanerin Takako Konishi, die 2001 angeblich in die USA reiste und den Koffer mit Geld aus Fargo suchte.

Kumiko, the Treasure Hunter; USA, 2014, David Zellner, 104 min, (7/10)

Sternchen-7

„KUMIKO, THE TREASURE HUNTER – Official HD Trailer – In Cinemas 30 April, 2015“, via PalaceFilms (Youtube)

Mal abgesehen von Filmen …

… war das bisher schon ein ziemlicher toller filmischer Monat. 🙂 Ich habe außerdem auch Your Name (Kimi no na wa) im Kino gesehen und war schwer begeistert. Für Fans von Indie-Kino ist er natürlich etwas kommerziell, hat Logiklücken, adaptiert sehr viele bekannte und einfache Muster – aber er geht auch echt ans Herz mit seinen aufrechten Charakteren, der Komik und Dramatik. Da trifft er also ziemlich ins Schwarze. Außerdem habe ich Anfang des Monats Die Stadt in der es mich nicht gibt (den Anime) zu schauen – sehr sehr spannend. Angefangen habe ich die Animeserie Violet Evergarden auf Netflix zu schauen und bin jetzt auch Crunchyroll-Userin. Bisher war das nichts für mich, weil es auf Flash setzt. Ich habe leider an meinem Fernseher keine App dafür und schaue sehr ungern auf mobilen Geräten. Das ist zwar umständlicher als mit den anderen Plattformen, aber der Ruf der Anime war zu laut. So schaue ich jetzt also auch The Ancient Magus Bride, was ich schon mal als Manga angetestet habe. Trotzdem ist anzunehmen, dass der zweite Teil des Monats nicht so produktiv wird, da mich der Arbeitsalltag wieder hat. Auch ein Urlaub muss einmal zu Ende sein.

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Ankündigung

Header Image Photo Credits: Andre Benz

Ja, da ist sie: die undankbare Frage: was ist ein japanischer Film!? Ich sehe Kumiko außerhalb der Wertung, weil ich davon ausgehe, dass ein japanischer Film einer ist, der in Japan produziert wurde. Aber darüber kann man sich sicherlich streiten. Auch bei Kumiko, denn der Film ist offensichtlich teilweise in Japan produziert worden. Wie seht ihr das? Nehmt ihr am Japanuary Teil? Und wenn ja, wie lief die Challenge bisher für euch ab? Kennt ihr die genannten Filme? Wie haben sie euch gefallen, was habt ihr bei ihnen anders wahrgenommen? Tampopo kann man übrigens derzeit auf „Watchbox“ frei online schauen, der Schwarzabgleich ist aber an manchen Stellen höchst fragwürdig. Wobei man sich allerdings wundern muss, dass es scheinbar nirgends eine erschwingliche DVD mit guter Bildqualität gibt, die ein Cover hat, das wirklich zum Film gehört.  Ana Lily Amirpour mag den Film scheinbar auch.

3 Antworten

  1. […] Miss Booleana […]

  2. […] andere Meinungen aus dem #Japanuary zu Tampopo von Bildnachwirkung feat. Fräulein Lisa, Miss Booleana und Sarinas […]

  3. […] Zwischenfazit (Tampopo, The Whispering Star, Tetsuo: The Bullet Man, Still Walking, Kumiko the Treas… Fazit und Besprechungen (Death Note, The World of Kanako, Ran, Helter […]

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