Ich hatte keine Ahnung wie viel Bullshit man als Schwangere erlebt. Und weil das so ein interessantes Erlebnis war, dachte ich, dass ich euch mal ein paar der Erlebnisse mitbringe. Der Arbeitstitel des Beitrags war: „Dinge, die dir vorher niemand über Schwangerschaft sagt“. ☝️ Da ich 10 Monate* schwanger war, habe ich zehn Anekdoten mitgebracht. Aber keine Sorge: es wird nicht sehr grafisch, aber sicherlich emotional.
1. Faktencheck lohnt
*10 Monate? Richtig! Kann passieren. Natürlich keine vollen zehn Monate. Trotzdem: es war für mich absolut verblüffend wie viel Quatsch, Mythen und angebliches Wissen über Schwangerschaft und Geburt sich hartnäckig im Allgemeinwissen hält. Andere, tatsächliche Fakten aber nicht bekannt sind. Dass es Blödsinn ist, wie Geburten in Filmen und Medien dargestellt werden, konnten wir uns ja schon denken. Während der Schwangerschaft habe ich das Buch Tag für Tag durch meine Schwangerschaft von Alenka Scholz und Silvia Höfer gelesen. In dem Buch gab es eine schöne Stelle zum Thema Geburt, in der auf Filmmythen eingegangen wird. Dort heißt es zusammengefasst: früher oder später sagen die Ärzte oder Geburtshelfer in Filmen „Holen sie Handtücher und heißes Wasser!“ Die Autorinnen sagen an der Stelle: „wofür sie das heiße Wasser brauchen? Man weiß es bis heute nicht!“ Eine der größten Filmlügen ist für mich das Rumliegen in Wehen. Wäre ich nicht Rumgelaufen in der Phase der Geburt, wäre ich wahnsinnig geworden.
Ich kann das Fazit dieses Posts vorweg nehmen. TLDR; ich wünsche mir, dass Leute mehr über Schwangerschaft wüssten. Dass Leute netter zu Schwangeren, Eltern und Hebammen sind. Dass das Thema kein Tabu wird oder bleibt, denn als solches erschien es mir oft. Die nachfolgenden Anekdoten helfen vielleicht zu verstehen warum. Sie sind gesammelte Erfahrungen, die so ziemlich alles an Gefühlen getriggert haben, dass man sich auf der Palette an Emotionen vorstellen kann. Vielleicht würde es vieles ändern. Dass sich beispielsweise Leute mit offensichtlicher Grippe oder Corona in der Straßenbahn nicht neben mich als Schwangere gesetzt hätten, weil sie wüssten wie gefährlich das für mich und das Kind ist. Oder dass Leute wüssten auf wie viele Dinge man als Schwangere verzichten muss und dass es netter wäre nicht drei Mal Alkohol angeboten zu bekommen. In den zehn Monaten habe ich mich mehrmals gefragt, ob allen Schwangeren so viel Bullshit begegnet. Und ich befürchte die Antwort ist „ja“.
2. Das Wunder des Lebens
Gejammer hin oder her – wir hatten unendlich viel Glück. Den Wunder-Aspekt und die Glücksgefühle kann ich kaum ohne Kitsch und Plattitüden beschreiben, die man schon zig Mal gelesen hat. Hier gibt es nicht viel Neues! Einfach nur, dass ich selber überwältigt war soviel Liebe für das kleine Flattern im Bauch zu empfinden. Dass all meine Sorgen dem Kleinen galten. Dass ich unendlich viel mit dem Kleinen gesprochen habe als er noch nicht mal auf der Welt war. Ja, es gibt den Baby-Blues. Ja, Geburt tut weh. Aber den Kleinen in den Händen zu halten, dass er endlich da ist – unbeschreiblich. ♥️

3. Die Körperlichkeit des Ganzen
Es war noch nicht im dritten Monat, aber unmittelbar danach, als mir die Körperlichkeit von Schwangerschaft bewusst wurde. Klar weiß man vieles vorher, aber doch nie wie es sich wirklich anfühlt. Einerseits war ich schon fast froh, dass mein Körper „funktioniert“ – so komisch das klingen mag. Andererseits war es auch frappierend wie sehr ich mich irgendwann nach meinem Körper „von früher“ sehnte, vor Allem später als ich mir meine Schuhe nicht mehr zu machen konnte ohne mich zu setzen. Zwischendurch war es aber echt wild. Da war die Morgenübelkeit, da waren die wahnsinnigen Ischias- und Rückenschmerzen. Es passiert viel mit Schwangeren. Es gab auch unzählige „Vorteile“. Zum Beispiel gute Haut und schöne Haare. Der angebliche Glow der Schwangeren – der ist da.
Aber es bringt auch alles unerwartet viele Ängste mit sich, was für mich spätestens jetzt ein Grund ist besonders nett zu Schwangeren zu sein. Falls ich das nicht schon früher war. Da sind die großen Schwangerschaftskrankheiten (Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie, etc.), die Angst vor Abbrüchen und Komplikationen, und so vieles mehr. Um die Probleme mit Rücken- und Ischiasschmerzen in den Griff zu bekommen, besuchte ich einen Sportkurs für Schwangere. Dort wanderte mein Blick häufig zu den Bäuchen der anderen und zu meinem. Ist mein Bauch zu klein? Später hatte ich Angst, dass er zu groß ist. Entwickelt sich mein Kind nicht mehr? Oder zu schnell? Alles hat Implikationen über die geredet wird, über die man löst, von denen man hört. „Argh“ beschreibt das Gefühl ganz gut. 😣
Bei all diesen Ängsten können sicherlich Verwandte und Freunde helfen. Allerdings konnten sich meine Verwandten an solche Details nicht mehr erinnern – für die Mütter, Tanten etc. war das alles schon viel zu lange her. Die Freunde mit Kleinkindern sind selber sehr beschäftigt und hatten teilweise komplett andere Erfahrungen. Das Internet hilft manchmal, andere Male ist es eine Senkgrube an Verunsicherungen. Viel geholfen haben mir die Bücher und mit meiner Hebamme zu reden.
4. Der Beruf der Hebamme und meine Schuldgefühle
Witzigerweise arbeitet meine Hebamme auch in der Klinik, in der ich entbinden wollte. Als wir mit Kliniktasche vor der Tür standen und schon ahnten, dass wir bleiben würden, hat es mir enorme Sicherheit gegeben sie zu sehen. Tatsächlich brachte sie mit mir und natürlich der Entbindungsärztin das Kind zur Welt. Als sie sagte „So, jetzt stellst du deinen Fuß auf meine Schulter und presst nochmal“ war spätestens der Moment, in dem mir endlich klar wurde, was für ein krasser Beruf Hebamme ist. Hebammen sind absolut heavy metal. Die Sehen Massen an Blut und hantieren mit vor Schmerz schreienden Gebärenden, sind im nächsten Moment behutsam und lieb zu Babys und rücksichtsvoll zu anwesenden Partner:innen. Das krasse ist, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was der Beruf der Hebamme eigentlich ist bis ich selber eine brauchte. 🥲
Ist das nicht komisch? Ist das nicht unfair? Das ist Teil meiner Scham. In all der Unwissenheit, die ich hier anprangere, darf ich mich also nicht ausklammern. Unfair ist auch wie wenig der Beruf entlohnt wird. Inzwischen weiß ich, dass Hebammen zu dir ins Haus kommen und nach der Geburt schauen, dass es dir und dem Kind gut geht. Der Hinweg wird aber nicht entlohnt. Sie zeigte uns auch wie man unser Baby badet – das ist nicht in fünf Minuten gemacht. Ich bin mir sehr sicher, dass sie unvergütete Überstunden gemacht hat. Jetzt, wo ich einige Hebammen kennengelernt habe, weiß ich auch, dass sie fast alle zweite oder dritte Standbeine haben. Kurse geben, in Kliniken arbeiten, etc.
Ich erinnere mich, dass ich als Studentin auf der Straße von einer Frau mit Klemmbrett und Stift angesprochen wurde, ob ich eine Petition unterschreiben würde. Es ging um Hebammen und ich hatte keine Ahnung, wofür ich da genau unterschreiben sollte. Vermutlich war ich auch in Eile. Das sagte ich ihr und sie war unendlich enttäuscht. Von mir als Frau? Von mir als Mensch? Sie sagte „Naja, sie sind ja noch so jung, Sie können es nicht wissen“ und ging. Ihre Enttäuschung hat mir damals schon zu Denken gegeben. Ich schäme mich, dass ich mir nicht die Zeit genommen habe mir anzuhören, worum es da geht. Jetzt unterschreibe ich. Heute an dem Tag, an dem der Beitrag online geht, ist übrigens der internationale Tag der Hebammen. Und ich setze noch einen drauf: ihr könnt noch bis zum 7. Mai für die aktuelle Kampagne des Verbands der Hebammen unterzeichnen, die fordert eine 1:1 Betreuung für Frauen durch Hebammen.
5. Die Rührung der Anderen und: „The ungentle gaze“
Schwangerschaft löst viele Reaktionen in anderen Menschen aus. Von extremer Rührung über unverhohlene Neugier, Unbeholfenheit, dem Drängen unbedingt die eigene Meinung kundzutun bis hin abgestoßenen Reaktionen. Was auch weh tut: die absolute Gleichgültigkeit anderer, wenn ich mich gefreut hätte, dass mir in der Straßenbahn ein Platz angeboten wird. Kurios fand ich auch wie oft gesagt wird „Oh Glückwünsch! Also wenn das gewollt war!?“ Wie reagiert man darauf? Geht das irgendwen was an? Ich halte mich für jemanden, die im Alltag nicht unbeholfen ist und schnell einen flapsigen Spruch auf den Lippen hat. Aber in der Schwangerschaft fehlten mir oft die Worte für meine Mitmenschen.
Beispielsweise für die ältere Nachbarin, die mir ungefragt an den Bauch fasst. Aber mit soviel offener, tiefer Rührung – ich hätte es ihr wahrscheinlich auch gestattet, wenn sie gefragt hätte. Dass mich einfach irgendwer anfasst – ein No-Go. Anderer Fall: Was sagen zu dem Kollegen, der sagt „Schwanger? Herzlichen Glückwunsch, dass du dein Leben wegschmeißt.“ Ich nehme an, dass es ein Scherz war.

Wodurch ich mich einige Male ganz ok navigiert habe, war der Fall von Schwangerschaftsdiskriminierung. Wir bekamen eine neue Projektleitung vom Kunden vorgesetzt, der immer interessante Kommentare geschmissen hat. Zu Allen, nicht nur zu mir. Aber mich hat er ab dem Zeitpunkt meiner Bekanntgabe nicht mehr als Senior Softwareentwicklerin und Führungskraft gesehen, sondern als Schwangere und Frau. Dabei trage ich alle meine Labels mit Stolz. Eine Schwangere und eine Frau – das waren stets Anlässe für Seitenhiebe und komische Sprüche. Zu dem Zeitpunkt war ich noch relativ cool, die Schwangerschaft noch nicht sehr weit fortgeschritten. Ist er mich blöd angegangen, habe ich manchmal gekontert, es manchmal ziehen lassen. Interessanterweise konnten seine Vorgesetzten das nicht mehr ab und er wurde von der Aufgabe enthoben. Es ist das erste Mal, dass ich als Softwareentwicklerin erlebt habe, dass ein Kunde wegen seines Verhaltens versetzt wird und nicht das Opfer. Guter Move.
Irgendwann war ich aber durch die steigende körperliche und mentale Belastung nicht mehr ganz so cool. Und da fielen mir dann die Blicke von Menschen zunehmend auf. Oftmals kann man die ja nicht wirklich zuordnen. Es muss nicht wegen der Schwangerschaft sein, dachte ich mir dann. Aber andere Male war es so offensichtlich. Vor Allem, wenn der Blick zum Bauch geht. Von Frauen und selten von Männern kommt dann mal ein Lächeln. Vielleicht weil es auf eine Verbindung hindeutet. Ein Lächeln das sagt: „ja so war das bei uns damals ja auch“. Wenn aber kein Lächeln kommt (was auch ok ist), stellt sich trotzdem manchmal ein Kopfkino ein. Bei Frauen frage ich mich manchmal, ob ich sie an ein traumatisches Erlebnis erinnere oder einen geplatzten Kinderwunsch. Es ist tatsächlich wie in diesem Beitrag im Psyche Magazin: Moving through the world pregnant, my body became everyone’s. Hast du irgendwas, das dir andere ansehen können, dann gehört dein Körper plötzlich nicht mehr dir. Gefühlt.
6. Du musst dich schonen, aber du musst auch alles machen!
Das Thema Schwangerschaft und Arbeit hat viele Menschen polarisiert. Sahen Nachbarn oder Bekannte, dass ich schwanger bin, kam früher oder später der Satz „Wie? Und du arbeitest noch?“ Manchmal begleitet von Sätzen wie „Heutzutage lassen sich Schwangere doch sofort krank schreiben“ oder „ich kenne gar keine arbeitenden Schwangeren“. Ich entwickelte immer mehr den Eindruck, dass Schwangere als faul und nicht vollwertiger Teil der Gesellschaft angesehen werden. Oder dass ich etwas fundamentales übersehen habe – lag da irgendwo eine Krankschreibung rum, die ich beim letzten Arztbesuch vergessen habe mitzunehmen? Aber gerade durch alles was ich oben geschildert habe, sollte doch klar sein, dass Schwangerschaft ein besonderer und besonders schützenswerter Zustand ist. Haben wir alle vergessen, dass schwanger sein nicht einfach ist? Es ist kein Wunder, dass wir von Geburtenrückgang reden und Überalterung der Gesellschaft, wenn die Gesellschaft so mit Schwangeren umgeht.
Was ich aber noch herber fand war schwanger zu arbeiten. Klar: am Anfang hat mich das nicht gejuckt. Es gab außerdem sehr viele Arbeitskollegen, die absolut rücksichtsvoll waren. Mein Arbeitgeber ist allgemein gut aufgestellt in Belangen wie Mutterschutz melden und andere Formalitäten. Kann sich das heute noch irgendwer leisten da planlos zu sein? Besser nicht. Hat man aber nun wie ich mehrere Aufgaben (Führungskraft & „praktizierende Softwareentwicklerin“), dann sieht die eine Hand mitunter nicht, was die andere macht. Ich musste auf beiden Gebieten meine Nachfolger:innen anlernen bzw. meine Aufgaben übergeben. Natürlich hatte ich den Anspruch an mich selber keine verbrannte Erde zu hinterlassen.
Mit zunehmender körperlicher Belastung, zunehmender Anzahl an Vorsorge-Arztterminen, näher rückendem Beginn des Mutterschutzes schienen mich aber immer mehr Aufgaben zu finden. Es gab mehrere Male Situationen in denen ich gefragt wurde „Na wie geht’s?“ und ich sagte „Ja zu viel Stress“. Darauf folgte meist ein Nicken und der gut gemeinte Satz „Ja, du musst dich schonen! Aber bevor du in den Mutterschutz gehst, musst du auch noch dieses und jenes tun.“ Ich dachte ich hatte in meinem Leben viele harte Phasen. Aber das war die härteste Zeit meines Lebens. Sie war es absolut wert durchzustehen. Aber sie hätte nicht so hart sein dürfen. Vor Allem ohne dass es wirklich bemerkt wird.

7. Die medizinische Absicherung sichert ab. So weit das geht.
Das ist nicht ironisch gemeint. Es ist großartig wie das in Deutschland funktioniert. Alles wurde getrackt, ich hatte sofort einen Fahrplan für die kommende Behandlung, konnte x Zusatzleistungen in Anspruch nehmen, es gab Kliniken, die ich besichtigen konnte. Wir wurden mit Informationen überhäuft und aufgeklärt. Es gibt Kurse und Hebammenpraxen. Aber es ist trotzdem herb. Was mich zuerst traf war keine Medikamente nehmen zu dürfen, da aus ethischen Gründen keine Erkenntnisse zur Auswirkung auf das Kind vorliegen. Man kann auf embryotox.de nachschauen, falls man doch mal auf Medikamente angewiesen ist. Ansonsten heißt es „irgendwie durchkommen“. Das andere, was mir zu schaffen gemacht hat, war die schiere Anzahl an Terminen. Die war für mich v.A. mit steigender körperlicher Belastung wie ein zusätzliches Gewicht auf meinen Schultern, das man aus Vernunftgründen natürlich wahrnimmt, das aber trotzdem wiegt.
Regelrecht bitter war, was ich spätestens von schwangeren Arbeitskolleginnen wusste oder aus dem großartigen Buch Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez: Es ist einfach sehr wenig über den weiblichen Körper bekannt. So kurios es klingt. Frauen sind ja nicht plötzlich vor zwei Jahren auf dem Globus aufgetaucht. Wegen starker Rückenschmerzen sollte ich eine Behandlung in der Physiotherapie verschrieben bekommen und ich fragte „Darf ich das denn bekommen? Ist das nicht ein Risiko für das Kind?“ und der Arzt sagte mir direkt ins Gesicht, dass er das nicht weiß. Ich lehnte ab. Wenn nochmal ein Mann belächelt, wenn ich über das Buch Unsichtbare Frauen spreche und meint, dass das ja alles Quatsch und Rumgeweine sei, raste ich wahrscheinlich aus.
Die Carolin Kebekus Show, Youtube
8. Die Widersprüchlichkeit des Ganzen
Setzt man sich dann mit all dem auseinander gibt es eine große Schnittmenge an Dingen, die Fakt sind und die man überall so liest. Zum Beispiel: „Iss nur durchgegarte Lebensmittel.“ Tschüß Salami-Pizza und Sushi. Aber es gibt so vieles bei dem Meinungen herrschen und je nachdem wo man hinguckt, sind die eben anders oder weichen ab. Man kann sich in Holy Wars verstricken („Und in welcher Klinik entbindest du? Oh, warum denn da und nicht dort???“) und manchmal ganz schön ratlos dastehen.
Ratlosigkeit trotz Aufklärung auf allen Seiten war eins meiner vorherrschenden Gefühle in der Schwangerschaft. Da stehst du da mit einem Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes, erfährst es am Telefon vor dem Supermarkt. Kommst nach Hause, googelst und weißt, dass du deinen gerade getätigten Einkauf eigentlich direkt wegschmeißen kannst. Der Verdacht hat sich nicht bestätigt, aber das Wochenende voller Unsicherheit gab es gratis. Natürlich finde ich es besser, dass alles untersucht wird. Aber es kommt alles mit Fußnoten.
9. Geschlechterrollen und Schwangerschaft
In der Schwangerschaft wurde mir in vielen Situationen auf bittere Weise klar, dass es immer Geschlechterunterschiede und die damit einhergehende Unfairness geben wird. Das beginnt damit, dass ich natürlich Zeit brauche um mich von der Schwangerschaft zu erholen, länger in Elternzeit gehe, länger weniger verdiene, etc.
Aber auch weniger materielle Fakten schlugen mir wortwörtlich ins Gesicht. Beispielsweise als während einer Bahnreise natürlich Züge ausfielen und sich alle Passagiere in einen eh schon überfüllten anderen Zug quetschten, der tatsächlich(!) meine letzte Chance war(!!) an dem Tag noch am Ziel anzukommen(!!!) Beim Einsteigen wurde gedrängelt und geschubst, im Zug auch. Ich war noch nicht sehr fortgeschritten schwanger, man sah es nur, wenn man genau hinschaute. Vielleicht war es Blödsinn, aber ich hatte plötzlich Angst um mein Baby und legte meine Arme um meinen Bauch, damit ich keinen Koffer oder Ellbogen abbekomme. Nur Frauen verstanden die Geste. Während der ständig fluktuierenden Besetzung des Zuges boten mir mehrmals Frauen einen Sitzplatz an. Das heißt natürlich nicht, dass ich nie Hilfe bekam. Aber wenn, dann eben von meinem Mann oder befreundeten Männern und Arbeitskollegen.
Für Frauen bzw. Gebärfähige wird es immer einen Unterschied geben. An Gleichberechtigung glaube ich nicht mehr. Was ich aber auch durch langjährige Auseinandersetzung mit Diversity und Inklusion gelernt habe: das ist auch nicht das Ziel. Man muss die Unterschiede zwischen Menschen und ihren Lebenssituationen anerkennen und entsprechend handeln. Alle gleich zu behandeln, kann nicht funktionieren. Deswegen gibt es Vorzugssitze für Schwangere – jedenfalls irgendwo. Ich wünsche mir, dass das mehr gelebt wird. Dass Menschen die Unterschiede verstehen.
Auch eine Erkenntnis über Geschlechterrollen: Ich fand es unfassbar schön zu sehen wie mein Mann in der Rolle des künftigen Papas aufgeht. ♥️ Die schönen Dinge sind manchmal schneller gesagt als die weniger schönen.
10. Der Horror des Wartens
Obwohl ich zu Beginn der Schwangerschaft noch ganz cool war, hatte ich am Ende etwas zu nagen. Warten auf Wehen ist kein schönes Warten. Aber welches Warten ist das schon? Auch nicht das auf Testergebnisse. Lange Spaziergänge hab ich gemacht, um es zu beschleunigen. Möhren-Ingwer-Suppe gekocht. Fragen wie „Sollte das Kind nicht schon da sein?“ Oder ausbleibende Fragen ärgerten mich. Man hätte es mir nicht recht machen können, deshalb: no offense, wenn auch du mich gefragt/nicht gefragt hast. Ich habe es vorher nicht geglaubt, aber ja, Warten ist sche**e,
Wow. Mein längster Beitrag seit Langem. Aber es brannte mir unter den Nägeln. Denn … es passiert viel mit Schwangeren. Und es wird sehr wenig darüber geredet, gerade so als ob Schwangerschaft ein Tabu-Thema geworden ist oder ein reines Frauenthema. Was beides nicht korrekt ist. Arbeitgeber schmücken sich mit mehr Achtsamkeit gegenüber werdenden Eltern, Männer werden ermutigt Elternzeit zu nehmen, wir reden über kognitive Mehrarbeit und Care-Arbeit, über Pension Gap und trotzdem wird so viel beim Thema Schwangerschaft gefremdelt. Trotzdem werden so viele Fehler begangen. Teure Fehler. Warum? Weil man nicht Lust hat über Schwangerschaft zu sprechen? Ja, haben wir denn alle vergessen wo wir herkommen? Die Frage ist wie wir als Gesellschaft damit umgehen wollen.
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