Serien-Besprechung: „Medium – nichts bleibt verborgen“ Staffel 7 & „Requiem“

Das Mystery-Genre und gruselige Stoffe passen eigentlich besser in die dunklen Jahreszeiten. Zumindest ist es dann atmosphärischer. Es wird früher dunkel, die Tage sind kälter, die Gedanken sind geerdeter. Aber ich weiß nicht, was es ist – ich mag es an lauen Sommernächten zum Grusel zu greifen. Gerne etwas moderat gruseligem Grusel. Kein Splatter, kein Horror, kein Gore. Sondern die Stoffe, die geradeso realistisch sind, dass sie mehr im Bereich des Möglichen zu liegen scheinen. Und genau das ist der Nenner der beiden Serien, die ich heute besprechen möchte. Reviews sind spoilerfrei.

Requiem

Requiem handelt von der Londoner Cellistin Matilda „Tilly“ Gray (Lydia Wilson), die hilflos zusehen muss wie sich ihre Mutter Janice (Joanna Scanlan) vor ihren Augen umbringt. Noch traumatisiert, findet sie im Haus ihrer Mutter Zeitungsartikel über den Fall des kleinen Mädchens Carys‘, das im walisischen Städtchen Penllynith vor vielen Jahren verschwunden ist. Janice scheint sogar die Mutter des verschwundenen Mädchens beschattet zu haben. Matilda bekommt das nicht aus dem Kopf und ihr Freund und Künstlerkollege Harlan (Joel Fry) schnappt sie kurzerhand und fährt mit ihr in den Ort, in dem die Anwohner ihre Anwesenheit und das Fragenstellen allerdings nicht sehr schätzen. Bald werden sowohl Matilda, als auch Harlan, von einem düsteren Requiem und unheimlichen Geräuschen begleitet und Matilda von düsteren Visionen heimgesucht.

„Requiem | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)

Eins muss man der Serie lassen: sie spricht früh aus, was alle schon beim Schauen der ersten Folge denken. Nämlich, dass Matilda das verschwundene Mädchen ist. Aber die Beweisführung ist so wackelig wie das Unterfangen Antworten zu bekommen. DNA-Tests kann man nicht mal eben so machen lassen, weshalb Matilda mit ihrer Vermutung lange alleine dasteht und nicht viel Zuspruch bekommt. Im Gegenteil: sie wird angefeindet, weil sie alte Wunden aufreißt. Was Matildas Suche in dem Ort auslöst, gleicht ein wenig Dramen wie Broadchurch, die zeigen wie ein kleiner Kiesel eine Lawine auslöst. Die Spurensuche ist anfangs spannend, aber zu Matilda verliert man ab dem Zeitpunkt die Verbindung, wo sie zu manisch-verzweifelt Carys sein möchte. Sie begründet es damit, dass sie ihr ganzes Leben lang gespürt hätte, dass etwas fehlt und das sie nicht vollständig ist. Aber die unklugen Entscheidungen Matildas sorgen dafür, dass man sich das eine oder andere Mal die Hand vor den Kopf schlagen möchte.

Genauso wie das Drehbuch es mit Matildas Charakterzeichnung verpeilt, tut es das auch mit dem Mysteryelement der Serie. Von der ersten Folge an wird kein Hehl daraus gemacht, dass eine übersinnliche Kraft die Menschen um Matilda in den Tod treibt. Selbst nach der Auflösung, scheint das aber nicht so recht zu passen oder Sinn zu machen. Die Auflösung wird außerdem so schleppend und schleichend vorangetrieben, die Erwartungen so langsam und stetig aufgebaut, dass man ein großes Finale erwartet. Das kommt, es ist groß, aber es lässt schmerzhaft viele Fragen offen. Dabei fielen Matilda die Hinweise wortwörtlich vor die Füße, ohne dass sie viel dafür tun musste. Auch aus den Aufhängern und Hinweisen auf das Okkulte wird erschreckend wenig gemacht. John Dee ist ein großer Name, aus dem man wer weiß was hätte herausholen können, aber er wird genauso beiläufig und unglaubhaft eingestreut wie das Thema „Engel“. Niemand weiß was, außer die Bösen. Das ist ein sehr unbefriedigendes Grundkonstrukt und man fragt sich, ob denn wirklich niemand sonst in dem Dorf etwas weiß. Ein weiteres großes Versäumnis ist wohl die Verbindung von Matildas Cello-Spiel, Liebe zur Musik und dem gruseligen Requiem, das tatsächlich keinen einzigen Anknüpfungspunkt hat. Verschenktes Potential. Und das, wo sogar die Serie so heißt. Aber Hauptsache alle haben eine tolle Hipster-Frise und coole Mäntel. Wenn all diese Lücken der Versuch sein sollen, ein Gruseldrama zu erzählen, das nach Indie schmeckt, dann ist das leider eher fauler Zauber. Eine Art Hipster-Okkultismus-Drama, das auf Sparflamme läuft. (4/10)

Sternchen-4

„Medium“ Staffel 7

Medium handelt von Allison Dubois (Patricia Arquette), die prophetische Träume und Visionen hat. Im Laufe von sechs vorhergehenden Staffeln beginnt sie als Assistentin des Staatsanwalts Manuel Devalos (Miguel Sandoval) zu arbeiten, der sie dankend mit einbezieht und dank ihrer Fähigkeiten Verbrechen löst und vor Gericht bringt. Neben den typischen cases of the week spielt aber v.A. auch Alisons Leben eine Rolle. Mit ihrem Mann Joe (Jake Weber) und ihren drei Töchtern, die nach und nach ähnliche Fähigkeiten wie Allison entwickelt haben, wird es offensichtlich nicht langweilig. Aufgrund kurioser Ereignisse einen Anruf aus der Schule zu bekommen, passiert Allison und Joe nicht selten.

„Medium – Allison Dubois Wakeups“, via NoPlaceLikeStoryBrooke (Youtube)

Die Serie spricht in ihrer siebten Staffel auch mal das Thema an, wie anstrengend der Alltag mit einem Medium ist. Oder mit einem Medium und drei halbwüchsigen derselben Sorte. Es wird beispielsweise auf einen folgenreichen Fehler Allisons eingegangen und Joe beginnt sich nach einer „normalen“ Beziehung zu sehnen, gerade als Allison statt gesprochenem Englisch immer eine bis dahin unbekannte Sprache versteht und effektiv mit niemandem mehr sprechen kann. Später gibt es natürlich eine Auflösung. Die gibt es meistens. Aber Joe ist zermürbt von Nächten, in denen er aufwacht, weil Allison aufwacht und Panik ausbricht aufgrund dessen, was sie im Traum gesehen hat. Und von Tagen an denen alles durcheinandergerät, weil Allison durch ihre Fähigkeit in Ausnahmezustände gerät. Solche „Entwicklungselemente“ der Charaktere und ihrer Beziehungen waren schon immer ein Teil der Serie, undzwar der wahrscheinlich sympathischste. Lange aufgeschobene Konflikte kommen hier endlich ans Tageslicht, denn als Zuschauer hat sicher jeder bewundert wie selbstverständlich und verständnisvoll Joe mit dem Alltag umgeht, der durch Allisons Gabe und ihren Gerechtigkeitssinn oftmals in ziemlichen Trubel ausartet. Die Antwort ist: auch er kann damit nicht uneingeschränkt umgehen und das Empfinden bricht durch die starke Wand von Allisons und Joes Beziehung. Allerdings geraten all diese Meilenstein etwas kurz.

Cases of the week, waren bisher schon einer der Motoren der Serie. Leider fühlen sich diese inzwischen etwas zu formelhaft an und es können nicht mehr alle begeistern wie beispielsweise Smoke Damage oder Native Tongue. Andere Episoden haben soviel Stoff, dass man durchaus mehrere Episoden daraus hätte machen können. Das ist ein verstecktes Lob für Episoden wie Labor Pains. Und das ist es dann. Schocker und moralisch schwierige Episoden, die einen noch lange verfolgen, waren früher schon eine Eigenschaft der Serie und sind immer noch da, wenn auch mit geringerer Durchschlagskraft. Vielleicht hat sich aber nach sovielen Episoden auch der Effekt abgenutzt. Schwierig ist die episodenübergreifende Handlung rund um David Cubitt als Lee Scanlon, der von einem Geist sabotiert wird und sowohl Allison als auch dem Zuschauer als Mistkerl präsentiert wird. Das ist ja ein interessant geplanter Gewissenskonflikt, nur glaubt das nach sechs Staffeln eben keiner mehr. Aber dann ist sie da: die letzte Episode. Sie fühlt sich wie ein Paukenschlag an und kommt mit einem Schocker daher, der seines gleichen sucht und das Ende der Serie lang nachhallend markiert. Somit hat die letzte Staffel mehr Hoch und Tief als ich es mir für einen Abschied gewünscht hätte. V.A. ist schmerzlich, dass man der Staffel den Zeitraffer so schmerzlich anmerkt. Andererseits bekommt jeder Charakter und jede Beziehung ihre 5 Minuten Ruhm. Das muss man loben: es wurde keiner vergessen.

(8/10)

Sternchen-8

Wieviele Jahre hat es gedauert bis Kabel eins sich entschlossen hat die letzte Staffel der einstmaligen Hit-Serie auszustrahlen? Als Medium 2006 begann über die Mattscheiben zu flimmern, war es eine gehypte Serie, eine weitere Zinke auf der Krone des Serienboombs in den 2000ern. Damals war ich noch glücklich über jede Serie, die ihren Weg in das deutsche Free-TV fand. Nach und nach setzte ich auf DVDs und danach auf Streaming, um bspw. auch mal im Originalton Serien genießen zu können. Dass es aber erstmal soweit kam und aus mir ein Serienjunkie wurde, ist u.a. Medium zu verdanken (wie vielen anderen wie Six Feet Under, Lost, etc.) Damals wurde ausgerechnet die letzte Staffel nicht ausgestrahlt. Erst 2018 war es soweit. Und ich war mit einer Mischung aus Trotz und Freude dabei. Denn einerseits ist es geil, dass es dann doch noch ausgestrahlt wurde, andererseits: warum erst jetzt? Warum nachts/morgens um 3 Uhr? Hattet ihr schon mal ein ähnliches Wiedersehen mit einer heiß geliebten Serie? Habt ihr Requiem schon gesehen und kennt ihr Medium?

Eine Antwort

  1. Medium habe ich früher immer sehr gerne gesehen, aber dann irgendwann den Faden verloren.

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