Ich habe mich etwas schwer getan mit dem Artikel hier. Normalerweise plappere ich immer drauf los und kann es kaum erwarten meine Meinung zu irgendeinem Thema wie Filme, Serien, etc. in die Welt hinauszureden. Was meine im März abgeschlossene Masterarbeit betrifft, ist das etwas anders. Das ist eher so der Fall: ich möchte nicht darüber reden. So eine Masterarbeit ist, sofern man nicht promovieren will, ja DAS Ding. Manch einer freut sich nicht drauf, aber wenn die Hürde dann geschafft ist und man den M.Sc. (oder andere) in der Tasche hat, ist die Freude groß. Ich habe mich eigentlich drauf gefreut – gegen Ende war es dann aber ein ziemlicher Kraft- und Geduldsakt, bei dem ich SO kurz davor war durchzudrehen und die Fassung zu verlieren. Ich war mir nicht sicher, ob es möglich ist diesen Artikel zu schreiben ohne zu nörgeln, zu jammern und einen ellenlangen Text zu schreiben. Und bin mir sicher: es geht nicht. Jetzt habe ich mir ein Herz gefasst und er ist da: Ein Erfahrungsbericht. (Ich versuche auf zuviel IT-Geschwafel zu verzichten und aus Gründen der Privatsphäre verzichte ich auch auf Namen.)
Der Masterarbeitsprozess in der Informatik … und die geheimen hochschulinternen Regeln und Ratschläge
Das bezieht sich natürlich nur auf meine kleine Uni und kann überall anders sein. Bei uns läuft es prinzipiell so, dass wir laut Prüfungs- und Studienordnung (PO/SO) nach der Anmeldung 6 Monate Zeit haben, um die Masterarbeit fertigzustellen. Das heißt in unserem Fall (salopp gesagt): recherchieren, verstehen, lernen wie es geht, programmieren, testen, programmieren, testen, was anderes ausprobieren, testen, programmieren, und dann die Ergebnisse aufschreiben. 😉 Es gibt also den praktischen Teil – die Programmierung bzw. die Experimente, den theoretischen Teil – das Aufschreiben der Ergebnisse („die geschriebene Masterarbeit“) und dann findet nach der Abgabe ein sogenanntes Kolloquium statt, meistens in Form einer Verteidigung. Die besteht in den meisten Fällen aus einem Vortrag über die Arbeit mit anschließenden Fragen der Betreuer. Als Orientierung: viel mehr Zeit als einen Monat für den schriftlichen Teil nimmt man sich bei uns kaum. Den Rest der Zeit wird recherchiert und vor Allem: programmiert. So war es auch bei mir. Zur Seite stehen uns bei dem Prozess zwei Betreuer. Ein Erstkorrektor (meistens ein Professor) und ein Zweitkorrektor (meistens ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts). Letzterer setzt sich meistens mit einem auseinander, gibt Ratschläge über die Vorgehensweise oder macht sich mal einen Kopf, wenn es ernsthafte Probleme gibt – oder tritt einem in manchen Fällen in den Arsch, wenn es nicht vorangeht.
Ich habe das „programmieren, testen, programmieren, …“ deswegen so hervorgehoben, weil ja jeder mit seiner Masterarbeit beweisen soll, dass er oder sie in der Lage ist ein Thema wissenschaftlich zu bearbeiten. Idealerweise sollte das Thema also noch nicht ausgelutscht sein, Anspruch und Relevanz haben und nicht-trivial sein. Heißt: wenn man es mit einem Fingerschnipsen lösen kann, ist es kein Stoff für eine wissenschaftliche Arbeit. Das führt oft dazu, dass man sich erstmal Wissen für seine Arbeit aneignen muss – klar, kennt ihr alle. Recherche. 😉 Wenn man aber nun ein neues / bisher wenig bekanntes Verfahren programmiert, kann man sich schon manchmal in die Nesseln setzen und muss vielleicht was anderes ausprobieren. Programmieren ist wie Experimente im Labor zeitaufwendig. Deswegen wird schon gerne mal an unserer Uni empfohlen, statt den in der PO/SO angegeben 6 Monate stattdessen ein Jahr einzuplanen. Man umgeht die 6-Monats-Frist einfach, indem man die Arbeit später offiziell anmeldet. Erst ab da läuft die Zeit. So kenne ich Leute, die 6 Monate, aber auch welche die 2 Jahre an ihrer Abschlussarbeiten saßen. Viele Leute aus anderen Studienrichtungen sagen immer, dass das ein Unding ist und dass es das bei denen nicht geben würde – entgegen meiner Vermutung, dass das eigentlich überall so läuft. Wäre das an eurer Uni undenkbar? Oder gibt es auch solche inoffiziellen Vorgaben? (Ob ich 6 oder 12 Monate geschrieben habe, lasse ich mal offen.)
Ein großes Unglück wäre es ja nun, wenn man ein Thema bearbeitet und feststellt, dass die Aufgabe nicht machbar ist. Alternativ: dass die These die man untersuchen soll fehlschlägt oder dass das Verfahren, was man implementieren soll nicht die erhofften guten Ergebnisse produziert. Das muss nicht der Untergang der Welt sein – auch wenn man feststellt, dass etwas nicht wie erwartet funktioniert, ist das ein Ergebnis. Sogar eins, was später mal jemandem weiterhelfen kann. Auch wenn man das Bernsteinzimmer nicht gefunden hat, was zählt ist: hat man wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse? Ein größeres Unglück ist aber, wenn man mit dem Betreuer nicht genau festlegt, was gemacht werden soll und was nicht. Grenzen ziehen. Ansonsten soll plötzlich noch dies und das gemacht werden, wovon man anfangs gar nichts wusste. Dazu ist es bei uns eine weitere inoffizielle Regel, dass ein Proposal/eine Aufgabenstellung angefertigt wird. Ein Dokument in dem die Bestandteile genau abgegrenzt werden.
Meine Masterarbeit
Ich habe meine Masterarbeit auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz geschrieben, da ich das unendlich faszinierend finde. Schon während meiner Bachelorarbeit hatte ich damit Kontakt. Also habe ich bei einem Institut meiner Uni nachgefragt. Es hat zwar stolze 3 Monate gedauert, bis ich ein Thema vorgeschlagen bekam, aber dann war es da und ich empfand es als sehr spannend. Ich sollte ein neues Verfahren selber implementieren, also keinen Quelltext aus fertigen oder gar kommerziellen Paketen nutzen (außer Standardfunktionen versteht sich). Das Verfahren sollte ich dann anhand von verschiedenen Experimenten testen – also: wieviel bekommt meine kleine KI hin? Programmieren sollte ich mit der Software bzw. Programmiersprache Matlab. Matlab musste ich erstmal lernen, die kannte ich nur rudimentär. Aber bloß gut: vieles ist ja sehr sehr ähnlich. Also: kein Ding. Außerdem sollte es meine Aufgabe sein eine Anwendung in Verbindung mit einem bestimmten Gerät zu schreiben. Zur Seite stand mir als Betreuerin eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die ich vorher nicht kannte. Und als Erstkorrektor der Professor, bei dem ich schon eine ganze Menge Module gehört habe.
Startschwierigkeiten
Da ich dieses Verfahren nicht kannte, habe ich also erstmal Grundlagenrecherche gemacht. Und da habe ich schon manchmal ungläubig auf die Paper gestarrt. Das soll ich programmieren? Es sah für mich unheimlich schwer aus. Die Mathematik dahinter wirkte hart. Und ich hatte wirklich viel Mathematik im Studium und bin nicht mehr so leicht zu erschrecken. Es hat mich anfänglich auch geärgert, dass ich scheinbar nur englische Paper habe, die sehr theoretisch, trocken und wissenschaftlich geschrieben sind und wichtige Informationen hinter Formelbergen verstecken. Für mich nützliche deutsche Paper gab es im Prinzip … keine. Das wäre ja auch Luxus gewesen 😉 Aber ich hatte ja im Laufe meines Studiums gelernt, dass ich viel schaffen kann, wenn ich mich dahinterklemme. Nach 2 Monaten Grundlagen-Recherche (mit Pausen) und Matlab lernen, erfuhr ich dann, dass meine Aufgabenstellung geändert werden muss, weil sie nicht machbar sein würde. Es bliebe dabei, dass ich mich mit diesem Verfahren auseinandersetze und das programmiere, einige Experimente dazu mache. Aber den ursprünglich geplanten Rest, die Anwendung in Verbindung mit einem bestimmten Gerät: nein. Das wäre nicht machbar. Am Anfang war ich zwar etwas schockiert, weil damit ein Teil meiner Recherche sinnlos geworden war. Insgesamt war ich doch aber froh, dass meine Betreuer das noch rechtzeitig gemerkt haben. Das Problem war nur: es blieb weiterhin eine Unbekannte, ob die anderen Experimente so wie gedacht machbar seien. Und somit war meine Aufgabenstellung noch viele weitere Monate offen und wurde immer nochmal ein kleines bisschen geändert. Der erste Punkt, bei dem ich jedem rate, dass wenn möglich zu vermeiden. Ich stelle auch mal als offene Frage in den Raum, ob das ein schlechtes Zeichen für einen Masterarbeitsprozess ist?
Vorankommen mit Zweifeln
Nachdem ich mich eine Weile mit dem Thema auseinandergesetzt hatte und anfing zu programmieren, kam ich nach und nach immer besser klar. Die Theorie ins Programmierte umzusetzen, hilft mir eigentlich immer sehr beim Verstehen. Es fällt sofort auf, wo die Lücke im Verständnis ist. Man kann was ausprobieren und der Lösung näher kommen. Als ich einmal nicht weiterkam und recherchierte, fand ich aber heraus, dass es bereits ein fertiges Framework in zwei meiner ernannten Lieblingsprogrammiersprachen gab (JAVA und Python). Nicht in Matlab, was ich mir gerade erst angeeignet hatte. Die beiden anderen wären viel sinnvoller für die Praxis in der Industrie und ich hätte gerne meine Kenntnisse etwas gepflegt, statt mich mit Matlab auseinanderzusetzen. Matlab spielt eher im universitären und wissenschaftlichen Umfeld eine Rolle und wird in der Industrie wenig gefragt. Dass ich aber mal in der Forschung lande, ist nicht so selbstverständlich – die Stellen liegen nicht einfach auf der Straße rum. Meine Betreuer schienen es nicht zu wissen, dass es diese fertigen Pakete gibt. Wollten aber auch nicht, dass ich davon Gebrauch mache, weil ansonsten eventuell der Arbeitsaufwand nicht mehr hoch genug wäre. Auch da habe ich noch das positive gesehen: immerhin war damit mein bisher programmiertes nicht nutzlos. Die Zeit verging, ich wurde sicherer im Umgang mit dem Verfahren, kannte mich mitlerweile ganz gut aus, die Ergebniss der KI waren durchwachsen. Jetzt fing das Fein-Tuning an. Schauen wie man die KI besser trainiert.
Kommunikationsschwierigkeiten?
Wenns brenzlig wird und man nicht mehr weiter weiß, hilft der Betreuer. Natürlich wird nichts „vorgesagt“, aber meistens werden Ratschläge gegeben. Oftmals ist es ja auch so, dass der Betreuer das Thema selbst nicht wie seine Westentasche kennt und auf Erfahrung basierende Ratschläge gibt. Bei meiner Betreuerin hatte ich wenige Bedenken. Es hieß von Anfang an, dass sie Erfahrung mit meinem Thema hat und mir da helfen kann. Ich habe sie als einen netten, aufgeweckten Menschen kennengelernt. Sie stammt aus Asien, war aber schon eine Weile in Deutschland und hat so gut Deutsch gesprochen, dass ich vermutet hätte, dass sie schon immer hier lebt. Nach und nach gab es immer mal Situationen, in denen sie schwierige mathematische Zusammenhänge nicht so gut auf deutsch formulieren kann. Ins Englische überzugehen war für mich kein Problem. Was mir enorm imponiert hat, war ihre Ansage, dass wir uns regelmäßig und sehr oft treffen und das Projekt besprechen würden. Außerdem hat sie von Anfang an gesagt, sie würde meinen Quelltext später mal checken und sehen, ob ich das Verfahren richtig umgesetzt habe. Ansonsten wäre ja auch alles für die Katz‘. Eigentlich ist es unüblich, dass ein Betreuer sich den Quelltext anschaut. Der allgemeine Konsens ist der, dass man ja schließlich Informatik studiert hat und da hat der Quelltext zu stimmen. Wenn aber der Betreuer das von sich aus anbietet … naja, dann kann ich ja auf Nummer sicher gehen und weiß dann, dass mein Quelltext in Ordnung ist, dachte ich. Warum nicht? Ich war also guter Dinge.
Rückblickend muss ich aber leider feststellen, dass ich doch ein derbes Kommunikationsproblem mit meiner Betreuerin hatte. Sie hat mir anfangs sehr geholfen und erklärt und hat sich wirklich sehr oft mit mir getroffen. Im 2-Wochen-Rhythmus kann man ungefähr sagen, wenn nicht sogar alle 10 Tage. Sie hat sich auch zwischendurch mal mit mir hingesetzt und den Quelltext angeschaut und tatsächlich ganz zu Anfang entdeckt, dass ich einen Denkfehler hatte und dementsprechend etwas falsch programmiert hatte. Dennoch waren diese sinnvollen Termine ein relativ geringer Teil. Oftmals trafen wir uns, weil sie „mal schauen wollte, ob ich das Verfahren verstanden habe“ und sie hat eine Art Vortrag vorbereitet. Das war meistens eine Wiederholung der Grundlagen. Ich habe oftmals nicht verstanden, warum wir das jetzt zum 10. Mal durchkauen und interpretierte das so, dass sie dein Eindruck haben muss, dass ich das noch nicht verstanden hätte. Als ich mich im Umgang mit dem Verfahren sicher fühlte, habe ich sie dann meistens unterbrochen.
Auf die Fragen, die mich aktuell beschäftigten, konnte sie manchmal reagieren. Meistens stellte sie Vermutungen an, die zu Aufgaben für mich wurden. Die brachten in etwa 85% der Fälle nichts. Einige Male überging sie meine Fragen und begann von etwas ganz anderem zu reden. Auch wenn ich nochmal nachfragte, wurde das oft übergangen. Wenn ich nachfragte, ob wir ins englische wechseln sollen ebenfalls. Ich wusste lange Zeit nicht, ob sie mich jetzt einfach nicht versteht oder ob sie keinen Ratschlag weiß. Ich bin der letzte Mensch, der jemanden kritisiert, der mich nicht versteht und dessen Muttersprache nun mal einfach nicht deutsch ist. Im Gegenteil: ich finde es ist eine große Leistung wenn man in ein fremdes Land geht, sich die Sprache aneignet und dort arbeitet. Aber man muss es mir sagen, wenn es Probleme gibt und dann kann ein Weg gefunden werden. Außerdem schien sie trotz der ganzen Termine nicht genau zu wissen, was mein aktueller Stand ist oder was sie mir zuletzt für Aufgaben gegeben hat. Da sie sich nie Notizen gemacht hat, habe ich das schon sehr früh geahnt. So bekam ich auch leider dieselben Hinweise und Ratschläge sehr oft, obwohl ich das schon ausprobiert hatte. Anfangs waren die Termine mit ihr sehr sinnvoll. Später nicht mehr, insbesondere durch ihren Hang immer wieder die Grundlagen erklären zu wollen, die aktuellen Fragestellungen aber zu ignorieren. So waren rückblickend nur ca. ein Dreiviertel der Termine für mich nützlich. Irgendwann habe ich mir dann auch keine Mühe mehr gegeben, frühstmöglich Zeit für die Termine einzuräumen.
Feindseligkeit
Etwa zum Jahreswechsel gab es auch einen allgemeinen Stimmungswechsel. Bis dahin bin ich mit meiner Betreuerin trotz der Kommunikationsprobleme gut klargekommen. Kurz vor Silvester habe ich dann zur Verbesserung der Ergebnisse vieles ausprobiert und mir einen Kopf gemacht. Eigentlich dachte ich, dass das gut ankommen würde. Stattdessen hat meine Betreuerin an vielen meiner Handlungen und Ideen Anstoß genommen. Das lag wohl daran, dass eine der Ideen gegen eine wichtige mathematische Voraussetzung verstößt. Das ist mir klar – aber deswegen muss ja der Rest nicht falsch sein.
In einem Termin mit ihr und dem Professor sagte sie mehrmals, dass sie denkt, dass die Verbesserungen nicht gut sind und ich stattdessen Fehler in meiner Denkweise und meinem Quelltext hätte. Ich bekam wieder einen Stapel an Dingen, die ich ausprobieren soll, von denen ich mir wenig versprach. (Hat auch nichts gebracht.) In der Zeit würde sie meinen Quelltext anschauen und „meinen Fehler suchen“. Das ärgert mich noch heute. Damals saß ich bereits so lang an dem Quelltext, dass ich das Gefühl hatte den auswendig zu können. Ich hätte im Traum nicht erahnen können, wo dort ein Fehler sein soll. Sie gab sich zwei Wochen, um den 1. Quelltext anzuschauen. Verschob um eine dritte und mailte mir dann „Ich habe deinen Fehler gefunden“. Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und mich gefragt, wie dämlich ich bin und wo ich was falsch gemacht haben soll? Die Ergebnisse sind mitlerweile so gut, wo soll da ein Fehler sein? Ich ging zum Termin mit der Stimmung eines am Boden zerstörten Häufchen Elends. Sie sagt noch ein paar Mal, dass sie meinen Fehler gefunden hätte und gab mir eine Liste von Parametern, die ich ändern soll und dann würde es klappen. Ich hörte mir die Anweisungen an, habe sie nur angeschaut und dachte mein Schwein pfeift. Alles was sie mir sagte, hatte ich bereits programmiert. Ergo: sie hatte den Quelltext gar nicht angeschaut oder nur halbherzig. Als ich ihr das sagte und sie darauf ansprach, dass die Formulierung „Ich habe deinen Fehler gefunden“ ja dann nicht stimmt, wurde nichts entgegnet außer „ich schaue den Quelltext nochmal genauer an“. Das ging so mehrere Male. Und da war nie ein Fehler. Vielleicht mal ein Schönheitsfehler in der Programmierung. Irgendwo radikal gerundet, eine Variante mit zu hoher Laufzeit statt einer schlankeren Lösung gewählt – sowas eben. Aber nie ein Fehler in meiner Denkweise. Einmal bekam ich die Hiobsbotschaft „das alles falsch sei“, weil sie einen alten Quelltext geöffnet hatte, statt des aktuellen.
Außerdem wurde ich persönlich kritisiert. Das geschah in keinem zu scharfen Ton wie in den oben beschriebenen Situationen, aber die Botschaft die da mitschwang, gefiel mir nicht. Mal ein Beispiel. Gegen Ende der Bearbeitungszeit wurde ich dafür kritisiert, dass ich zu schnell fertig werden will und warum ich nicht noch mehr Zeit ranhänge. Ich entgegnete, dass ich im Prinzip fertig sei und meiner Aufgabenstellung nachgekommen bin. Es ist nicht Sinn und Zweck der Sache noch dies und das auszuprobieren, wenn die Ergebnisse schon gut sind und keine weiteren Verbesserungen zu erwarten. Außerdem hätte ich schon demnächst Vorstellungsgespräche. Darauf bekam ich die Antwort „deine Karriere kannst du später planen“.
Nicht immer, aber einige Male war der Ton eher rau. Zum Schluss habe ich es vermieden mich mit ihr zu treffen und wir haben uns nur noch gemailt. Meine Drucktermine habe ich zweimal verschoben, weil sie noch meine anderen Quelltexte durchschauen wollte. Gab es dort Änderungen, habe ich die vorgenommen und musste den schriftlichen Teil natürlich auch ändern. Als ich ihr meinen nächsten Drucktermin mitteilte, schrieb sie mir, dass ich erst drucken darf, wenn sie alles durchgeschaut hat. Da das alles kurz vor knapp passierte und ich nervös wurde, spielte ich mit dem Gedanken ihr gar nichts mehr zu schicken, einfach drucken zu lassen und abzugeben. Was ich anfangs als nützlich, in meinem Sinne und akkurat erachtete wurde mein Fluch: die vielen Termine und ihre Bereitschaft meinen Quelltext anzuschauen. Sie hat Lunte gerochen, dass ich den Sack zumachen will und mich beim Professor verpetzt. Von dem bekam ich dann eine Email in der er den Einsatz meiner Betreuerin lobte und dass ich mich dementsprechend verhalten soll. Ab da hatte ich viele wütende Beschwerde-Mails getippt, die ich allesamt nicht abgeschickt habe. Wollte ich wie der verzweifelte Student klingen? Anders klingt das nämlich nicht, egal wie sachlich man sein will. Selbst mein Beitrag hier könnte für viele eine einseitige Farce sein – was mich lange davon abgehalten hat, den Artikel zu schreiben.
Die Verteidigung
Irgendwann habe ich dann meine Arbeit gedruckt, war erledigt und wütend. Ich war mir sicher, dass meine Betreuerin auch wütend ist. Aber dafür, dass sie meine Quelltexte erst so kurz vor knapp durchgearbeitet hat, kann ich nichts. Auch dafür nicht, dass sie scheinbar bis in die Abends- und Nachtstunden daran gesessen hat. Prinzipiell müsste sie das gar nicht und ich habe sie nicht darum gebeten. Die vielen Termine und ihre Bereitschaft die Quelltexte anzuschauen vermutete ich anfangs als Segen, waren aber eher das Gegenteil. Ich habe mit ihr keine Aussprache gesucht, weil sie früher schon dazu neigte unangenehme Fragen von mir einfach zu übergehen. Nach meiner Verteidigung wurde mir in der Auswertung vom Professor mitgeteilt, dass meine Masterarbeit wahrscheinlich die am sorgsamsten betreuteste gewesen wäre, die es jemals am Lehrstuhl gegeben hat. Er muss mich für ein kaltes Miststück halten, dass ich ihr keinen Blumenstrauß mitgebracht habe. Fakt ist aber: wir hatten quantitativ viele Termine, von denen nur ein Bruchteil qualitativ sinnvoll war. Insbesondere bei dem immer wiederkehrenden und oftmals unsinnigen „Ich habe deinen Fehler gefunden“ sprachen meine Freunde von „Schikane“. Ich habe mich eher ausgeliefert gefühlt. Denn ich war mir sicher, dass wenn ich mich beschwere, würde nichts besser werden. Zur Krönung habe ich dann noch erfahren, dass der Prof. von der „sorgsamen Betreuung“ wusste, weil meine Betreuerin mit ihm über die Häufigkeit der Termine und ihre Betreuungsschritte Rücksprache gehalten hat. Wahrscheinlich ging jede „Ich habe deinen Fehler gefunden“-Mail in der Blind Copy an ihn. Und für ihn sah es wohl so aus, als ob ich eine Null bin, oder was? Naja. Ganz so schlimm war es scheinbar nicht. Meine Ergebnisse waren gut. Meine kleine KI lag im besten Experiment in 97% der Fälle richtig. Das ist richtig gut. Kritisiert wurde, dass mein schriftlicher Teil mathematisch tiefer hätte gehen können und meine Herangehensweise einige Makel aufweist. Eine 2 vor dem Komma ist es geworden. Für die ganze Arbeit. Ich meckere nicht darüber, aber stolz bin ich auch nicht.
Viele Gedanken
Meine Uni habe ich sehr geliebt, die Menschen und die Lehre habe ich sehr geschätzt. Ich war eigentlich sehr zufrieden mit meiner Uni. Auch das Masterarbeitsthema erschien mir anfangs wie ein Gewinn. Aber gegen Ende der Arbeit war alles nur noch bitter und ein Krampf. Ich bin mir nicht sicher wie ich meinen jahrelangen Stolz auf meine Uni mit meinen Erlebnissen aus dem Masterarbeitsprozess vereinbaren und einordnen soll. Es lief neben dem was ich hier aufgeschrieben habe, auch noch etliches anderes schief. Der Druck klappte im ersten Anlauf nicht, mein Deckblatt enthielt Tippfehler (wir bekommen das fein säuberlich in der Uni angefertigt) usw. das würde die Geschichte aber nur noch länger machen. Oftmals vergleiche ich das mit der Betreuung meiner Bachelorarbeit – das lief reibungslos. Es gab mal ein Diskussionsthema, das lief aber ohne große Konflikte. Oftmals denke ich wieder darüber nach und frage mich, ab wann es eigentlich angefangen hat schief zu laufen und wie groß mein Anteil an der Misere war. Dabei behaupte ich gar nicht, dass ich nichts falsch gemacht habe. Zu Konflikten gehören meistens 2 Parteien. Ich denke aber, dass ich wenig hätte ändern können und es menschlich nicht gut passte. Meine Betreuerin hatte wohl eine andere Wahrnehmung der Dinge als ich. Aus ihrer Sicht hat sie wahrscheinlich v.A. gesehen, dass sie viel Zeit investiert hat und ihre Ansagen (viele Termine, Quelltext prüfen) eingehalten hat. Heute denke ich, dass ich vor Allem früher die Aussprache hätte suchen sollen. Undzwar sehr früh. Am besten, als ich das erste Mal den Eindruck hatte, dass wir Kommunikationsprobleme haben und Fragen oder Hinweise von mir übergangen werden. Ich dachte, dass die Aussprache auch ignoriert und überhört werden würde, empfand das als unangenehm und wollte dem aus dem Weg gehen – das war ein Fehler.
Daher sind meine wesentlichen Ratschläge
- Aufgabenstellung – plant penibel genau mit eurem Betreuer was gemacht werden muss und was nicht
- Zeitlichen Rahmen – penibel genau Deadlines planen und von Anfang an setzen
- bei Problemen mit dem Betreuer – die Aussprache suchen (auch wenn, wie in meinem Fall, die Uni im schlimmsten Fall für einen Wechsel des Betreuers mit entsprechenden Kenntnissen vielleicht sogar zu klein ist)
- (andere Thema, aber wie schon zuvor rate ich auch gerne zur Verwendung von LaTeX)
Schreibt ihr gerade eine Abschlussarbeit oder habt das noch vor euch? Wie hättet ihr euch in meiner Situation verhalten? Hattet ihr ähnliche Erlebnisse? Oder lief es bei euch, wie auch damals bei meiner Bachelorarbeit, eher reibungslos? Was für Ratschläge habt ihr für Leute die gerade eine Abschlussarbeit schreiben? Und wie ist eure allgemeine Meinung zu solchen eher privaten „Krisen-Artikeln“?
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