Diese langen Namen. Ich meine… liest das noch wer oder seid ihr alle von dem Titel schon erschlagen? Kürze ich den ab, weiß man nicht, was besprochen wird? Es ist schwierig. Feedback würde mir helfen. 😉 Davon abgesehen ist das nun endlich nach vielen Beitragen von Filmfestivals einer zu dem Thema, das im Juni hier normalerweise erste Geige gespielt hätte: Pride! Richtig. Alle heute besprochenen Manga und Manhwa sind Girls Love/Yuri, Boys Love/Yaoi, wirklich gay* oder spielen irgendwo auf dem Spektrum.
„Kirschblüten nach dem Winter“ Bd. 1-2, Bamwoo, papertoons
Auf Kirschblüten nach dem Winter bin ich schon im Vorfeld durch gute Kritiken aufmerksam geworden und hatte den ersten Band schon hier rumliegen. Für alles weitere sorgte dann der angenehme Auftritt von papertoons bei der diesjährigen Buchmesse. Die Kritiken sagten meist sowas wie „der Manhwa ist soooo süß“ und scheinbar war ich damit schon neugierig genug. Kirschblüten nach dem Winter handelt von Haebom, der als kleines Kind seine Eltern verliert und von der Familie seines besten Freundes Taeseong aufgenommen wird. Haebom will aber niemandem zur Last fallen und distanziert sich stark. So geht das viele Jahre bis beide kurz vor dem Schulabschluss nun plötzlich in einer Klasse landen und sich nicht mehr aus dem Weg gehen können. Das erste Mal bemerkt Taeseong das Haebom gemobbt wird und beschützt ihn. Beide beginnen wieder mehr miteinander zu unternehmen, lernen sich wieder kennen und realisieren vielleicht sogar, dass sie ineinander verliebt sind. Viel zu verarbeiten?
Ja so einfach können sie ihre Gefühle nicht einordnen. Schließlich ist Haebom immer noch darauf getrimmt am besten unsichtbar zu sein. Aber etwas ulkig ist es schon, dass nicht mal jemand weiß, dass sie unter einem Dach wohnen. Dieses „niemandem zur Last fallen“-Muster sorgt tatsächlich dafür, dass glaubhaft der Cringe minimiert wird. Denn unter anderen Umständen würde man sagen „sie wachsen wie Brüder auf“ und das fühlt sich plötzlich ziemlich inzest-y an. Bamwoo, Urheber:innen des zuerst als Webcomic erschienen Manhwa, umgehen das also ganz geschickt. Es fühlt sich nie so an als ob sie Brüder wären. Trotzdem ist alles süß, aber formelhaft. Es gibt Missverständnisse, man schafft sie aus dem Weg mit einer süßen Geste, dann wiederholt sich das. Ach. Das kann man schon mögen. Doch so gegen Ende des zweiten Bandes fehlte es mir bereits an Weiterentwicklung.
Das liegt zum Großteil auch daran, dass Taeseong ein Enigma bleibt. Er macht relativ viele fragwürdige Dinge, die ihm nie so recht zu Lasten gelegt werden (das Geld nehmen in Band 1, seine Mutter in Band 2 nicht einbeziehen, usw.) und trotzdem hat er die „good guy“ Atmosphäre und ist ein Musterknabe, der alles kann, alles weiß, alles macht. Das und die „Szenenauswahl“ des Manhwa machen es mir zunehmend schwer. Die Panels bestehen zu 95% aus Gesichtern im Dialog miteinander. Die Umgebung oder spannende, Dramatik erzeugende Perspektiven und Blickwinkel sieht man selten. Fühlt sich ein bisschen an wie die Bravo-Fotostorys von früher … . Ich bin mir noch nicht sicher, ob mir das nicht zu formelhaft und geradlinig ist. Obwohl ich schon gespannt bin, ob ich als Leserin noch einen Draht zu Taeseong bekommen würde und wo die Reise für die Beiden hingeht.
„Monthly in the Garden with My Landlord“ Bd. 1, Yodokawa, Yen Press
Monthly in the Garden with My Landlord war wieder einer meiner Versuche auch mal einen Yuri/Girls Love-Manga zu finden, der mir gefällt. Denn von der Atmosphäre her kriegen die mich einfach nicht ganz so oft wie Boys Love. Der Manga war eine Empfehlung von Kerstin und hat mir tatsächlich gut gefallen. Darin sucht Manga-Redakteurin Asako nach einer schlimmen Trennung einen Tapetenwechsel. Sie findet ein ganzes Haus(!) zu überraschend guten Konditionen, überliest aber eine: die Vermieterin Miyako wohnt dort mit ihr. Klassische Romcom-Story-Vorlage? Kann man so sagen. Es wird aber noch wilder als Asako bemerkt, dass Miyako niemand geringeres ist als ein ehemaliges Pop-Idol, das von Freundinnen von ihr frenetisch angehimmelt wird und sich vor Kurzem zur Ruhe gesetzt hat. Asako hatte sich doch geschworen sie lässt sich nicht nochmal von einem schönen Gesicht einwickeln, wie soll sie das jetzt erklären …?
Was Monthly in the Garden with My Landlord sehr angenehm macht ist, dass es die Grenzen zwischen Girls Love und einem Gay Manga aufweicht. Asako macht kein Geheimnis daraus, dass sie lesbisch ist, aus Themen wie Anziehung oder ihrer Dating-Historie. Sie ließ sich in vergangenen Beziehungen ausnutzen und will/soll den Fehler nicht nochmal begehen. Miyako hingegen sorgt für einigermaßen Comedy mit ihren Eskapaden, wenn sie versucht zu beweisen, dass sie „normal leben“ und für sich sorgen kann. Kochen wird spannend. Ein bisschen kommt die Chemie zwischen den Beiden ins Spiel, aber das könnte 1. noch gern deutlicher sein und 2. leidet es für mich schon unter den vielen Zufällen. Trotzdem ist Monthly in the Garden with My Landlord ein angenehmer Genre-Vertreter und schon fast cozy manga.
„Birds of Shangri-La“ Bd. 1-3, Ranmaru Zariya, Hayabusa
Ranmaru Zariya ist als sichere Bank bei Boys Love Manga bekannt. Das Artwork ist betörend, das Charakterdesign abwechslungsreich, die Geschichten sind ansprechend und triefen nie nicht oft vor Mustern. Die Charaktere haben gar eine Entwicklung und ja, es ist garantiert, das die Inhalte explizit sind. Bevor ich es dann gelesen habe, erschien mir Birds of Shangri-La immer als etwas zu sehr in-your-face, schließlich ist Schauplatz der Handlung ein Edelbordell, in dem Männer arbeiten und ihre Dienste Männern anbieten. Dort beginnt Apollo zu arbeiten. Selber hetero und privat in Schwierigkeiten, kam er „irgendwie“ zu dem Job als Security/Vorheizer für die Männer, die sich dort prostituieren. Besonders Phi ist angetan von Apollo, während sich einige belustigen, dass ein Hetero bei ihnen anfängt. Manche sehen es als Aufgabe „ihn umzudrehen“.
Vielleicht war es diese formelhafte Prämisse, die nach dem Gay for You Muster klingt, die mich anfangs abgeschreckt hat. Vielleicht ist es doch Ranmaru Zariyas erster klischeebeladener Manga? Dann brachte mich überraschenderweise das Südsee-Flair des Manga doch drauf und ich bin froh, dass ich meine Meinung geändert habe. Irgendwie löst über die ersten drei Bände Phi dann doch etwas in Apollo aus und er beginnt seine bisherigen Beziehungen und Einstellungen zu Labels zu hinterfragen. Phi hat aber schon alleine deswegen einen Stein im Brett, weil er offenkundig verwundbar ist. Seine schwere Vergangenheit holt ihn ein und er vermutet, dass ihm jemand nachstellt. Das ist tatsächlich einer der wohl realweltlicheren Aspekte des Manga, der Birds of Shangri-La auch so erzählerisch dicht und down to earth macht. Während das Shangri-La (der Name des Edelbordells) quasi ein Paradies für die dort Beschäftigten ist, blicken Angestellte wie Phi auf eine grausige private Geschichte zurück. Straßengangs in Entwicklungsländern, Zwangsprostitution, Ausbeutung, Gewalt … Mord? Da verbirgt sich geradezu ein Krimi in Birds of Shangri-La.
Dabei zuzusehen wie Apollo sich in diesem Quasi-Ferienresort seines alten Lebens entledigt und langsam für Phi erwärmt hat eine ganz eigene fantastische Atmosphäre, die mir sehr gut gefällt. Dazu kommt, dass das Shangri-La ein Ort ist, der unmöglich erscheint und es vielleicht auch wird. Die Bürokratie und Politik mischt sich ein – möchte man ein Edelbordell auf der Insel? Tolles Artwork, interessante Geschichte (wenn auch an einigen Stellen zu gut um vorstellbar zu sein), schöne Charakterentwicklung, angenehmes Pacing, was will man mehr? Nach dem Cliffhanger in Band 3 hätte ich schon gern Band 4. Nur ist der noch nicht mal angekündigt. 😳
*Mit „wirklich gay“ in der Einleitung spiele ich darauf an, dass Boys und Girls Love ja nicht immer etwas mit queerem Leben und der queeren Community zutun hat. Oftmals ist es ein schöner Vorwand für eine Romanze, die eben zufällig gleichgeschlechtlich ist. Wie ihr seht, sind da die heute besprochenen Manga und Manhwa halt auch mal so mal so. Hier gehts übrigens zu mehr Pride-Beiträgen im Blog im Juni 2024. Etwas üppiger fiel Pride 2023 und 2022 aus. Kennt ihr die hier besprochenen Manga und Manhwa? Welche Muster in Girls und Boys Love kriegen euch? Welche schrecken euch eher ab?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 😉
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