Literarisch besuchte Orte

Als Viel-Leser kommt man ziemlich rum. Das dachte ich mir als ich letztes Jahr Jirō Taniguchis Gipfel der Götter zu Ende las, das mich u.a. auf den Gipfel des Mount Everest mitnahm. Oder Thomas Manns Zauberberg, das ja eh quasi die ganze Zeit in einem Sanatorium in den Bergen spielt. Anzupinnen, welche Orte man im echten Leben besucht hat, kennt man ja. Scratch-of-Maps waren eine Zeit lang der letzte Schrei. Und so kam ich auf den Gedanken doch mal festzuhalten, wohin mich Bücher im Laufe der Zeit entführt haben. Es waren auf jeden Fall mehr Reisen als ich im echten Leben unternommen habe. Aber an der Stelle ein Geständnis: die Idee kommt nicht von mir, sondern ich habe das schon mal in der Blogosphäre gesehen, weiß aber leider nicht mehr bei wem! Credit geht jedenfalls an einen anderen kreativen Kopf, der oder die sich gerne in den Kommentaren zu erkennen geben darf. 😉

Welches Tool benutzen?

Die Idee ist, dass man in einer App oder einer Software Orte anpinnen kann und mit Kommentaren versehen kann, die verraten welches Buch mich dort hingeführt hat. Idealerweise kann ich dann auch frei rumscrollen und mir anschauen, wieviele solcher digitalen Pins ich gesetzt habe und die auch in Listen gruppieren. Denn es wäre vermutlich ganz gut zwischen fiktiven Orten und real existierenden zu unterscheiden. Wie gesagt ist die Idee nicht auf meinem Mist gewachsen, welches Tool aber benutzt wurde, wusste ich nicht mehr. Der Gedanke lag nah, dass es Google Maps tut. Da kann man auch Listen mit Orten anlegen, aber meines Wissens nicht mit Kommentaren versehen, zumindest nicht in der App. Dann bekam ich den Hinweis, dass Google Earth das besser tut, v.A. die Desktop-Version – und so ist es! Danke nochmal an den Hinweis-Geber 🙂 Da ich sowieso am PC schneller bin und nicht auf eine mobile App bestehe, war das für mich passend.

Pinnen, pinnen, pinnen

Da ich mit Goodreads tracke, was ich wann gelesen habe, gehe ich nun die Liste rückwärts durch und trage nach und nach alles in Google Earth ein. Dafür habe ich mir unter Orte – Meine Orte einen Ordner angelegt und darin Unterordner für Orte aus Hörbüchern, Manga, fiktive Orte und in Belletristik/Romanen besuchte Orte. Also bisher vier Listen bzw Unterordner. Ggf werde ich das um Sachbücher erweitern, was ich bisher aber vollkommen vernachlässige, da die meistens soviele Ortsangaben enthalten, dass es schon etwas mehr Recherche wäre. Warum unterscheide ich überhaupt nach Art der Literatur? Weil sich die Listen leicht filtern lassen, d.h. wenn ich fiktive Orte nicht mit betrachten möchte, kann ich die Liste einfach deselektieren und sofort sind alle darin befindlichen Orte weg von der Karte und wieder zuschaltbar, falls ich möchte. Bei Hörbüchern und Manga mache ich das mehr aus Interesse. So kann man die „Masse“ an Pins im Vergleich zu Belletristik gut überblicken. Klar, dass viele der Pins aus dem Manga-Ordner in Japan sind. 😉

Und wie pinnt man? Das sind jetzt Handhabungsdetails, auf die ich nur kurz eingehe. Man kann im Menü links unter Suchen einen Ort suchen, anklicken, wird dann dort hinnavigiert, kann den gefunden Ort auf der Karte anklicken und einen Pin durch das Menü oben an der Karte mit Pin setzen („Ortsmarkierung hinzufügen“). Idealerweise sollte man vorher die Liste bzw. den Unterordner im Menü links selektiert haben, in das der Pin abgelegt werden soll. Ansonsten verschiebt man ihn in den entsprechenden Ordner. In den Titel der Ortsmarkierung übernehme ich stets den echten Ortstitel und in die Beschreibung Namen und Autor des Buchs, durch das ich den Ort bereist habe. Wie man das handhabt ist sicherlich Geschmackssache. Wie das dann aussieht sieht man auf den folgenden Screenshots.

Die Sache mit den fiktiven Orten

Als ich in der Liste meiner gelesenen Bücher den ersten fiktiven Ort vor mir hatte, dachte ich kurz: oh. An die ganzen Dystopien und Fantasy-Bücher hatte ich nicht gedacht, da sie nicht die Mehrzahl der Bücher ausmachen, die ich lese. Aber besonders geschockt hat es mich nicht, im Gegenteil: ich habe erstmal recherchiert, ob es eine Angabe gibt, wo ungefähr diese fiktiven Orte anzusiedeln sind. Manche werden nur nicht direkt benannt wie die Stadt in der Winston Smith in 1984 lebt, die aber der Beschreibung nach London zu sein scheint. Oder man denke nur an das H.P. Lovecraft-Universum. Die Recherche war zwar manchmal etwas zeitaufwendiger als mich der ganze Spaß kosten sollte, aber sehr sehr interessant. Aber was tun mit den Orten, über die es so gar keine geografische Angabe gibt? Nicht mal wilde Vermutungen? Dann müssen sie wohl oder übel wegbleiben. Das ist dann noch etwas blinder als der oft zitierte blinde Fleck.

Was haften bleibt

Durch die Recherche für die fiktiven Orte hat mich der ganze Spaß etwas mehr Zeit gekostet als anfangs geplant war. Ich bin gerade irgendwo bei 2015 hängen geblieben – es gibt also noch sehr viele literarisch besuchte Orte, die hinzugefügt werden wollen. Aber es macht Spaß. 🙂 Die Quintessenz des Ganzen ist, dass ich Revue passieren lassen kann, wo mich Bücher hinführten und im Falle der fiktiven Orte ist es besonders spannend, weil ich durch die Recherche viel mitnehme. In Atwoods The Handmaid’s Tale beispielsweise wird die Stadt nicht erwähnt. Der fiktive Staat heißt Gilead, aber die Recherche zeigt, dass die Stadt wahrscheinlich Boston ist. Eine Recherche ganz anderen Ausmaßes war herauszukriegen, wo der Turm von Babel stand/möglicherweise gestanden hat. Der wird in einer Kurzgeschichte von Ted Chiang erwähnt. Das war eine Suche wahrhaft biblischen Ausmaßes. Das zweite große Plus ist: ich sehe wo mich Bücher schon überall hingeführt haben und das sind richtig viele Orte. Bis jetzt habe ich jeden Kontinent bereist, nur Afrika noch nicht (dafür aber immerhin im real life 😉 ). Selbst den Mount Terror. Die Tendenz geht allerdings klar dahin, dass Bücher entweder nur einen Schauplatz haben, oder sehr viele konkrete Schauplätze, oder gar kein Schauplatz genannt wird. Dass mal zwei Orte genannt werden, passiert scheinbar eher selten. Manche Bücher haben eben ein hohes Abstraktionslevel und bleiben so allgemeingültig wie möglich – aus Intention. Durch die Recherche wo Bücher spielen, habe ich die Handlung nochmal Revue passieren lassen und einige coole Websites gefunden. Beispielsweise eine, die Orte und Routen auflistet, die in Haruki Murakamis Büchern besucht werden. Da sind Road Trips schließlich nicht selten 😉 Wider Erwarten habe ich übrigens kein Fernweh bekommen. Ich schwelge eher in Erinnerungen an viele gute Bücher. Literaturtrunken.

Header image photo credit: delfi de la Rua

Copyright for all maps shown in screenshots as well as the screenshots themselves belong to Google/Google Earth and is used under the assumption of „fair use“ (and non-commercial use) as described in the linked website (date: 2018-04-03)

Abschließend muss ich sagen, dass mir die literarische Reise Spaß macht, auch wenn es eine zusätzliche Lese-Hygiene und stetige Aufgabe ist. Aber hey … die Bücher und Google Earth sind geduldig. 🙂 Und wenn ich die Karte mit den vielen Pins sehe, habe ich das Gefühl, dass mich das Lesen noch etwas mehr bereichert und schlauer gemacht hat. Pflegt ihr ähnliche Listen? Habt ihr das ganze Prinzip vielleicht selber schon mal ausprobiert? Es erinnert mich auch an den Youtube-Kanal Portal in the Pages, auf dem sich die sympathische Youtuberin „durch die Welt liest“. 🙂

16 Antworten

  1. Das ist eine wirklich coole Idee! Bei Gelegenheit muss ich das auch mal in Angriff nehmen. Vielleicht nicht alle Bücher abarbeiten (puh!), aber zumindest einige Orte von mir wichtigen Büchern mal eintragen und das alles auf mich wirken lassen. Die Website über Murakamis Routen ist auch sehr spannend, die kannte ich noch gar nicht. Danke für den tollen Beitrag! 🙂

  2. Was für eine geniale Idee. Ganz toller Beitrag – danke! Das werde ich definitiv demnächst machen, mit der Idee spiele ich seit Jahren und hab das in den 90ern sogar mal auf einem riesigen Plot-Papier (!) getrackt 😉

  3. Schöne Sache, wenn ich mal dazu komme, probier ich das auch mal aus 🙂

  4. Uii. Respekt. Ich hake eigentlich nur Länder ab, aber einzelne Städte und Orte abzuhaken, das hört sich für mich persönlich toll an, als ob die Welt plötzlich von literarischen Gestalten bevölkert wird, aber ich glaube, das wäre mit viel Stress verbunden. 🙂

    Ich wünsch dir viel Spaß dabei. 🙂

  5. Den Mount Everest bin ich virtuell auch schon öfter rauf und runter – über diverse Routen… 😉

  6. Das ist eine geniale Idee. Ich überlege gerade schon wo ich in meiner Wohnung Platz für ein Poster habe… nein lieber eine Pinnwand mit Poster für Stecknadeln.
    Danke für deinen Beitrag.
    Ganz liebe Grüße
    Katharina

  7. Die Idee gefällt mir wirklich, nur habe ich absolut keine Tracker fürs Bücherlesen. Gute 18 Jahre wären damit wohl verloren. Wobei ich mich an alle Tim und Struppi Comics erinnere oder nahezu an alle Teile von der Reisemaus oder das magische Baumhaus… Ich sehe schon, auch ohne Tracker bin ich jetzt schon überfordert xD

  8. Hallöchen,
    eine echt geniale Idee. Wenn ich Zeit dafür finde, werde ich wohl versuchen das auch für meine Bücher umzusetzen. Wobei ich sehr viel Fantasy lese. Das könnte also etwas schwierig werden. Aber ich glaube auch die Recherche wo nicht explizit genannte Orte liegen könnten, wird eine spannende Reise werden.
    Viele Grüße,
    Abigail

  9. Huhu!

    Ich liebe Google Earth, es ist erstaunlich, was man da allles „besichtigen“ kann. 🙂 Eine super Idee, damit die Handlungsorte von Büchern festzuhalten!

    LG,
    Mikka
    [ Mikka liest von A bis Z ]

  10. Hey!
    Mit Google Maps klappt das ganze auch richtig gut, hast du es mittlerweile ausprobiert?
    Ich nutze das auch am PC und nicht am Handy, da weiß ich nicht wie es so ist.
    Das „Problem“ mit Dystopien und Fantasy-Büchern hatte ich auch schon, die lasse ich einfach weg. Manchmal nehme ich dafür Manga und Comics mit rein, wenn die Orte dort benannt werden.

    Ich setze mich da erst seit nem Jahr oder so mit auseinander, aber es ist schon ziemlich spannend. Und wenn ich jetzt so durch die Liste scrolle fallen mir auch viele Dinge auf, die mir vorher nicht aufgefallen wären, zB dass ich viele Bücher lese, die in Amerika spielen.
    Das ist nochmal eine ganz andere Möglichkeit sich mit gelesenen Büchern auseinander zu setzen.

    Liebe Grüße,
    Nicci

  11. Hey!
    Mit Google Maps klappt das ganze auch richtig gut, hast du es mittlerweile ausprobiert?
    Ich nutze das auch am PC und nicht am Handy, da weiß ich nicht wie es so ist.
    Das „Problem“ mit Dystopien und Fantasy-Büchern hatte ich auch schon, die lasse ich einfach weg. Manchmal nehme ich dafür Manga und Comics mit rein, wenn die Orte dort benannt werden.

    Ich setze mich da erst seit nem Jahr oder so mit auseinander, aber es ist schon ziemlich spannend. Und wenn ich jetzt so durch die Liste scrolle fallen mir auch viele Dinge auf, die mir vorher nicht aufgefallen wären, zB dass ich viele Bücher lese, die in Amerika spielen.
    Das ist nochmal eine ganz andere Möglichkeit sich mit gelesenen Büchern auseinander zu setzen. 🙂

    Liebe Grüße,
    Nicci

  12. Hallo,
    ein wirklich cooler Beitrag! Die Idee dahinter habe ich bereits auf etlichen Blogs verfolgt, doch bei dir lernt man wirklich, wie man den Spaß auch umsetzen kann 🙂 Ich überlege mir für das nächste Lesejahr, ebenfalls so eine Karte anzulegen.

    Alles Liebe,
    Sarah

  13. Huhu, ich denke, der Ursprung könnte bei Carina von All about Books liegen, bei der ich die Idee 2014 entdeckt und gemopst habe 🙂
    Danke dass du mir das wieder ins Gedächtnis rufst, ich habe diese Karten auch sehr gerne geführt, auch wenn es zum Jahresende hin immer weniger wurde.
    Ich fand die Recherche nach fiktiven Orten auch immer sehr spannend, auch wenn man tatsächliche Fantasyorte wie Mittelerde etc. natürlich nicht so präzise platzieren kann. Ich habe sie dann meist in den Ozean verfrachtet 😀

  14. […] Internet erschienen sogar noch Artikel! Wunder der Technik. So schrieb ich beispielsweise über Literarisch besuchte Orte, d.h. wie ich mit Google Earth festhalte, wo die Bücher spielen, die ich gelesen habe, d.h. welche […]

  15. […] Literarisch besuchte Orte – Miss Booleana erklärt hier, wie du auf einer virtuellen Weltkarte alle Orte pinnst, in denen du durch das Lesen schon warst. Ich finde das sooo supercool, das ich überlege, mir das auch für den Blog anzulegen. […]

  16. […] Literarisch besuchte Orte – Miss Booleana erklärt hier, wie du auf einer virtuellen Weltkarte alle Orte pinnst, in denen du durch das Lesen schon warst. Ich finde das sooo supercool, das ich überlege, mir das auch für den Blog anzulegen. […]

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