Der gemeinsame Nenner der heute besprochenen Serien ist, dass es die sind, die ich zuletzt zu Ende geschaut habe. Nebenbei sind auch beide Auftaktstaffeln. Dass ‚The Tick‘ als Serie umgesetzt wurde, hat mich sehr überrascht und gefreut, da ich die Zeichentrick-Adaption als Kind gesehen habe. Und nicht wirklich verstanden habe, weil es Satire ist und ich damals noch zu klein war um zu verstehen was Satire will. ‚Mindhunter‘ hingegen hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil es erstens von David Fincher ist und das finde ich gut und zweitens, weil die Serie mal in einem Artikel als die beste Serie, die wir eventuell nie zu Gesicht bekommen werden, angepriesen wurde. Das liegt daran, dass die Serie verhältnismäßig spät ein Veröffentlichungsdatum erhielt und relativ kontroverse Themen behandelt. Aber wie wir inzwischen wissen, waren die Sorgen unbegründet. Die Serie wurde inzwischen sogar schon um eine zweite Staffel verlängert. Reviews sind natürlich spoilerfrei.
„The Tick – Offizieller Trailer | AMAZON ORIGINAL Serie“, via Amazon Video DE (Youtube)
„The Tick“ Season 1
Die Serie ist eine spitzzüngige Satire auf den Superhelden-Kult und spielt passenderweise in einer Welt in der Superhelden, allerdings auch Superschurken existieren. Nachdem aber viele Helden und Bösewichte das Zeitliche gesegnet hat, ist es ruhig geworden. Während gerade mal halb ernstzunehmende Schurken als Gangster Schutzgeld erpressen, fehlt es an den Guten fast vollständig. Arthur Everest (Griffin Newman), der seit seiner Kindheit schwer traumatisiert ist, pflegt seine Verschwörungstheorie, dass der Oberschurke The Terror (Jackie Earle Haley) noch lebt. Die Öffentlichkeit geht davon aus, dass er vor vielen Jahren umgekommen ist. Als er der Sache auf den Grund gehen will, stolpert er über den bisher unbekannten und wie aus dem Nichts auftauchenden Superhelden The Tick (Peter Serafinowicz), der kurzerhand Arthur zu seinem Sidekick erklärt und sein Leben gehörig auf den Kopf stellt.
Mit den gerade Mal sechs Episoden á ca 25 min Spielzeit hat die Serie alles richtig gemacht und den Bogen nicht überspannt. Sie ist auf den Punkt und Satire vom Feinsten. Angefangen bei den schrägen Vögeln rund um Arthur. The Tick selbst, der immer schön geschwollen, idealistisch und schrullig daherredet, ist das beste Beispiel für den etwas verblendeten aber liebenswürdigen Archetyp des Superhelden. Da sind aber auch Exemplare wie Miss Lint (Yara Martinez), die ein anderes Licht auf die typische Superhelden-Romantik werfen. Miss Lint kann kontrolliert Elektroschocks verteilen, ist aber leider elektrostatisch und zieht Flusen an, sodass die coole Attitüde im wahrsten Sinne des Wortes Staub ansetzt. Den einen oder anderen Seitenhieb schiebt die Amazon-Serie sogar ganz freiwillig ein, indem sie in einem grandiosen Finale dreistes product placement macht (Stichwort Amazon Echo) und sich gehörig selbst auf die Schippe nimmt. Und sie macht einiges anders als andere Serien: so fragt sich Arthur recht früh (ca. zweite Episode) was der Zuschauer denkt (Gibt es The Tick nur in Arthurs Kopf?) und beantwortet die Frage zügig. Damit wäre schon mal ein klassischer Fernseh-Fehler elegant umschifft. The Tick ist eine gelungene Superhelden-Satire, allerdings kann ich nicht sagen, ob es eine gelungene Umsetzung des Comics und Cartoons ist, da ich außer Tick und Arthur niemanden wiedererkannt habe. Dramaturgisch hat die Serie trotz der Spielzeit aber ihre Längen, was nur bestätigt, dass das kurzweilige 25-Minuten-Format eine besser Wahl war als ein 45-Minuten-Format mit 25 Episoden.
(8/10)
„MINDHUNTER | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)
https://www.youtube.com/watch?v=7gZCfRD_zWE
„Mindhunter“ Season 1
Es gibt x Serien über Profiler, Ermittler, Sondereinheiten, die perfide Serienkiller aufspüren. Wir sind quasi damit in den Medien aufgewachsen. Außerdem mit Filmen über Hannibal Lecter-ähnliche intelligente Killer. Diese Formate werden gehyped. Deswegen ist es schwer vorstellbar, dass es mal eine Zeit vor dem Profiling gab, in der sich ernsthaft niemand gefragt hat, ob es eine Systematik gab oder was die Serienkiller zu ihren Taten bewegt hat? Das ist befremdlich anzuschauen. Wie kann man das Warum ignorieren? Könnte es nicht auch helfen zu verstehen und vielleicht sogar zu verhindern? Das findet auch der FBI-Agent Holden Ford (Jonathan Groff), der damit aneckt. Seine Vorgesetzten sehen in seinem Bestreben keinen Mehrwert. Sie schicken Agent Ford zu Bill Tench (Holt McCallany) und der Behavioral Science Unit des FBI, die quer durch das Land reisen, um Polizisten kriminalpsychologisch zu schulen. Das nutzt Ford, um Sexual- und Triebtäter in den ortsansässigen Gefängnissen zu interviewen. Eine Tätigkeit, die bald eine Menge Staub aufwirbelt.
„How do we get ahead of crazy if we don’t know how crazy thinks?“
Die Serie wirkt anfangs entrückt und konstruiert, weil es aus heutiger Sicht so schwer vorstellbar ist, dass viele das Warum? hinter den Verbrechen ignorieren wollten. Die einen behandeln Agent Ford anfangs entweder wie einen Gestörten, weil er der Sache auf den Grund gehen will oder wie ein kleines Kind, weil er das nicht schon früher getan hat. Das macht die ersten Episoden zu einem zähen Erlebnis. Aber später treffen Ford und Tench Serienkiller wie Edmund Kemper (gespielt von Cameron Britton), den sogenannten Co-Ed-Killer und tun sich mit der Wissenschaftlerin Wendy Carr (Anna Torv) zusammen, um das Verhalten von Serienkillern tiefgründig zu erforschen – und dann kommt die Serie in Gang. Sie skizziert zum Einen was die Killer zu ihren Taten bewegte und langsam aber sicher wie sich Ansichten formen wie eben der Begriff des „Serienkillers“. Dabei bekennt das Format eindeutig Flagge und vermeidet es sensationslustig grausame Morde und Mordschauplätze zu zeigen. Man hört Beschreibungen, man sieht kurz Fotos – und das reicht vollkommen aus. Im Fokus steht hier die Schwierigkeit des Forschens an sich. Den Killern von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu sitzen, sie teilweise überlisten zu müssen oder sich zu fragen: sagt er die Wahrheit? Der psychologische Druck, der auf den Agenten lastet, ist mit jeder Episode mehr greifbar. Eine Serie, die sich mehr und mehr steigert und auch Schluss macht mit Mythen wie den Hannibal Lecters, d.h. den angeblich hochintelligenten grausamen Killern. (Kemper mag eine Ausnahme sein.)
„Mindhunter vs Real Life Ed Kemper – Side By Side Comparison“, via Thomas Flight (Youtube)
Im großartigen Finale wird mit dem Serienkiller-Fandom am Beispiel Agent Fords abgerechnet – auch er muss merken: diese Menschen sind gefährlich. Wenig Aufmerksamkeit ist oftmals ein Teil ihres zugrunde liegenden Traumas und es ist umso gefährlicher ihnen diese Aufmerksamkeit spät zuteil werden zu lassen. Der wohl aber smarteste Kniff der Serie ist zu unterstreichen wie wichtig Prävention und die Arbeit der Agents ist, indem sie immer wieder einen namenlosen Charakter (wahrscheinlich den BTK-Killer) in kurzen Sequenzen auf die Bühne holt, der deutlich Anzeichen für eine bevorstehende Kriminal/Triebtat zeigt und der Zuschauer sich immer wieder fragen muss: wann passiert es? Wer hält ihn auf? Die Serie beweist, dass die Realität gruseliger ist als vor Blut und Gore triefende Slasher. Cameron Britton, der hier Ed Kemper spielt, bisher noch nicht mal einen Wikipedia-Artikel hat, verdient Preise. Nahezu alle Personen basieren auf real existierenden. Agent Ford basiert auf John E. Douglas, Bill Tench auf Robert K. Ressler und Dr. Wendy Carr auf Dr. Ann Wolbert Burgess.
(9/10)
Habt ihr die Serien schon gesehen? Und wart ihr mit ‚The Tick‘ schon vorher vertraut? Bei mir ist es zu lange her, ich kann mich an sehr wenig aus den Cartoons erinnern. Da ich mich generell für Kriminalpsychologie interessiere und sehr viel Thriller schaue, kannte ich einige der erwähnten Killer in ‚Mindhunter‘ schon. Ich finde die Serie geht sehr geschickt mit dem Thema um und vermeidet es zu banalisieren, indem es die grausamen Tode ausspart, sondern sich auf die Psychologie konzentriert. Auch die ihrer Hauptcharaktere. Generell sind Serienkiller ein spannendes, aber erschreckendes Thema. Viele meinen, dass es schon alleine krank ist, sich damit auseinanderzusetzen. Ich denke da anders darüber. Die sachlich und fachliche Auseinandersetzung damit schärft doch unseren Blick und hilft uns angesichts schwer zu verdauender Themen den Blick nicht abwenden zu müssen, oder?
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