Spotlight: #BlackLivesMatter

Wow wow wow! Neue Kategorie im Blog! In „Spotlight“ widme ich mich ab jetzt einem Thema in unterschiedlichen Medien. D.h. beispielsweise Büchern, Filmen und Serien zu einem Motiv. #BlackLivesMatter hat mich wachgerüttelt. Vor Jahren hat die Bewegung angefangen auf Gewalt und Racial Profiling gegenüber Schwarzen aufmerksam zu machen. Diesen Monat habe ich angestachelt durch unser Zeitgeschehen sieben Filme vorgestellt, die darauf aufmerksam machen. Aber es geht noch weiter. Heute widme ich mich #BlackLivesMatter in Schrift und Bild; in Buch, Hörbuch und Film. (edited)

Buch: James Baldwin „Nach der Flut das Feuer“

Nach der Flut das Feuer beinhaltet ein ausführliches Vor- und Nachwort, außerdem den Brief Baldwins an seinen Neffen (betitelt als Mein Kerker bebte) und ein Essay (Vor dem Kreuz). Es war mein erstes Buch von Baldwin (und seitdem nicht mein letztes). Ich habe Baldwin hier als denselben kritischen und wortgewandten Schreiber kennen gelernt wie als Redner in zahlreichen Debatten und dem Dokumentarfilm I am not your Negro. Als Baldwin-Einstiegslektüre eignet es sich perfekt, dank des Vorworts von Jana Pareigis, das uns einige biografische Details mitgibt. In Mein Kerker bebte schreibt Baldwin sehr offen und unverblümt seinem Neffen davon, dass allein durch seine Hautfarbe sein Weg in den Augen der meisten vorbestimmt ist. Aber er findet auch eine erhebende, ermutigende Note und stellt fest: „Aber nicht vergessen: der größte Teil ist nicht die ganze Menschheit.“ (p.28)

„Die schwarzen in diesem Land – dem einzigen, in dem es streng genommen und gesetzlich definiert ‚Negroes‘ gibt – lernen im Grunde von dem Augenblick an, da sie das Licht der Welt erblicken, sich selbst zu verachten. Diese Welt ist weiß und sie sind schwarz.“ p.45

Vor dem Kreuz ist mehr ein Essay, in dem Baldwin verschiedene seiner Begegnungen und Erfahrungen aneinanderreiht. Er schildert wie er aufwuchs, wie er sich zur Kirche wandte und später wieder daraus zurückzog und v.A. lernte, das jeglicher Fanatismus zu Gewalt führt. Dass er sich auch der Bewegung der Black Muslims bspw. nicht zugehörig fühlte oder allen anderen Vereinigungen Farbiger, die wiederum Weiße ablehnen. Es ist erschütternd, wenn Baldwin den langatmigen Prozess zu Freiheit (d.h. auch frei von Diskriminierung sein) aufzeigt. 1963 jährte sich die Emanzipationsproklamation (u.a. Abschaffung der Sklaverei) zum hundertsten Mal. Damals war aber nach hundert Jahr noch keine Spur von Gleichheit für alle. Und heute offenbar auch nicht. Baldwins Texte haben soviel nüchterne Weisheit und clevere Bissigkeit, dass ich kaum wusste, wo ich anfange mir etwas zu markieren. Auch wenn ich als privilegierte(?) Weiße nie das volle Ausmaß dessen erkennen werde, dem sich Farbige stellen müssen, habe ich viele nüchterne Wahrheiten und Erkenntnisse aus Baldwins Buch mitgenommen und lege es jedem (uneingeschränkt) ans Herz.

„Wir Menschen haben heute die Macht, uns selbst auszulöschen; das scheint unsere ganze Errungenschaft zu sein.“ p.71

Serie: Little Fires Everywhere

Reese Witherspoon hat sich das schon echt clever eingerichtet. Hat einen bekannten Buchclub und wenn sie über Material stolpert, das sich gut macht, dann kann sie es gleich mit ihrer Firma Hello Sunshine adaptieren. So geschehen im Falle von Celeste Ng’s Roman Little Fires Everywhere, das nun zu einer Serie adaptiert und über Hulu und Amazon zum Stream vertrieben wird. Die Serie handelt von einer scheinbaren Bilderbuch-Gemeinde in den Staaten und dort insbesondere von der Familie der gut situierten Elena Richardson (Reese Witherspoon) und der Künstlerin Mia Warren (Kerry Washington), die gerade erst in der Stadt angekommen ist. Bisher führten sie und ihre Tochter Pearl (Lexi Underwood) ein Nomadenleben und hausen bei ihrer ersten Begegnung mit Elena noch in einem Auto. Als Elenas White Saviour Komplex zuschlägt und beide Familie aufeinandertreffen, ist das der erste Funke, der bald viele kleine Feuer entfacht.

„You didn’t make good choices, you had good choices“. (Mia zu Elena)

An der Stelle ist es wohl angebracht zu sagen, dass ich das Buch nicht gelesen habe und alle meine Kenntnisse über Unterschiede zwischen Vorlage und Adaption aus diesem Youtube-Video ziehe. Was mich massiv überrascht hat: in der Vorlage wird wohl nicht explizit erwähnt, welche Hautfarbe oder welchen ethnischen Hintergrund Mia und Pearl haben. Dass sie in der Serie farbig sind und Mia von der weißen Elena als Haushälterin eingestellt wird, gibt dem ganzen gehörig Zündstoff und weckt Assoziationen, die sich im 21. Jahrhundert so unglaublich falsch anfühlen.

Letztendlich handelt die Serie aber nebenbei nicht nur von Diskriminierung und Vorurteilen, sondern auch von Mutterschaft und im Zusammenhang damit von falschen Entscheidungen und den Problemen, die sich daraus ergeben, wenn man nicht offen miteinander redet. Elena ist Mutter von vier Kindern und obwohl sie sich als Familienmatriarchin sieht und alles perfekt haben will, schafft sie es genau damit alle ins Unglück zu stürzen. Kurzum: die Konflikte spitzen sich etwas zu. Die perlweiße Fassade schafft falsche Vorstellungen bei Pearl und zwischenzeitlich suchen mindestens zwei junge Mädchen etwas bei der jeweils anderen Familie, dass sie in ihrer nicht bekommen. Little Fires Everywhere ist damit ein bissiges Portrait auf Vorurteile, aber auch auf falsche Fassaden. Leider fühlt es sich stellenweise sehr formelhaft an, insbesondere wenn es um die Figur der Elena und ihre Motivation geht. Man meint das ganze schon zig Mal gesehen zu haben und nicht nur durch Reese Whiterspoons Beteiligung erinnert es stellenweise stark an Big Little Lies. (7/10)

Sternchen-7


„Little Fires Everywhere – Trailer (Official) • A Hulu Original“, via Hulu (Youtube)

Hörbuch: Philip Roth „Der menschliche Makel“

Der menschliche Makel gehört zu mehreren Büchern Philip Roths, in denen Nathan Zuckerman als Erzähler auftritt und zu Roths sogenannter Amerikanischer Trilogie gehört. Der Roman handelt davon wie Zuckerman den Literaturprofessor Coleman Silk kennenlernt und von dessen unglaublicher Geschichte erfährt. Nachdem Silk beim Durchgehen der Anwesenheitsliste dauerhaft abwesende Studenten als dunkle Gestalten bezeichnet, beginnt eine Hexenjagd auf den ihn. Silk ist sich nicht bewusst, dass die Studenten von denen er redet Afroamerikaner sind. Seine unbedachte Äußerung wird als rassistisch ausgelegt, er verliert seinen Job und der öffentliche Aufschrei ist groß. Was niemand weiß: Silk selber ist ein sehr hellhäutiger Schwarzer, der durchaus als Weißer durchgehen kann. Da er diesen Umstand sein ganzes Leben lang verheimlichte, um nicht im Netz von Racial Profiling gefangen zu sein, kann und will er den Fakt nicht öffentlich machen.

Neben der Haupthandlung um Coleman, wie er aufwuchs und die Entscheidung traf seine Ethnie zu verheimlichen, handelt das Buch ebenso von Faunia Farley, seiner ca vierzig Jahre jüngeren Geliebten. Ihre Liaison sorgt für einen erneuten Aufschrei und allerlei Klatschpresse. Es gibt noch weitere Handlungsstränge wie den um Faunias Ex-Mann, einen Vietnam-Veteran. Ihre Lebensgeschichten greifen nahezu untrennbar ineinander und sind (mehr oder weniger) das traurige Zeugnis einer Gesellschaft, die ihnen Rollen aufzwingt. Besonders im Angesicht des „neuen, amerikanischen Bewusstseins“, das nach Bekanntwerden von Bill Clintons Affäre mit Monica Lewinsky alles was auch nur annähernd unmoralische ablehnt und vorverurteilt. Das Buch entlarvt damit die Scheinheiligkeit und Doppelmoral einer Gesellschaft, die andererseits ja zu Teilen bereit dazu ist Farbige zu diskriminieren und einen Stellvertreterkrieg in Vietnam zu führen. Der Titel erklärt sich außerdem wie folgt durch das Zitat:

„Die Berührung durch uns Menschen hinterlässt einen Makel, ein Zeichen, einen Abdruck. Unreinheit, Grausamkeit, Missbrauch, Irrtum, Ausscheidung, Samen – der Makel ist untrennbar mit dem Dasein verbunden.“

Das alleine gibt schon einen Hinweis auf Philip Roths schonungslose und teilweise bissige Wortwahl. Es war meine erste Begegnung mit Philip Roth und ich war sehr beeindruckt von seiner No-Bullshit-Attitüde. Müsste ich seinen Schreibstil in zwei Worten beschreiben, würde ich sagen „bissige Intelligenzia“. Bei der Recherche habe ich den Begriff des Passing kennengelernt. Etwas, das sowohl Coleman als auch Faunia betreiben. Sie verschweigen Merkmale über ihre Klasse oder Ethnie und schaffen es als „etwas anderes durchzugehen“ und vermeiden damit entsprechende Diskriminierung. Glücklicher macht es sie aber nicht. Bitter ist aber v.A. auch das Beispiel Colemans, der regelrecht panisch wird, wenn er eventuell doch für einen Farbigen gehalten wird. Er richtet sich gegen das, was er selbst ist aus Hass darüber, wie Schwarzen begegnet wird. Schmerzhaft. Gehört habe ich die Ausgabe gesprochen von Jürgen Hentsch aus dem Audio Verlag. Jürgen Hentsch macht einen sehr guten Job als Sprecher, aber es bleiben Restzweifel an der Aufarbeitung der Ausgabe, da diese offenbar eine gekürzte Fassung ist. Erscheint die Auflösung um Faunia am Ende deswegen so kurz? Ich werde es wohl nicht erfahren, es sei denn ich lese nochmal das Buch. Warum werden Ausgaben gekürzt? Wirtschaftlichkeit? Vielleicht auch ein menschlicher Makel.

Zur Hörprobe des Verlags

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Welche Medien kommen euch noch in den Sinn, die #BlackLivesMatter auf die eine oder andere Weise adressieren? Vielleicht wirkt es so als ob die weißen Protagonisten in „Little Fires Everywhere“ und teilweise „Der menschliche Makel“ den Farbigen das „Spotlight“ hier stehlen. Aber es war mir ein Anliegen die drei Medien, die ich in „Spotlight“ aufgreife recht „anders“ anzulegen. Und in Roths Buch hat mich das sogenannte „Passing“ echt kalt erwischt und ich könnte ewig darüber diskutieren. Kennt ihr Baldwins Buch evtl und habt noch mehr Empfehlungen, was ich von ihm lesen sollte?

3 Antworten

  1. „Vor Jahren hat die Bewegung angefangen auf Gewalt und Racial Profiling gegenüber Farbigen aufmerksam zu machen.“

    Nein. Es geht nur um Schwarze. Die Bewegung steht für die Interessen schwarzer Bürger ein und heißt genau deswegen Black Lives Matter. Der Begriff „Farbige“ ist auch nicht mehr in Gebrauch, da er in der englischen Übersetzung für die Diskriminierung verwendet wurde und eigentlich nur Nicht-Weiße bedeutet.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ah danke für den Hinweise, da hat sich mein Usus eingeschlichen. Ich habe es bearbeitet.

      Da eine zeitlang „people of colour“/PoC ein beliebter Begriff in der Literatur war, habe ich mal händeringend nach einer deutschen Entsprechung gesucht und mir ist die Verwendung von „Farbige“ in den Usus übergegangen. Aber was #BlackLivesMatter betrifft, ist das nicht der Sinn und Zweck, das ist klar. Generell finde ich es schwierig überhaupt die richtige Wortwahl zu verwenden, da fast jeder Begriff nachdem er eine Weile im Gebrauch ist eine negative Konnotation bekommt wie „People of Colour/Farbige“ wie du schreibst mit Nicht-Weiße assoziiert wird. Dummerweise haben immer alle recht.
      Wie trete ich aber für die Rechte aller ein, die auch vom Racial Profiling bedroht sind, aber nicht schwarz? Beispielsweise Lateinamerikaner? Es wird wahrscheinlich immer schwierig bleiben. James Baldwin bringt das in seinen Büchern und der Netflix-Doku ganz gut auf den Punkt.

  2. […] manchmal habe ich vielleicht nicht den richtigen Ton getroffen. Ich empfehle euch die Lektüre von James Baldwin, diese Filme, die ich einst unter dem Begriff Black Lives Matter zusammengefasst habe, einige […]

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