Der Name ist keine Metapher – in dem Film Die Stadt der Blinden begleitet man eine Gruppe Namenloser in einer nicht betitelten Stadt. Einer nach dem anderen erblindet ohne einen erkennbaren Grund. Es beginnt mit dem Erblinden eines jungen Mannes während einer Autofahrt und einem anschließenden Unfall. Die Erblindungen scheinen vor niemandem halt zu machen, egal ob jung oder alt. Nur eine Frau (Julianne Moore) bleibt verschont. Genauso hilflos wie die Protagonistin muss der Zuschauer hilflos zuschauen wie sich die Welt komplett verändert.
Aus Angst vor einem Virus der sich epidemieartig ausbreitet, werden die Blinden weggesperrt. Um bei ihrem Mann (ironischerweise ein Augenarzt) bleiben zu können, gibt sie sich ebenfalls als blind aus und erlebt wie die Zustände in der Anstalt rapide verrohen. Die Umstände werden unertragbar durch Ungewissheit, Schmutz, mangelnde Hygiene, fehlende Aufsicht, knappe Nahrung und die Isolation nach außen. Leute werden krank und als letztendlich die Lebensmittel zur Neige gehen, beginnen die Erblindeten sich gewalttätig zu bekämpfen. Letztendlich fordert die Gruppe derer, die Nahrung horten ungeheuerliches von den anderen Blinden als Gegenleistung. Die Zustände verrohen und werden schier unmenschlich bis zu dem Tag des Ausbruchs aus der Anstalt, als die Insassen blind erkennen müssen, was aus der Zivilisation geworden ist und sich dem eigenen Schicksal stellen.
Hintergrund
Die Stadt der Blinden ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des Literatur-Nobelpreisträgers José Saramago. Die Erzählung galt lange als unverfilmbar und selbst der Autor lehnte lange eine Verfilmung ab. Geschafft hat es letztendlich Fernando Meirelles, bekannt für City of God oder Der ewige Gärtner.
Im Film (wie auch im Buch) werden keine Namen genannt, auch nicht der Name der Stadt. Alles wird so anonym behandelt, als ob es überall auf der Welt und zu jeder Zeit geschehen könnte. Man sieht das Geschehen aus der Sicht der Protagonistin und realisiert, dass die Blindheit eine Metapher für unendliche viele plötzliche Veränderungen sein kann.
Das Buch selber muss das beengende Gefühl sowohl in der Gestaltung als auch durch Saramagos Schreibstil unterstreichen, so wie man es auch auf Wikipedia nachlesen kann.
Meinung
Als ich mir den Film ansah, wusste ich nur, dass es eine Romanverfilmung ist und dass ich die Handlung interessant finde. Der Gedanke was hinter der Erblindung stecken könnte, hat mich eigentlich am meisten gereizt. Dass die Zustände verrohen oder die Leute panisch werden, erschien mir vorhersehbar. Mit zwei Freunden ging ich gut gelaunt eines abends ins Audimax-Kino unserer Universität und ahnte nicht annähernd wie fassungslos ich den Saal wieder verlassen würde. Ich hab das Audimax niemals so sagenhaft leise erlebt. Nicht bei einer Vorlesung und schon gleich gar nicht während irgendeines Audimax-Kinoabends. Das volle Ausmaß der menschlichen Verrohung wirkt grausamerweise sehr realitätsnah und brutal plausibel. Allerdings mit Gräueltaten und Zuständen, die ich mir nicht hätte ausmalen können. Anfangs denkt man noch, dass die wirkliche Gefahr von der Blindheit ausgeht. Letztendlich fürchtet man sich nur noch vor den Menschen und deren Taten. Und genau das ist die Stärke und Dramatik des ganzen Films. Ich würde sogar soweit gehen, dass der Film ohne zuviel zu zeigen an die Grenzen dessen geht, was man erzählen darf. (Wahrscheinlich ebenso wie der Roman.)
Sicherlich mag es für den einen oder anderen nicht besonders attraktiv sein so einen Film anzuschauen. Man geht normalerweise ins Kino um zu lachen oder unterhalten zu werden, um sich in fantastische Welten entführen zu lassen und mit positiven Gefühlen wieder in die reale Welt entlassen zu werden. Die Stadt der Blinden führt einen aber vor Augen wie schnell jeder Mensch bei Verlust des Augenlichts auch nicht mehr spürt was gut und böse ist. Ein Mahnmal.
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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