Serien-Besprechung: Banana Fish (Anime)

Als ich das erste Mal die Promo zum Anime „Banana Fish“ sah, wollte ich meinen Augen kaum trauen. Tot geglaubte leben länger!? Als Teenager las ich um die 2000er ein paar Ausgaben des Krimi-Manga „Banana Fish“, bevor ich erfuhr, dass Planet Manga die Veröffentlichung mittendrin eingestellt hat. In Japan brachte es der Manga von 1985 bis 1994 auf 19 Ausgaben. Und jetzt? 24 Jahre nach Beenden der Reihe in Japan produzierte Studio MAPPA eine Animeserie, die 2018 erschien und jüngst im Angebot eines großen Streaming-Service erschien!? Wow. Das haben wohl wenige erwartet und bescherte mir ganz unerwartete soviele Jahre später die Gelegenheit die Geschichte zu Ende zu verfolgen. „Banana Fish“ handelt von Gangkriegen in den USA, Mafia-Geschäften und einer Droge, die verheerende Auswirkungen hat. Besprechung ist spoilerfrei.

„Banana Fish“ sind die letzten Worten des amerikanischen Soldaten Griffin Callenreese, nachdem er 1973 in Vietnam im Amoklaufs seine eigene Truppe erschossen hat. Danach ist Callenreese kaum noch ansprechbar. Jahre später lebt er als Pflegefall in der Obhut seines jüngeren Bruders Aslan, genannt „Ash Lynx“. Der ist mit gerade Mal siebzehn zum Kopf einer Gang in New York aufgestiegen. Er untersteht dem Mafia-Oberhaupt Dino Golzine, der persönliches Interesse daran hat Ash so nah wie möglich in seinem Umfeld zu behalten. Sehr zum Misfallen Ashs, der widerwillig mitmacht, um seine Position zu nutzen, um soviel wie möglich über „Banana Fish“ herauszufinden und was mit seinem Bruder passierte.


„Banana Fish Trailer (English Sub)“, via Lida Yume (Youtube)

Eines Tages wird Ash vom japanische Fotograf und Journalisten Junichi Ibe gebeten ihn begleiten zu dürfen und das Leben der Gangs in New York für eine Fotoreportage abzulichten. Ihn begleitet sein Assistent Eiji, wenig älter als Ash. Beide könnten kaum unterschiedlicher sein. Der eine strohblond und nur mit der Waffe im Anschlag unterwegs, der andere fliedliebend. Kurz nach der Begegnung wird Eiji in den Bandenkrieg verwickelt und die Schicksale beider sind nicht mehr zu trennen.

Dankbarerweise bekam Banana Fish verglichen zum Charakterdesign des Manga eine Frischzellenkur verpasst. Der Manga sieht nämlich stark nach 80er Jahre aus. 🙂 Ich erinnere mich an kleine Panels, wenig Rasterfolienmagie, mehr Schwarz-Weißflächen, sehr stupsnasige Charaktere und eine zugegebenermaßen rasante und schnell voranschreitende Handlung. Bei Umfeld und Zeit zeigt sich der Anime indifferent und hält sich alle Möglichkeiten offen. Man sieht mal Mobiltelefone und Computer, die weder high-end noch nach „80er“ aussehen. Erst beim Schauen der Serie fiel mir auf wie selten es ist, dass Anime in den USA spielen oder allgemein außerhalb Japans oder in Fantasy-Welten. Dafür wurden viele Hintergründe und realweltliche, amerikanische Szenarien gewählt. Man sieht prominente Ausblicke wie den auf die Freiheitsstaue, Chinatown und naja, manches ist vielleicht originalgetreuer dargestellt als anderes. Aber Amerika ist als Schauplatz unverkennbar in Architektur und Umgang. Hin und wieder frage ich mich allerdings ob es den Alltag der „Gangs of New York“ so realistisch wiedergibt. Ich denke nicht. Das muss aber auch nicht der Anspruch sein, denn v.A. geht es in Banana Fish um Ash und Eiji. Die Freiheitsstatue ist eine feine Metapher auf Ashs Leben und was ihm verwehrt blieb.

Ash wird von der ersten Episode an als das Objekt der Begierde einiger anderer Männer gekennzeichnet. Über die 24 Episoden des Anime wird kein Hehl daraus gemacht, dass er als Kind missbraucht wurde, dass er das Opfer eines Kinderpornografie- und -prostitutionsrings wurde und so setzt sich die Geschichte bis in die Gegenwart fort. Der Teufelskreis in den Ash geriet, hat er nur mit einer hohen Resilienz überlebt. Wo das schon schwer zu verkraften ist, wirkt es manchmal zu gewollt Ash immer wieder in eine Lage zu bringen, in der er sich opfert und Missbrauch verkraften muss. Umso schwieriger ist es die anderen sich wiederholenden Motive damit in Einklang zu bring in denen Ash als junger, krimineller Gott glorifiziert wird. Schlau, hacken kann er wie ein Ass, er ist ein umwerfender Schütze und ach, gut sieht er auch noch aus. Kurzum: ich mag Ash, ich habe aber große Probleme damit was seiner Figur angetan wird und andererseits wie seine Figur dargestellt wird.

Daneben gerät Eiji etwas ins Hintertreffen, obwohl die Gegensätze der beiden und Faszination für die Art des jeweils anderen ab der ersten Episode Thema ist. Für Eiji ist das Auseinandersetzen mit Ash, der Suche nach „Banana Fish“ und den Bandenkriegen eine Art Befreiungsschlag sein eigenes Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen, nachdem er durch eine Verletzung seinen Profisport aufgeben musste. Daraus hätte man durchaus mehr machen können. Zumindest wird Eiji ein Anker und Moralkompass für Ash. Zwischen den ungleichen jungen Männern entsteht eine Beziehung, die sich je nach Zuschauerempfinden als tiefe Freundschaft, platonische Liebe oder mehr einordnen lässt. Das ist einer der (anderen) Aspekte, weswegen Banana Fish nicht nur als Krimi-Anime, sondern oftmals als Shōnen Ai eingeordnet wird. Ich bin stark gegen die allgemeine Eingrenzung in Manga und Anime als nur Shōnen Ai, weil das meiner Meinung nach ein Label für LGBTQ+-friendly Inhalte sein sollte, aber keine Genrebezeichnung ersetzt. Denn soviel ist klar: Banana Fish ist ein Krimi- und Action-Anime. Vielleicht ist es sogar sehr lohnenswert, damit Shōnen Ai nicht als alleiniges Thema und mit Romantik oder Drama assoziiert wird, sondern als ziemlich beinhartes Krimiszenario.

Neben Ashs Tour de Force und der Beziehung zwischen ihm und Eiji ist die Suche nach Banana Fish der sich durch die mit 24 Episoden recht längliche Serie ziehende rote Faden. Was sich hinter dem Namen verbirgt und welche Konsequenzen Banana Fish hat wird relativ bald offenbart und vermischt sich mit den Interessen zahlreicher Akteure. Das ist dem Anime recht gut gelungen. Das größere Übel sind die sich ständig wiederholenden Muster der Involvierung von Ash und Eiji. Zu häufig verfällt die Handlung in einen Kreislauf aus „Ash wurde gefangen genommen, Eiji will ihn retten. Dann wird Eiji gefangen genommen und Ash will ihn retten. Dann … .“ Der Nachteil daran ist, dass sich der Anime zwischendurch zäh anfühlt. Der Vorteil ist die stetige Vertiefung der Beziehung der Beiden, der Charakterisierung und des Dilemmas, ob zwei Menschen aus wie die Serie es nennt „unterschiedlichen“ Welt ein Leben teilen können (wie auch immer man ihre Beziehung definiert).

Die Optimisten unter uns sagen jetzt laut „ja“, aber die Serie macht dramaturgisch klar, dass das vielleicht doch nicht so einfach ist, da Ash allzeit versucht Eiji von der Spirale aus Gewalt fernzuhalten, an die er sich schon mehr aus Zwang gewöhnt hat. Das alles sorgt dafür, dass man anfangs etwas Durchhaltevermögen braucht, gegen Ende aber stark emotional in die Serie und ihre Charaktere involviert ist. Ein bisschen mehr Konzentration auf das titelgebende Banana Fish und weniger oberflächliche Krimi-Motive hätten der Serie sicherlich gut getan. Krimifans verhungern hier vielleicht zwischendurch. Banana Fish kann derzeit im Segment von Amazon Prime gestreamt werden. Übrigens hat Planet Manga ab 2020 die Mangareihe vollständig in Deutschland veröffentlicht. (7/10)

Sternchen-7

Man kann nun munkeln, dass der ausgelöste kleine Hype über die späte Realisierung als Anime die Chancen „Banana Fishs“ begünstigt hat nochmal durch Planet Manga in Deutschland komplett veröffentlicht zu werden? 😉 Sensationell finde ich aber allein den Umstand, dass nach zwanzig-dreißig Jahren nochmal ein Manga aus der Versenkung gezogen und adaptiert wurde. Kennt ihr Manga und oder Anime? Wie hat’s euch gefallen?

3 Antworten

  1. Ich habe von einer Japanerin davon erfahren und war überrascht, weil die Serie doch schon so alt ist. Bin immer noch bei Band 10 und erinnere mich an fast nichts. Mir ist so als hätte ich bisher sehr viele technische Fallinhalte gelesen. Es ist schon auch etwas für Krimifans.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Echt, meinst du? Den Manga habe ich dann leider nicht mehr verfolgt, aber der Anime hat soviele immergleiche Abläufe und Motive, dass ich den Krimi-Aspekt ziemlich dürftig fand.

      Aber schon faszinierend wie der Manga ausgegraben und als Anime adaptiert wurde. Bei den Verhandlungen und Pitches hätte ich gern mal Mäuschen gespielt.

      1. Mir ist auch nicht klar, warum ausgerechnet dieser Manga verfilmt wird. Ich weiß jedoch, dass es eine eingefleischte Fangemeinde gibt. In tokio hatte ich auch das eine oder andere Mal prominent platzierte Werbung gefunden. Umso verrückter, weil die meisten über die BL-Elemente sprechen, die ja erst gegen Ende kommen sollen.

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