Japanreise: Tag 3 – die erste Fahrt mit dem Shinkansen und Erkundungstour auf Miyajima

Nachdem wir an unserem zweiten Tag in Tokyo Shibuya und Harajuku erkundet haben, wollten wir bestmöglich den JR Pass ausnutzen und uns etwas weiter entlegende Ziele anschauen. Das bedeutete: Shinkansen fahren! 😀 Unser erstes Ziel lag an die 800km von Tokyo entfernt – die Insel Itsukushima, besser bekannt unter ihrem umgangssprachlichem Namen „Miyajima“.

Eine Shinkansen-Fahrt, die ist lustig

Einfach mal so an einem Tag 800 km zurücklegen? Das geht schon. Wir planten uns Hiroshima und Miyajima anzuschauen, weil beides in unmittelbarer Nähe zueinander liegt. Beides ist im Süden Honshūs, d.h. der großen „Hauptinsel“ Japans. Von Tokyo aus schafft man es mit einem der besonders schnellen Shinkansen in ca. 3-4 Stunden bis dahin. Und leider sind diese Shinkansen (Nozomi und Mizuho) nicht mit dem JR Pass nutzbar. Aber wer ein Fuchs ist, findet eine Lösung. 😉 Nach Hiroshima kommt man auch mit einem Umstieg zwischen anderen Shinkansen-Linien (Hikari und Sakura) und mit einer Fahrzeit von 5-6 Stunden. Das ließen wir uns nach einem Tag, an dem wir von früh bis abends auf den Beinen waren gefallen und planten am ersten Tag Miyajima zu besuchen und in der umliegenden Gemeinde Miyajima-guchi zu übernachten. Ich war angesichts der ersten Fahrt mit dem Shinkansen richtig aufgeregt 😀

Die Dinger sind super. Pünktlich, viel Beinfreiheit, wunderbar sauber und dank der Eigenschaften der Japaner sind alle in den Zügen leise – ein Segen! Es geht jemand durch und verkauft Getränke, Snacks und Bentō und bevor die Angestellen von JR (Japan Railways) das Abteil verlassen, verbeugen sie sich. So kommt ein ganz eigentümliches Shinkansen-Feeling auf. Wenn dann noch japanische Landschaften mit Reisfeldern und Pagoden inmitten der von Klimaanlagen gesäumten Stadtansichten auftauchen, ist der Eindruck komplett. Im Shinkansen hat man das Gefühl einer Auszeit während Fahrten mit der Deutschen Bahn deutlich zu oft in Stress ausarten. Eine Sitzplatzreservierung haben wir uns vorher geholt und die Zeit genutzt um die Landschaften zu bewundern, die an uns vorbeiziehen; zu lesen, flüsternd Eindrücke auszuwerten und unser Bentō zu futtern, das wir uns vorher am Bahnhof gekauft haben. Do it like a Japanese. Sehr lecker! So verging die Zeit recht gut.

Miyajima

Wir fuhren mit dem Shinkansen von Tokyo nach Hiroshima mit einem Umstieg auf der Strecke und anschließend nochmal mit einer Bummelbahn in die Gemeinde Miyajima-guchi, von wo aus man mit einer Fähre von JR (mit JR Pass kostenlos!) nach Miyajima übersetzen kann. Miyajima heißt übrigens soviel wie „Schrein-Insel“ und ist nur ein Spitzname, der darauf abzielt, dass die Insel für ihre Schreine und Tempel bekannt ist. Der eigentliche Name der Insel ist Itsukushima. 🙂 Auch wenn mit dem Namen nicht jeder sofort etwas anzufangen weiß – selbst Nicht-Japanophile kennen sicherlich das Bild des berühmten, im Wasser stehenden großen, roten Torii, welches zum Itsukushima-Schrein auf der Insel gehört. Sowohl Schrein als auch Torii wurden so angelegt, dass sie auf Stelzen stehen und damit bei Flut den Wasserspiegel überragen. Dadurch sieht es so aus, als ob das Torii im Wasser schweben würde. Der Schrein und Blick auf das Torii gelten übrigens als eines der offziellen schönsten Ansichten Japans.

Glücklicherweise sahen wir das Torii noch unverhüllt. Bei der Reseivorbereitung stolperte ich nämlich über die Information, dass es ab Juni renoviert werden würde. Vielleicht anlässlich Olympia und der erwarteten Besucher? Und so schichteten wir bei der Reiseplanung etwas um. Der Schrein befindet sich nicht unweit der Anlegestelle der Fähre, aber ein Stück muss man laufen und kann dabei die Eindrücke Miyajimas genießen. Dort im Süden, so nah am Meer und der Natur herrschte natürlich eine ganz andere Atmosphäre als in Tokyo. Bodenständiger, ruhiger und in unserem Fall heißer. Die Temperaturen waren knackig an dem Tag. 😀 Von der Fähre aus gingen wir am Meer entlang anstatt die Shoppingstraße zu durchqueren, die zum Tempel führt.

Und da war es! Das große Torii! Man sieht es schon von der Fähre aus, wo es (und die fünfstöckige Pagode) rot leuchtet. Und das gefühlt besonders intensiv durch den Kontrast zu dem Grün des Berg Misen im Hintergrund. Bevor man zum Itsukushima-Schrein, den Foto-verrückten Touris und dem großen Torii gelangt, geht man einen Sandweg entlang, der mit steinernen Laternen gesäumt ist. Hach, da kommt ein ganz eigentümliches Gefühl auf, das einem die Ferne und Bräuche Asiens bewusster macht als die Großstädte.

Itsukushima-Schrein

Im Itsukushima-Schrein wird ein kleiner Obulus als Eintritt fällig und da es sich auch hier wieder um einen shintoistischen Schrein handelt, hatten wir wieder die Gelegenheit eine kleine Waschzeremonie abzuhalten. 😉 Über das (wenige) kühle Nass waren wir gar nicht so unglücklich … . Auf dem Gelände war recht viel los. Es waren einige Schulklassen unterwegs, die uns irgendwie ziemlich interessant fanden und auf Englisch begrüßten, obwohl da eine Menge westliche Touris rumliefen. 🙂 Außerdem wurden wir Zeuge einer traditionell-japanischen Hochzeit in edlen Outfits (in denen ich aber bei der Wärme nicht hätte stecken wollen) und eines kurzen Schauspiels! Scheinbar werden die immer mal dort abgehalten und wir hatten gerade den Zeitslot erwischt. Sehr spannend – da kam richtig Stimmung auf! Wobei das mit der Stimmung schon alleine durch die stete Sicht auf das große rote Torii, das Meer und auch durch die vielen roten Balken und Pfähle des Schreins erledigt, die das Licht reflektieren und alles in ein gedämpftes Rot tauchen. Jetzt bekomme ich Fernweh … .

Daishō-in Tempel

Aber das war nicht das einzige, was auf unserem Plan stand. Auf der „Schrein-Insel“ gibt es auch den buddhistischen Tempel Daishō-in, für den man auch ein Stück den Berg Misen hochwandern muss. Der Weg ist dabei gesäumt von lauter kleinen Buddha-Statuen, die niedliche Mützchen tragen. Ich frage mich wie das zustande kam. 😀 Dort im Grün mit weitaus weniger Besuchern als im Itsukushima-Schrein und später bei Weihrauchgeruch am Tempel kam deutlich spirituelle Stimmung auf und man hatte mal Zeit still zu werden und sich zu besinnen.

Übrigens hat das Beten in buddhistischen Tempeln etwas weniger Regeln und Prämissen 😉 Man muss sich nicht waschen und betet bzw wünscht, indem man die Rollen entlang der Treppen bewegt. Tatsächlich hätte ich mir im Daishō-in aber einen Guide gewünscht, denn dort gab es soviele kleine verschlungene Wege, mehrere kleine Schreine und mehrere solcher Treppen mit Rollen, das ich gar nicht so recht wusste, ob wir schon da sind, ob da noch mehr kommt und was davon ist der „Haupt-Schrein“? So oder so war es sehr sehenswert und hatte eine ganz eigene Atmosphäre, die dazu animiert in sich zu gehen, Spiritualität aufzunehmen.

Eindrücke aus Miyajima(-guchi)

Inzwischen wurde es abend und wir machten uns auf den Rückweg. Dabei gingen wir dieses Mal Richtung Shoppingstraße und an der eindrucksvollen Pagode vorbei. Der Raucher neben mir war tief verzweifelt, weil es zwischen den Tempeln wenig Raucher-Areale gab. In Japan ist auf den Straßen das Rauchen weitestgehend verboten und wer doch will, muss in eingerichtete Raucher-Zonen. Während bei ihm das Gefühl der Diskriminierung überwog, freute ich mich über die überdachte Einkaufsstraße und wir haben ein lokales Gebäck gekostet und eingekauft. Übrigens laufen auf der ganzen Insel Rehe frei herum, die durch die steten Touris schon ganz zutraulich sind. 🙂 Eigentlich soll man sie nicht füttern oder berühren, aber da hält sich wohl leider nicht jeder dran. In der Fotogalerie unten sieht man das „Getränk des Tages“. Schon am ersten Abend wurden die Getränkeautomaten meine besten Freunde und es war mir ein Spaß jeden Tag mal was anderes zu probieren 😀 Als wir auf dem Weg zur Fähre zurück nach Miyajima-guchi waren, gab es noch die Eigentümlichkeit des Tages zu bewundern. Da stand jemand mit einem großen Schild und wollte die Teilnehmer des „2019 International Garlic Symposium“ abholen. Es gibt nichts, das es nicht gibt. XD

Als Souvenir durfte eine Packung Momiji manjū mit. Eine Süßigkeit, die es nur in Miyajima (und teilweise Hiroshima) gibt und auf die sich auch die Einheimischen stürzen. Dabei handelt es sich um ein fluffiges Buchweizen-Gebäck in der Form eines Ahornblatts mit diversen Füllungen, beispielsweise mit roter Bohnenpaste (weswegen es etwas wie Dorayaki schmeckt), Vanille-Pudding oder Grüner-Tee-Geschmack. Das Gebäck wird wohl seit der Meiji-Zeit in der Region angefertigt und wenn man sich in der Nähe des Daishō-in aufmerksam umsieht, dann findet man dort auch einen Shop in dem man durch die Scheibe bei der Herstellung zuschauen kann. Die Dinger sind sehr lecker, aber wir haben es geschafft die Packung bis zuhause heil zu lassen und haben es in fast feierlicher Stimmung gegessen als wir zurück in Deutschland waren.

„Heimelig“ …

Nachdem wir auf der Fähre nochmal die angenehme Frische genossen und etwas wehmütig auf die fantastische Aussicht zur Pagode und dem Torii vor dem Berg Misen zurückschauten, suchten wir in Miyajima-guchi unser Hotel. Da wir das etwas kurzfristiger als den Rest der Reise gebucht haben, hatten wir nicht mehr so die große Auswahl und landeten in einem japanischen Familienhotel. Das hatte einen wunderbaren Blick über das Meer, aber ansonsten seine besten Zeiten hinter sich. Zum schlafen hat es gereicht, aber man hat schon etwas gemerkt, dass sie an westliche Gäste nicht so gewöhnt sind. Beim Frühstück gab es beispielsweise eher japanisches Frühstück. Das hätte uns gar nicht abgeschreckt, das Problem war viel mehr das die zahlreichen Brühen, Suppen und Einlagen nicht beschriftet waren. War kein großes Drama, aber eine „Erfahrung“. 😉 Vor Allem, weil uns die japanischen Gäste dort anschauten, als ob wir die Touristenattraktionen seien.

Am Abend zuvor aßen wir recht gut Tempura, Udon und garten selber Reis an unserem Tisch in der traditionellen japanischen Gaststätte des Hotels. Da wir übersehen hatten, dass man scheinbar dort regulär im Yukata erscheint (und uns auch niemand so recht aufklären konnte), wurden wir relativ weit weg von den anderen Gästen gesetzt und fühlten uns ziemlich seltsam. Wir waren regelrecht erleichtert als auch japanische Gäste folgten, die keinen Yukata trugen und auch in „unsere Ecke mussten“. Mein Freund gab Muscheln eine Chance, da Meeresfrüchte durch die Nähe zum Wasser natürlich die Spezialität im Landkreis sind. Mich kriegt man an Muscheln allerdings nicht ran. Zu den witzigeren Momenten des Culture Clash zählte als wir am nächsten Morgen den Japanern durch die Fenster des Frühstückssaals beim Frühsport zuschauen konnten. 🙂 Am nächsten Tag sagten wir Tschüß Miyajima und fuhren mit dem Zug weiter nach Hiroshima. Ein Ort, der uns aus ganz anderen Gründen still und nachdenklich machte.

„Hiromitsu Agatsuma – Beyond the Prairie“, via Stephanie Asatryan (Youtube)

Bisherige Artikel zur Japanreise: Reisevorbereitung | Reiseführer-Reviews | Essen in Japan | Manga-Tourismus | 5 Must-Do’s und 5 (halb)offene Fragen | Tag 1 (Anreise, Minato) | Tag 2 (Shibuya & Harajuku) | Tag 4 (Hiroshima) | Tag 5 (Kyoto) | Tag 6 (Roppongi, Shinjuku) | Tag 7 (Ghibli Museum in Mitaka, Setagaya und Tokyo Skytree) | Tag 8 (Kanda, Akihabara und Odaiba) | Tag 9 (Ikebukuro, Sunshine City) | Tag 10 (Sensō-ji, Asakusa, Sumida, Hachikō)

Ihr seht, dass ich den „Song of the Day“ immer ein wenig an das Erlebte anpasse. Hiromitsu Agatsuma ist ein Shamisen-Spieler, der das Instrument mit modernen Musik vereint und wieder in das Bewusstsein der Musikszene zurückgebracht hat. Ich finde den Sound sehr passend zu dem, was wir an Eindrücken gesammelt haben. Obwohl in meiner Erinnerung an Miyajima v.A. Stille und das Glockenläuten am buddhistischen Tempel überwiegt. 😀 Wart ihr schon mal in einem buddhistischen oder shintoistischen Tempel?

4 Antworten

  1. Ich glaube ich muss aufhören hier mitzulesen – bin kurz davor einen Flug nach Tokio zu buchen 😉

    Ich habe den Shinkansen auch geliebt. Ich war sooo beeindruckt, insbesondere auch, dass man die Sitzreihen ganz einfach immer in Fahrtrichtung drehen kann und überhaupt. Die Geschwindigkeit, die Pünktlichkeit, dass die Fahrgäste ihren Müll ganz selbstverständlich mitnehmen wenn sie gehen und dieser ihnen ganz selbstverständlich von an der Tür wartendem Personal abgenommen wird – ein Traum.

    Wir haben es ja neben Tokio nur nach Kobe, Osaka und Kyoto geschafft, habe sehr gerne deine Eindrücke aus anderen Regionen gelesen.

    Übrigens – habe in Japan auch das Buch „Lean Startup“ gelesen. Das war ganz interessant, parallel Kaizen/Kanban life und in Farbe zu erleben (insbesondere zB im Ubahn-System)

    Liebe Grüße
    Sabine

    1. Hach, schöne Eindrücke (wieder einmal)! Früher hatte ich Miyajima gar nicht auf dem Schirm, aber seit Sanis Reisebericht steht es auf der Liste für die noch ungeplante Japanreise. Und deine Eindrücke und Fotos machen mir nur umso deutlicher bewusst, wie schön es dort sein muss. Die Architektur der Häuser und Straßen hat noch etwas sehr Traditionelles und ließ mich prompt an Szenen aus Taniguchis „Der Kartograph“ denken.
      Eine Hochzeit vor der Kulisse von Torii, Wasser und Bergen stell ich mir aber auch ganz wundervoll vor – wenngleich ich mir vorstellen kann, dass das in Japan schon fast so ein Standard-Hotspot für Hochzeiten und damit nichts Besonderes mehr ist.

      Zum Shinkansen sag ich nur, dass die Deutsche Bahn (oder generell europäische Bahnen) daran sehr gern ein Beispiel nehmen können. Nur für die Sauberkeit kann die Bahn lediglich begrenzt was machen – wenn man sich anschaut, wie sich manche Reisende verhalten, müssten die Waggons jede Stunde grundgereinigt werden.

  2. Haaaaach :3
    *Cider hinstell*

    Haaach!
    Ich hüpfe direkt mal weiter zum nächsten Beitrag!

  3. […] Odaiba und die Rainbow Bridge Tokyo Tower Ruffy und Chopper! Bentō Blick durch den Kenotaph auf die Flamme des Friedens und den […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert