Das gehörte Wort … Hörbuch-Besprechung zu „Ein Ort für immer“

Ein Ort für immer (Originaltitel „Forever Home“) war eines der Vorschläge für unseren Buchclub und hatte einen gewissen Star-Bonus. Als mein Blick auf den Autor fiel, war ich doch überrascht: Graham Norton. Der Graham Norton, der die Late Night Show hat? Der Graham Norton, der den ESC moderiert hat? Ja, genau der. Und offenbar schreibt er auch Cozy Crime Storys, die vorrangig in seiner Heimat Irland spielen.

Das hätte sich Carol wohl nicht träumen lassen. Da verliebt sie sich nochmal, lebt mit ihrem Partner Declan zusammen, aber ihre gemeinsame Zeit währt nur kurz. Declan wird schwer krank und muss in Pflege. Seine scheinbar gleichgültigen Kinder schmeißen Carol aus dem Haus, in dem sie mit Declan wohnte und wollen es verkaufen. Und das obwohl Declan immer sagte, dass er das Haus nie verkaufen will. Carol sieht zu wie ihr Leben einstürzt und sie findet sich als Endvierzigerin wieder, die bei ihren Eltern einzieht. Ihre resolute Mutter Moira und ihr Vater Dave haben aber einen ganz eigenen Plan. Den fiesen Kindern das Haus kurzerhand anonym abkaufen. Der Plan scheint zu gelingen, wirft aber Carol und ihre Eltern in nur einen weiteren Strudel aus Familiengeheimnissen Declans.

Ganz offensichtlich bin ich nicht die Zielgruppe oder habe den Roman einfach zum falschen Zeitpunkt gelesen. Mir war hier nicht genug Reibung und alle Offenbarungen und Entwicklungen erschienen mir zu vorhersehbar, die Charaktere zu einseitig. Was die Handlung trotz der Vorhersehbarkeit aufbläht, sind die jeweils eigenen Gedanken der Erzählstimmen. Der unsympathische Sohn und die hin- und hergerissene Tochter Declans wie auch Moira, Carols Mutter, werden alle früher oder später zu Erzähler:innen, wo es anfangs nur mit Carols Sicht auf die Dinge begann, die immer mehr ins Hintertreffen rückt und irgendwann mehr wie eine „damsel in distress“ wirkt. Auch die Rolle von Carols Eltern in ihrem Leben und die kleinen Eigenheiten und Reibereien drängen sehr in die eigentliche Erzählung, lenken von dem Kriminalfall ab. Aber soviel muss man auch sagen: sorgen für Comic Relief und den Cozy-Aspekt von „Cozy Crime“.

Allerdings will ich Graham Norton auch nicht Unrecht tun. Was Ein Ort für immer sehr gut beherrscht ist nie zu schwermütig zu sein. Norton bringt große Empathie für seine Charaktere auf. Das (deutsche) Hörbuch hat zusätzlich den Vorteil, dass es routiniert und nuanciert von Cathlen Gawlich gesprochen wird, die auch in verteilten Dialogen allen Personen eine eigene Stimme mit eigener Stimmfärbung gibt. Sie spricht sowohl Carol, eine Frau mittleren Alters, wie auch deren Mutter Moira ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Letzten Endes ist Ein Ort für immer eben genau das, was das Label Cozy Crime verspricht. Es ist gemütlich. Das Verbrechen oder besser gesagt die mehreren Verbrechen werden nie zu sehr in den Vordergrund gerückt und in all ihrer Hässlichkeit gezeigt. Fokus liegt darauf wie eine sympathische Familie versucht damit umzugehen. Zudem eine Familie, die sehr nahbar ist und uns vielleicht an unsere eigene (Wahl-)Verwandtschaft erinnert. Für mich persönlich scheint Cozy Crime nichts zu sein. Mir war es einfach zu einfach wie die Täter:innen hier davonkommen und ich fühlte mich ein bisschen wie in einem seichten Vorabendfilm. Zumal das Buch auch keine Pointe zu haben scheint, mit der man aus dem Erlebten rausgeht. Am ehesten vielleicht noch das, was Carol gegen Ende einmal sagt: Nichts bleibt so wie es ist.

Trotzdem habe ich das Hörbuch nicht ungern gehört, v.A. wegen der kleineren Familien-Kabbeleien und der tollen Sprecherin. Cool ist außerdem, dass Norton auf divers angelegte Charakterzeichnung wert legt – aber ich hätte auch nichts anderes von ihm erwartet.

Ihr hört schon raus, dass ich künftig lieber weiter seine Show gucke und vielleicht nicht unbedingt seine Bücher höre oder lese. Aber vielleicht habt ihr ja mal den Fall, wo euch absolut nach cozy crime verlangt? Tatsächlich bin ich ja eine Jahreszeiten-Leserin – ich kann mir das Buch besser in einem regnerischen November vorstellen, eingerollt in der Decke auf der Couch. Kennt ihr Nortons Bücher? Lest ihr gern Cozy Crime?

Eine Antwort

  1. Eher selten, kürzlich hat mir aber „Der Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman gut gefallen, der in einer pittoresken Seniorenresidenz spielt.

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