7ème art: Meine liebsten Kurzfilme

Kurzfilme sind eine Filmgattung, die meines Erachtens nach nicht genug Beachtung bekommt. Via Youtube oder dank Webseiten wie des Netzfilmblogs kann man am ehesten noch auf sie aufmerksam werden. Allerdings habe ich das Glück, dass in meiner Stadt jährlich die ‚Hot Shorts‘ im Kino meines Vertrauens präsentiert werden. Das ist eine Zusammenstellung von Preisträgern, Jury- und Publikumslieblingen des Dresdner Filmfests. Solche Veranstaltungen sollte es viel öfter geben. Überall. In den letzten Jahren habe ich einige Favoriten gesammelt, die ich hier heute mal anstatt abendfüllender Filme präsentieren möchte. (Anzunehmen, dass meine Bewertung durchgängig recht gut ausfallen wird, da es meine Favoriten sind. Räusper. :)) Manche Kurzfilme kann ich direkt hier einbetten, manche Videos sind ’nur‘ Trailer – in jedem Fall, anschauen lohnt sich.

Log Jam

Treffen sich Hase, Wolf und Bär im Wald. Was passiert? Genau, sie musizieren gemeinsam. Ihr kleiner Log Jam wird aber regelmäßig gestört, was scheinbar vor Allem dem Bär ein Ärgernis ist.
Die ungarischen Animationsfilme von Alexei Alexeev sind jeweils kaum länger als 1 Minute, sehr schlicht aber herrlich lustig. Meiner Meinung nach ist es schwieriger Menschen zum Lachen zu bringen, als sie zu schockieren – Log Jam schafft das auch noch mit ganz bodenständigen und unschuldigen Methoden. Nur wegen der Redundanz in der Handlung mache ich in der Bewertung ein paar Abstriche.

(8/10)

Sternchen-8

Der Klavierstimmer

Dieser 13-minütige französische Kurzfilm von Olivier Treiner schlägt locker den einen oder anderen Blockbuster. Dabei klingt die Geschichte anfangs nicht unbedingt reißerisch: sie beginnt mit Adrien, der ein Klavier-Wunderkind war aber durch einen Zwischenfall nichts mehr mit der Bühnenwelt zutun haben möchte. Stattdessen gibt er sich als blind aus und arbeitet als Klavierstimmer, um mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dazu gehört es auch die Leute ungehemmt auszuspionieren, die ihn zu sich rufen. Einer seiner Aufträge geht aber in eine unerwartete Richtung. Dieses feine Filmchen beginnt als Komödie mit einem gewieften Hauptcharakter, wird aber zunehmend zu einem wendungsreichen Thriller. Gegen Ende wird es so spannend, dass der Puls kocht. Große Empfehlung – leider habe ich den kompletten Film nicht gefunden, stattdessen die Info, dass er depubliziert wurde. Sehr schade!

(9/10)

Sternchen-9

Zwei Vögel

Das hübsche zarte Mädchen und der schüchterne Junge – beide sind verknallt ineinander. Was könnte dem Jungen durch den Kopf gehen? ‚Soll ich den ersten Schritt machen?‘ ‚Und was soll ich sagen?‘ Und was, wenn sie mich auslacht?‘ ‚Und wenn die anderen es mitkriegen?‘ Unausgesprochen. Sie sehen sich jeden Tag, treffen sich mit der Gruppe, machen Quatsch und gehen zu Partys. Ihre ganzen Erste-Liebe-Sorgen tragen sie erstmal nur mit sich rum. Er sieht zu wie andere auf der Party sie anmachen, wie andere sie ansehen und kommt sich mickrig vor. Als aber Pillen auf der Fete rumgegeben werden, ändert sich alles.

Smáfuglar (Two Birds) beginnt mit einem unschuldigen Thema, wird aber ohne Vorwarnung plötzlich schockierend unangenehm. Das Video oben zeigt den gesamten Kurzfilm in einer leicht entschärften Version. Wie kann man einen Kurzfilm mögen, der das Thema Vergewaltigung thematisiert? Es fällt mir schwer das irgendwie objektiv zu bewerten – es ist ein guter Kurzfilm aber er ließ mich mit so einem schlechten Gefühl im Magen zurück, dass mir die gute Bewertung fast nicht gelingen will. Obwohl Rúnar Rúnarssons Kurzfilm erfolgreich die Brücke schlägt zwischen den Problemen der ersten Liebe aber auch der desillusionierten Mitläufer-Jugend und dem schwierigen Thema Missbrauch. Es ist ein Film der ans Herz geht, aber schwer wiegt. Keine leichte Kost. Selten war ein Kinosaal so atemlos.

(7/10)

Sternchen-7

Yuri Lennon’s Landing on Alpha 46

Der Titel beschreibt den Anfang ganz gut: Yuri Lennon landet auf dem (fiktiven?) Jupiter-Mond Alpha 46. Die Landung alleine ist klaustrophobisch und mitreißend, trotz einfacher filmerischer Mittel. Aber dann geht es erst richtig los. Der ‚lonesome Cowboy‘ beginnt mit seiner Inspektion der Mond-Oberfläche, der blaue Planet ist weit entfernt. Über Funk ist er mit der Basis verbunden und summt sein Lied. Dieser Weltraum-Auslflug nimmt aber eine krasse Wende, als Yuri etwas unglaubliches findet.

Jeder weitere Satz wäre hier einer zuviel. Yuri Lennon’s Landing on Alpha 46 ist ein Kurzfilm, der einen nicht im geringsten erahnen läßt, was auf einen zukommt. Die Landung und Wanderung über den Mond sind auf das wichtigste und wesentlichste an technischer Rafinesse reduziert, vermitteln den Eindruck aber realistisch und eindrucksvoll. Man nimmt in keiner Sekunde wahr, ob es eine teure Produktion oder ein low-budget-short ist. Die noch größere Stärke ist aber die fantastische Handlung. Großer Tipp! Leider nirgends in voller Länge gefunden.

(10/10)

Sternchen-10

A Morning Stroll

Ein Huhn dass mitten in der Stadt auf dem Gehweg rumläuft – ja, das ist ein Grund zum Wundern. So auch für einen Passanten, der dem Tierchen hinterher geht. Diese kleine sonderbare Geschichte wird aus 3 Epochen erzählt, verteilt über eine Zeitspanne von 100 Jahren. So banal die Geschichte klingen mag, so genial die Umsetzung. Die drei Ausschnitte spiegeln den Stil des jeweiligen Zeitalters und decken nach und nach auf, was es mit dem Federvieh auf sich hat. Die größte Überraschung dürfte dabei die letzte Geschichte bzw. das letzte Zeitalter sein, das unsere Zukunft zeigt. Es sei nur soviel verraten: da lob ich mir doch unsere Zeit. 😉 Alle drei Animationsstile gefallen mir nur mäßig gut aber in A Morning Stroll steckt ’ne Menge Liebe und ein tolles Konzept.

(7/10)

Sternchen-7

Kimono

Maurice Hübners Kurzfilm Kimono erzählt die Geschichte einer Obdachlosen die auf Verdacht in einem Wohnblock auf die Suche nach unverschlossenen Türen geht und sich was zu Essen sucht. Der Hausherr kommt wieder und sie versteckt sich kurzerhand im Schrank. Sie hat auch Glück und wird nicht entdeckt. Kurzzeitig beobachtet sie den jungen Mann, in dessen Wohnung sie unentdeckt Untermieter spielt. Er ist interessant, er ist traurig und sie ist neugierig. Sie beschließt zu bleiben. Aber irgendwann merkt er, dass etwas mit seiner Wohnung nicht stimmt. Kimono hat mich sehr überrascht, der stille unaufgeregte Stil hat mir sehr gut gefallen. Der Kurzfilm erzählt eine melancholische Geschichte vollkommen dialogfrei (keine Sprachbarriere!) und dabei sehr berührend.

(9/10)

Sternchen-9

Wind

Robert Löbels Abschlussarbeit ist der wunderbare Kurzfilm Wind – keine Beschreibung kann dem so richtig gerecht werden. Ich versuchs mal so: der Wind beherrscht ein Land und seine Bewohner. Alle sind darauf angepasst, keiner weiß mehr wie es ohne geht. Hat ja auch seine Vorteile so ein Wind: zum Beispiel beim Solo-Tischtennis. Was aber … wenn er plötzlich weg ist?

Animationsstil und Handlung sind bei diesem Film sehr reduziert und einfach gehalten, lassen aber (wenn man will) eine Menge Interpretationsspielraum. Wenn man möchte, kann man das Prinzip des Winds auf alles projezieren, was einem in den Kram passt. Politik, Religion, unvm und was es mit den Leuten macht, die sich verbiegen und daran gewöhnen. Und wie Dinge aus dem Ruder laufen, wenn das geliebte Übel plötzlich weg ist. Man muss aber nicht intepretieren und kann sich einfach an den liebevollen Sequenzen der windigen Leute erfreuen.

(8/10)

Sternchen-8

Kurzfilme sind eine feine Sache. So ein Short muss einige Probleme bewältigen, zum Beispiel in stark begrenzter Zeit eine Story erzählen und Charaktere entwickeln. Vom Budget reden wir erstmal gar nicht. Denn so ein Kurzfilm ist eben nicht abendfüllend und kann die Kinokassen somit nur mäßig zum Klingeln bringen. Deswegen werden Kurzfilme leider selten irgendwo präsentiert außer bei eben solchen Filmfestspielen. Ist es nicht seltsam, dass trotzdem soviele Kurzfilme besser die Story rüberbringen oder berühren, als mancher abendfüllender Blockbuster? Ich hätte nochmal 7 Shorts auf Lager, die ich hier präsentieren könnte… . Um hier aber speziell das Dresdner Filmfest zu feiern, gibt es noch den 2013er Festival-Teaser auf die Augen:

Es folgt außerdem ein Hilferuf. Kennt ein aufmerksamer Leser den Namen des animierten Kurzfilms, in dem ein Mann nach einem intergalaktischen Vorfall einige cm neben sich steht? Das wäre mir eine große Hilfe … die gängigen Suchmaschinen spucken mir alles mögliche aus aber nicht das was ich suche.

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

Eine Antwort

  1. […] stammten. Das war immer ein echtes Highlight, das ich mir rot im Kalender markierte. Viele der hier besprochenen Kurzfilme habe ich dort gesehen und bis heute nicht vergessen. Unter limitierten Ressourcen eine Geschichte […]

Schreibe einen Kommentar zu Kino-TAG: Über die Bedeutung von Kino + „aktuelle Programmhinweise“ | Miss Booleana Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert