Inhalt
Wir schreiben das Jahr 2029. Cyborgs sind längst keine Zukunftsvision mehr, sondern selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Das Ersetzen einzelner (oder nahezu aller) Körperteile gegen künstliche ist normal geworden, selbst das was Gehirn betrifft. Das sogenannte Cyberbrains ist ausgestattet mit einem mentalen Interface, das erlaubt jederzeit mit dem Internet, bestimmten Netzwerken oder anderen Cyborgs zu kommunizieren. Wo früher noch über Seele sinniert wurde, spricht man zunehmend von dem Ghost (Bewusstsein) in der Shell (Hülle). Die zunehmende Cyberization und Körperaufbereitung hat allerdings ihre Schattenseiten: eine neue Größenordnung an Verbrechen.
Der Puppetmaster ist ein genialer Hacker, der normale Menschen missbraucht, um für ihn Verbrechen zu begehen. Er übergeht die Sicherheitsbarrieren von Cyberbrains und manipuliert Erinnerungen und Bewusstsein von Personen. In einer so computerisierten Welt eine nahezu jeden betreffende Bedrohung. Solcher Fälle nimmt sich die Sektion 9 an. Diese Sondereinheit der Regierung besteht aus Polizisten, Exkriegsveteranen und einsatzerprobten Agenten rund um die Einsatzleiterin Major Motoko Kusanagi. Motoko hat selbst in früher Kindheit in Folge eines Unfalls eine full cyberization über sich ergehen lassen und besitzt somit einen vollständig künstlichen Körper (s. Bild oben). Da sie stets ihre eigene Existenz und das Vorhandensein ihres früheren menschlichen Bewusstseins in Frage stellt, trifft die Jagd nach dem Puppetmaster bei ihr im wahrsten Sinne des Wortes einen empfindlichen Nerv.
Hintergrund
Ghost in the Shell (GitS) ist ein Anime (jp. Animationsfilm) der in seiner schonungslosen, brutalen, manchmal sehr nackten Darstellungsweise mit philosophischem Unterton ein echter Wegbereiter des Cyberpunk ist. Kybernetik und Computerisierung sind wahrscheinlich nicht das einzige was GitS zum Kult gemacht hat. Viele (insbesondere westliche Kinobesucher) waren überwältigt von der ernsten Erzählweise eines Animationsfilms und bekamen nur schwer in den Kopf, dass Zeichentrick nicht nur Disney-Kuschelfilme sind.
Die eigentliche Geschichte des Ghost in the Shell-Franchise ist dabei ausgesprochen lang.
1989 erschien der erste Ghost in the Shell-Manga von Masamune Shirow, dessen Handlung 1995 in diesem hier vorgestellten Film aufgegriffen wurde. 2004 erhielt dieser tatsächlich ein Sequel (Ghost in the Shell 2: Innocence). Von 2002 bis 2005 wurde außerdem die Anime-Serie Ghost in the Shell: Stand Alone Complex mit 2 Staffeln produziert und fand auf MTV damals auch seinen Weg ins deutsche Fernsehen. Zwischendurch gab es immer mal ein kurzes Wiedersehen mit GitS in Videospielen oder Fernsehfilmen. Jetzt im Jahr 2013 dürfen wir nun Motoko und ihre Sektion 9 wieder begrüßen. Vor kurzem wurde Ghost in the Shell: Arise für den 22.06.2013 angekündigt (Quelle).
Über die Zeit hat GitS sehr viele utopische (fast dystopische) Fragen aufgeworfen. Neben Hackern und Cyberterrorismus (der keine Utopie mehr ist) kreierte GitS Visionen von Cyber-Drogen und der Frage nach der eigenen Identität. Nicht zufällig wurde der Begriff Shell für den kybernetischen Organismus gewählt. Der Name ist der Shell entliehen in der Programmierer Programme ausführen und ein Betriebssystem steuern können ohne Zuckerguss wie GUIs (grafische Benutzeroberfläche). Beispielsweise ist die Windows-Eingabeaufforderung oder das Terminal auf Linux-Betriebssystemen eine Shell. Es steht mit der Bezeichnung Ghost in the Shell die Frage im Raum: Hat ein Programm ein Bewusstsein? Und wie einzigartig ist ein Cyborg? Gibt es eine Seele? Und wo genau sitzt diese, wenn man seinen Körper bis aufs Äußerste austauscht?
Man kann sagen, dass der Gedanke von GitS genausowenig gealtert ist wie Motoko und die anderen Mitglieder der Sektion.
Besonders interessant finde ich den Wechsel zwischen den kalten Zügen der „Hauptdarstellerin“ vom 1995-Film zur Serie 2002. Sie wirkt ein ganzes Stück menschlicher aber die Botschaft läßt nicht nach. Manch einer mag spotten, dass es das Aufrechterhalten einer cash machine ist, wenn man ein Franchise immer wieder weiter ausschmückt und wiederbelebt. Meines Erachtens nach hat der GitS-Gedanke nicht gelitten. Ghost in the Shell (1995) hat Filme wie Matrix inspiriert (über die Bezüge gibts sogar ’ne Kurz-Doku der Wachowskis!) und Technologien auf den Schirm gebracht wie die thermo-optical camouflage. Die Funktion des Cyberbrains jederzeit eine Videokonferenz vor dem „inneren Auge“ abzuhalten, erinnert auch an aktuelle Demonstrationen von Google Glasses.
Meinung
Ghost in the Shell war für mich wie eine Revolution – ich weiß nicht wie alt ich war, als ich den Film sah aber ich war fasziniert.
Die Frage nach Identität und der Existenz von Bewusstsein funktioniert in beide Richtungen: gibt es maschinelles Bewusstsein? Und was passiert mit dem menschlichen Bewusstsein, wenn man eine vollständige cyberization durchmacht wie Motoko? Bleibt man dann noch ein Mensch? Krasser Gegensatz zu dieser These ist ihr künstliches und kaltes Auftreten auch in Bezug auf ihren Kollegen Batou und seine Annäherungsversuche (die beiden sollten mich noch viele TV-Folgen später beschäftigen). Gibt es in so einer Welt Emotionen? Liebe? Verzweiflung? Wut?
Für mich steckt Ghost in the Shell voller unglaublich interessanter Fragen und verschafft mir immer wieder eine Gänsehaut. Die Atmosphäre, Machart und Botschaft von Ghost in the Shell ist noch heute ein visionärer Klassiker!
(Tipp: für ein paar Einblicke mehr das Musikvideo „King of my castle“ von Wamdue Project googeln.)
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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