Trends sind Trends, aber wie oft erreichen uns die Hits anderer Kontinente wirklich? Kürzlich wurde der thailändische Film How to Make Millions Before Grandma Dies klammheimlich in Deutschland in das Programm eines großen Streamingportals aufgenommen. Er wird vielleicht gar nicht den Buzz generieren, den er in seiner Heimat verursachte. Ich wurde auch „nur“ hellhörig, weil er mir letztes Jahr massig auf Letterboxd begegnete und dort im Jahresrückblick auftauchte. V.A. in Südasien wurde der Film ein viraler Trend. Reaction-Videos von in Tränen aufgelösten und gerührten Menschen gingen im Minutentakt in Social Media online. Also ein Tränenzieher? Kann man so sagen denn wir alle wittern den Ausgang der Prämisse des Films. Er handelt von M (Putthipong Assaratanakul), der beschließt sich um seine sterbenskranke Großmutter Mengju (Usha Seamkhum) zu kümmern. Allerdings nicht aus Gutherzigkeit, sondern um ein dickes Erbe von ihr einzukassieren.
Dass das funktionieren kann, lernt er von seiner Cousine Miu (Tontawan Tantivejakul), die sich aufopferungsvoll um ihren Opa kümmerte und dessen Haus überschrieben bekam. Da M vorher v.A. daran interessant war seine Streamer-Karriere voranzutreiben und den ganzen Tag zockte, wird seine Oma wie auch seine Familie aber misstrauisch. Das klingt nicht nur so, sondern wirkt von der Atmosphäre her tatsächlich wie eine Mischung aus Parasite (wegen des Motivs des Betrugs bzw. Erschleichens) oder Ziemlich beste Freunde (wegen der Feelgood-Movie-Aura). Der emotionale Überhang zu letzterem entsteht auch dadurch, weil M und seine Großmutter sich besser verstehen lernen, wieder mehr zusammenrücken und sich durch all die Erlebnisse näher stehen. Der Film ist aber nicht nur Melodram oder Feelgood, sondern behandelt ein ernstes Thema mit Krankheit, Tod und der Überalterung der Gesellschaft.
How to Make Millions Before Grandma Dies trifft in unserer Gegenwart dahin, wo es besonders weh tut. Und das offensichtlich universell und global. Nicht nur in Thailand, Südasien, sondern genauso in deutschen Familien. Schließlich sind Mehrgenerationenhaushalte nicht mehr gang und gäbe. Kinder und ihre Eltern wohnen oftmals durch einige Kilometer oder gar Ländergrenzen voneinander entfernt und die Zahlen unbemerkt versterbender Älterer steigt. Im Film hat Mengju zwar drei Kinder, aber die stecken zwischen eigenen Problemen, fordernden Jobs, etc. fest. Sieht man im Film Mengju sonntags in ihren hübschesten Klamotten in Erwartung eines Familienbesuchs vor der Tür sitzen, den Blick immer ans Ende des Weges gerichtet, und doch kommt keiner, dann trifft das mitten ins emotionale Zentrum. Das ist natürlich wirksam und scheint zu fragen: wann warst du das letzte Mal deine Eltern besuchen? Oder die dir nahestehenden?
Aber der Film geht gut damit um. Vermittelt nicht nur Schuld oder drückt arg auf die Tränendrüse, sondern sieht die Menschen dahinter. Ähnlich verhält es sich mit dem schmalen Grad zum Kitsch, den er angenehm streift, nicht ausreizt. Den dass zwischen den drei Kindern Mengjus am Ende ihr Enkel M bleibt ist nicht ganz unwahrscheinlich, zumal er eh „verfügbar“ ist. Anders als Hollywood-Kitsch ist es bis zum Schluss eine moralische Grauzone, an sich der M entlang bewegt. Natürlich liebäugelt der Film mit der zu erwartenden Wendung, dass Mengju rauskriegt, warum M sich plötzlich so aufopferungsvoll um ihn kümmert. Aber der Film löst das auf eine charmante Weise auf, die am Ende tatsächlich auch meine Augen nicht trocken ließ. Nebenbei findet How to Make Millions Before Grandma Dies würdevolle Bilder für die große Bürde der Kranken wie auch der Pflegenden und Angehörigen und den Trost, die die spenden, die bis zum Ende bleiben.
How to Make Millions Before Grandma Dies, Thailand, 2024, Pat Boonnitipat, 125 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. ☺️
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