Literarische-Fundstücke: Vergleich der Adaptionen von Daphne du Mauriers „Rebecca“ (Hitchcock, Netflix)

Eigentlich sollten an dieser Stelle drei Medien stehen, die mit dem Buch verglichen werden sollen. Neben der Hitchcock-Adaption aus dem Jahr 1940 und der jüngst auf Netflix veröffentlichten Version mit Armie Hammer und Lily James in den Hauptrollen, hätte es auch das Musical „Rebecca“ sein sollen. Normalerweise wäre das nämlich im Sommer diesen Jahres in meiner Stadt aufgeführt worden. Dann kam aber Corona. Es schmerzt mich übel, dass so der gemeinsame Musicalbesuch mit der lieben Kathrin ausfiel. Anfang des Jahres lasen Jana, Matthias und wir noch gemeinsam Daphne du Mauriers Roman und twitterten unter #VisitingManderley darüber. Was aber immerhin bleibt ist der Vergleich mit zwei Verfilmungen, die ich hier auch review.  Der Teil ist noch ungefährlich spoilerfrei. Ich setze die Handlung im darauffolgenden Vergleich übrigens als bekannt voraus und sie enthält leichte Spoiler. Wer sich nicht traut, bekommt vielleicht im verlinkten, spoilerfreien Beitrag zur Leserunde einen Eindruck. 🙂

Adaptionen

„Rebecca“ (1940, Hitchcock)

Nur zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Daphne du Mauriers Roman kam als erste Zusammenarbeit zwischen Alfred Hitchcock und David O. Selznick Rebecca in die Kinos und wurde ein ebenso großer Erfolg wie das Buch. Vermutlich ist es auch Selznick zu verdanken, dass die Adaption so nah an der Literaturvorlage bleibt, wollte doch Hitchcock Berichten zufolge daraus einen komödiantischeren Film machen wollte. In Hitchcocks Verfilmung spielt Joan Fontaine die auch hier namenlose, zweite Mrs. de Winter und Laurence Olivier ist in der Rolle des Maxim de Winter zu sehen. Die Beziehung der beiden ist hier weniger harsch und unliebsam als sie im Buch geschildert wird. In vielerlei Hinsicht ist es so, dass die Verfilmung sich die „richtigen“ Bestandteile des Buches rauspickt und stresst. So hat Judith Anderson als Mrs. Danvers einige Momente, in denen sie wirklich in die Vollen gehen kann, um ihre Obsession bezüglich ihrer ehemaligen Hausherrin Rebecca voll auszukosten.

Hitchcock untermalt einige Kernmomente gekonnt mit Licht und Schatten. Etwas befremdet wird man letzten Endes aber aufgrund der aus heutiger Sicht überdramatischen Musik. Zwar war man in Filmen der Epoche noch der Ansicht, dass man mit Musik die Stimmung des Zuschauers lenken müssen, aber das hier ist ein touch too much und schon Kitsch. Davon abgesehen mag der Filme die narrativen Kernelemente gut stressen, weist aber einen immens weniger feministisch angehauchten Lehrton an. Die Emanzipierung unserer namenlosen Protagonistin scheint keine Rolle mehr zu spielen. Davon mal abgesehen ist Rebecca damit ein solider Slow-Burner unter den Krimis.

Rebecca, USA, 1940, Alfred Hitchcock, 126 min, (7/10)

Sternchen-7


„Rebecca | Official Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)

„Rebecca“ (2020, Ben Wheatley)

Schaut man sich den allgemeinen Konsens über die Verfilmung an, dann wäre der Film demnach lieblos, Armie Hammer würde eine langweilige Performance abliefern und er würde dem Genre und Thema nichts neues mehr hinzufügen, was eine Adaption im Jahr 2020 ja definitiv tun müsse. Dem stimme ich nicht zu und es tut mir nicht leid, dass mir der Film gefallen hat. 🙂 Zwar hat meines Erachtens nach Armie Hammer als Maxim de Winter wirklich eine etwas schmale Performance mit wenig Bandbreite abliefern können, aber das scheint in dieser Verfilmung auch das Motto zu sein. Bei dem Buch sowie der Hitchcock-Adaption ist die junge Mrs. de Winter diejenige, deren Entwicklung und Potential vernachlässigt wird. In der Adaption von Ben Wheatly bekommt Lily James als „Mademoiselle“ bzw Mrs de Winter eher die Möglichkeit sich zu emanzipieren und den klaren Fokus.

Und damit wird verglichen zum Buch und dem Hitchcock-Streifen ganz klar etwas neues hinzugefügt. Außerdem ist der Film durchaus moderner und traut den Charakteren mehr zu. Hier darf Mademoiselle mal selber Auto fahren, Mrs Van Hopper (The Handmaid’s Tales‘ Ann Dowd) hat auch so eine Idee, was sie in Monte da gerade so treibt statt im Dunkeln zu tappen. Besonders gut gefällt mir aber der visuelle Stil. Wenn sich das brennende Manderley in Armie Hammers Augen spiegelt, mag das schon fast cineastischer Kitsch sein, aber andererseits halt auch das filmische Mittel, dass sich zu wenige trauen zu benutzen. Andere Motive sind da weniger mutig, aber ähnlich wirkungsvoll wie Rebeccas Haare in der Bürste, mit der sich die neue Mrs de Winter gerade die Haare gekämmt hat. Ich finde den Film gelungen, aber die blasse Charakterzeichnung von Maxim ist wirklich etwas schade.

Rebecca, UK, 2020, Ben Wheatley, 122 min, (8/10)

Sternchen-8

Vergleich der zentralen Motive und ihrer Umsetzung

Die Protagonistin

Bei einer Sache sind sich alle einig: die Protagonistin bleibt namenlos. Das fördert in allen Medien geschickt den Fakt, dass sie neben Rebecca blass erscheint und versucht eine Rolle zu füllen, die ihr einfach nicht anerkannt wird. Die sie „nicht ist“. Und umso krasser ist es, dass der einzige Name unter dem wir sie kennen (Mrs de Winter) einer ist, der ihr schlussendlich nur Schmerz zufügt. Wie oben bereits angemerkt, hatte ich immer den Eindruck, dass Daphne du Maurier bewusst einen Charakter geschaffen hat, der sich nicht plötzlich zu einem super-selbstbewussten Vamp entwickelt, sondern einfach mal so bleibt wie sie ist: zurückhaltend. Aber auch ich hätte es lieber gesehen, wenn sie wenigstens ein wenig aus sich herausgeht und versucht die Dinge zu hinterfragen und sich Maxim anzunähern. Das schafft am ehesten noch die Version aus dem 2020er Film. Sie nimmt letzten Endes sogar die Recherche nach entlastendem Material in die eigene Hand und wird dankbarerweise nicht ganz so schusselig und eingeschüchtert dargestellt wie im Buch oder dem Hitchcock-Film.

Der Vergleich der zentralen Szenen im nachfolgenden Video enthält erwartungsgemäß Spoiler


„Rebecca (1940/1997/2020) side-by-side comparison“, via Matt Skuta (Youtube)

Maxim und die Beziehung/Ehe

Im Buch ist die Beziehung Maxims und der Protagonistin haarsträubend. Was hier für ein Fundament für eine Ehe gelegt wird, fühlt sich von Anfang an falsch an wie auch in den ganzen Beiträgen zu unserer Leserunde durchschimmert. 😉 Sie wird ständig von ihm bevormundet und auch deutlich weniger umworben. Maxim begegnet ihr nicht wie ein Tyrann, aber er ist auch wenig empathisch und romantisch, wofür wir später die Gründe erfahren. Auch wenn die für meinen Geschmack auch nicht wirklich das ganze Ausmaß der schon teilweise sehr unterkühlten Beziehung begründen können. Mit jeder Verfilmung wird das ganze aber etwas aufgeweicht und wärmer dargestellt. Laurence Olivier bekommt in der Hitchcock-Verfilmung am ehesten noch eine Plattform als Mann und Ehemann, dafür auf Kosten der Emanzipation der Protagonistin. Armie Hammer portraitiert in dem Film von Ben Wheatley einen v.A. in der zweiten Hälfte des Films eher abwesenden Maxim de Winter – da gibt es wenig zu holen und darzustellen. Dafür ist die Protagonistin hier auch wirklich eine und seine Figur verhilft ihr indirekt zu einem Hauch Emanzipation. Ansonsten wird Armie Hammer hier vielleicht auf Eye Candy reduziert … oder sehe nur ich das so? Ähem.

Manderley, Rebecca und das Goth Feeling

Manderley spielt in allen Medien eine prominente Hauptrolle – inklusive des ikonischen Anfangssatzes. Genauso wie Rebecca, die übrigens in allen Variationen nicht gezeigt wird. Was wie ich finde in allen Varianten leidlich gelingt ist das Gefühl zu erzeugen, dass Rebecca irgendwie noch da ist. Das gelingt dankt der Allgegenwärtigkeit, die Mrs Danvers aufrecht erhält noch am ehesten. Im Hitchcock-Film dank Mrs Danvers selbst, in der Verfilmung aus dem Jahr 2020 wegen Kristin Scott Thomas als Mrs Danvers einerseits, aber auch wegen vieler Szenen wie der oben angesprochenen Haarbürstenszene, die ich beispielsweise meisterlich fand. Aber für mein Empfinden wird in keiner der Medien der Eindruck rübergebracht, dass Rebeccas Geist da wäre. Ich störe mich jedes Mal daran, dass das Buch oder die Filme häufig dem Mysterygenre zugeordnet werden oder in Besprechungen angedeutet wird, dass Rebeccas Geist eventuell noch da wäre. Ich finde einfach gar nichts geisterhaftes daran. Viel mehr soll doch das unangenehme und unheimliche daran sein wie präsent sie noch ist, obwohl sie tot ist. Das ist für mich trotzdem nicht „Mystery“. Ich bin gespannt wie ihr das seht.

Mrs Danvers

Was mir stets auffällt ist, dass Mrs Danvers eine heimliche Hauptrolle spielt. In beiden Adaptionen gelingt es den Darstellerinnen die (Stuten-)Bissigkeit, Wahnhaftigkeit und Obsession auf die Leinwand oder Mattscheibe zu projizieren. Kristin Scott Thomas in der 2020er-Variante wie auch Judith Anderson in dem Film 80 Jahre zuvor. Obwohl Kristin Scott Thomas eine sehr mondäne Mrs Danvers spielt und mir ihre Darstellung allgemein rein subjektiv besser gefiel, hat Mrs Danvers in der Hitchcock-Verfilmung gegen Ende eine wahrhaft schaurige Szene, die der Obsession für mein Empfinden den würdigeren und gruseligeren Abgang verleiht.


„rebecca ’s bedroom“, via JEJE9339 (Youtube)

Fazit

So mancher Filmliebhaber und Purist würde mich wahrscheinlich am liebsten dafür steinigen, dass ich die 2020er-Adaption mehr mochte als die Hitchcock-Version. Grundsätzlich sind beide gute Filme, das möchte ich gar nicht bestreiten. Natürlich ist Ben Wheatleys Adaption angepasster und gefälliger als Hitchcocks, die sich an das Buch hält und genauso an der Emanzipation der Protagonistin scheitert. Für mich ist das aber nicht zeitgemäß und schon ein Aspekt, der im Buch nur leidlich funktioniert hat. Es gelang Daphne du Maurier auch eher weniger ein Zeitdokument abzuliefern, das beweist, warum die Emanzipation fehlschlagen musste. Sie zeigt nur, dass die Emanzipation der Protagonistin scheiterte. Wheatleys Adaption geht hier mehr in die vollen, was ich einfach schöner gelöst finde um dem Zuschauer etwas mehr mit auf den Weg zu geben als den schaurigen Gedanken, dass Rebecca und Manderley die de Winters wahrscheinlich auf ewig weiterverfolgen werden. Davon mal abgesehen hat das Remake wohl weniger Suspense und stattdessen mehr Eye-Candy, aber ich finde auch nicht, dass Hitchcocks Rebecca sein suspense-reichstes oder dahingehend effektivstes Werk ist. Wie schon oben beschrieben tut es mir nicht leid, dass mir der Film besser gefällt. 😉

Header image/photo credit: Janko Ferlič

Jetzt bin ich aber umso gespannter: wie habt ihr Buch und Verfilmungen empfunden? Was hat für euch die Nase vorn und welche Verfilmung haltet ihr für den gelungeneren und runderen Film? Welchen als die bessere Adaption und welcher hat euch rein subjektiv besser gefallen? Erachtet ihr Rebecca als Gothic Fiction und wie definiert ihr Gothic Fiction? Findet ihr, dass „Mystery“ als Genre für die Filme gerechtfertigt ist?

5 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich vergesse immer wieder, dass die neue Verfilmung von Ben Wheatley ist, den ich ja als Regisseur sehr mag.

    Ich hadere nur noch gerade mit mir, ob ich nicht doch erst das Buch lesen soll… oder ob ich das dieses Mal einfach überspringe

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Also wenn du mich fragst … überspring das Buch. Es ist halt schwer zu lesen, weil die Protagonistin einerseits eine scharfsinnige Beobachtungsgabe hat, aber andererseits nie auf sich selber bezogen. Sie erniedrigt sich die ganze Zeit anstatt sich Problemen zu stellen oder Mut zu beweisen. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Leserin versuche mich mit ihr zu identifizieren und deswegen so verstört darauf reagiere, weil das wegen ihrer ständigen Selbstzweifel nicht gelingt, aber ich denke wirklich es gibt andere Bücher von Daphne du Maurier die man lesen kann. Auch wenn Rebecca offenbar das bekannteste ist.

      Ben Wheatley mag ich auch sehr. Aber auch nach der Sichtung von Rebecca finde ich, dass es irgendwie nicht so ganz in sein Repertoire passt. ^^ Sein Sightseers mochte ich sehr. Rebecca ist schon fast mehr Popcornkino verglichen damit. Aber auch der Film hat Spaß gemacht. Auch dann nochmal im vergleich mit Hitchcocks klassischer Version.

      1. Avatar von donpozuelo
        donpozuelo

        Hmm… ja, klingt nach einer anstrengenden Protagonistin. Na mal gucken. Meine Mama schwört ja tatsächlich auf das Buch. Von daher werde ich es wohl einfach irgendwann mal lesen müssen.

        Dass Rebecca nicht so ganz in Wheatleys Repertoire passt, habe ich mir schon fast gedacht. Ist ja doch weit von dem entfernt, was er bislang so gemacht hat. Vielleicht wollte er schon mal üben, bevor er Tomb Raider 2 mit Alicia Vikander dreht

  2. Ich bin ja kein Rebecca-Fan (hatte etwas von dem Buch erwartet, das dann bis zum Schluss nicht eingetreten ist), aber ich kann mir Kristin Scott Thomas extrem gut als Mrs Danvers vorstellen 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Hmmm, was könnte das wohl sein, was du erwartet hast 😉 Ich habe da so eine Ahnung …
      Kristin Scott Thomas ist auch wirklich sehr cool in der Rolle!

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