Die liebe Danares hat mich neulich gefragt ‚Sag mal, liebe Miss Booleana, kannst Du eine gute Einführung in das Thema Manga für Laien wie mich empfehlen? Oder noch besser: selbst eine schreiben? :-)‘ Ja, kann ich. Bevorzugt letzteres. Nicht jeder der Laie auf einem bestimmten Gebiet ist, möchte dicke Bücher wälzen oder lange Dokus gucken. Also nehme ich die „Herausforderung“ an und nehme meine verrückte These gleich vorweg: für jeden von euch da draußen gibt es Manga, die euch gefallen würden. Ihr wisst es nur noch nicht. 😉
Definition
Manga sind japanische Comics.
Die Definition ist aber auch das Problem der Definition. Wer Comics nicht mag oder nicht gut kennt, projeziert das automatisch auf Manga. Der Begriff Manga bezeichnet aber vor Allem das japanische Verständnis von Comics. Japanische Comics haben einen eigenen Stil so wie es die franko-belgischen oder amerikanischen auch haben. Comic ist nicht gleich Comic. Und Manga sind enorm vielseitig, was ich euch in diesem Artikel vor Augen führen möchte.
Wo kommen Manga eigentlich her?
Bildergeschichten werden schon lange in Japan als Medium benutzt. Der Künstler Hokusai lebte etwa von 1760 bis 1849 und hat neben seinen Landschaftsbildern (Bsp. Die große Welle vor Kanagawa) Skizzen von Menschen gezeichnet, die ihr alltägliches Leben oder ihre Fantasien zeigen. Auf diesen Manga (dt. in etwa: „ungezügelte Bilder“) haben die Menschen trainiert, normale Sachen gemacht wie gebadet oder Schabernack getrieben.
Soviel zu den Bildergeschichten. Tatsächlich wurden Manga wie wir sie heute kennen, von amerikanischen Comics beeinflusst. Dies geschah v.A. während der Zeit der amerikanischen Besatzung Japans nach dem zweiten Weltkrieg. Von den Einflüssen ist aber nicht viel geblieben. Aus Kostengründen wurde auf dünnem Papier und ausschließlich in Schwarz-Weiß gedruckt. Natürlich auch in japanischer Leserichtung, d.h. von rechts nach links. Und das alles verhält sich noch heute so. Wenn man Comics pauschalisiert, setzt man amerikanische am ehesten mit Superhelden-Storys gleich, franko-belgische mit Tim & Struppi und Manga sind die mit den Figuren mit großen Kulleraugen. Das sind alles Vorurteile. Aber es stimmt, dass Merkmale wie die großen Augen oft vorkommen.
Die Mangaindustrie und was wir darüber bisher nicht wussten …
… Nämlich, dass sie riesig ist.
Das Lesen von Comics ist in Japan viel weiter verbreitet, als in europäischen Ländern. Und das Angebot riesig. Manga sind meist als Serie angelegt und erscheinen in Manga-Magazinen. Das sind Hefte die viele hundert Seiten haben und viele verschiedene Manga bspw. monatlich oder wöchentlich als Fortsetzungsgeschichte zeigen. Sind bestimmte Serien sehr erfolgreich, erscheinen die Folgen in einem eigenen Taschenbuch. Diese Ausgaben beinhalten im Schnitt zwischen 120 und 200 Seiten – man bekommt also ganz schön viel Lesestoff für sein Geld. Sie sind praktisch überall verfügbar, kosten frappierend wenig (ein Manga-Magazin durchschnittlich umgerechnet 1-2€) im Vergleich zu bspw. amerikanischen Comics und sind ein beliebter Zeitvertreib im Zug oder der S-Bahn.
Der Anteil von Manga an Druckerzeugnissen in Japan lag 2002 bei etwa 38,1% [1]. Wie stark die Nachfrage in Japan ist, wird besonders klar, wenn man sich die Verkaufszahlen ansieht. Vom 3.-9. Juni wurde Eiichirō Odas Manga „One Piece“ (Band 70) in Japan über 2 Mio. Mal gekauft und ist somit das bisher meistgekaufte Manga-Taschenbuch des Jahres 2013. Während in den USA, einem Land mit mehr als doppelt sovielen Einwohnern, Marvels- und DCs bestverkaufte Comics oftmals nicht mehr als 50.000 Mal über die Ladentheke gehen. The Walking Dead #115 beispielsweise gilt als bestverkauftes Comicbuch des Jahres 2013 in den USA mit (nur) 380.000 Exemplaren. Was nicht heißen soll, dass die Mangaindustrie ein Schlaraffenland ist, wo Honig fließt und es Gold regnet – aber das ist eine andere Geschichte.
Genre und Zielgruppen
Eine der Stärken der japanischen Comicindustrie ist, dass sie ausgesprochen viele Genres bedient..
Gängiges Vorurteil: „Aber ich habe gehört Manga sind nur was für Jungs | für Mädchen | sind alles Pornos | sind gewaltverherrlichend !“
Unsinn. Das ist als würde man sagen, dass jede Novelle die je geschrieben wurde, eine Schnulze ist. Es gibt so viele Genres und es ist einfach falsch sie auf diese paar Kategorien festzulegen. Es gibt Manga über Politik, es gibt Krimis und Thriller. Manga die sich thematisch mehr an Mädchen oder Frauen richten werden als „Shoujo-Manga“ bezeichnet (Mädchen-Manga) und sind beispielsweise romantische Komödien, historische Dramen, etc. Genauso gibt es „Shounen-Manga“ (Jungs-Manga). Das sind eher Action-Manga, Science-Fiction-Manga, Horror oder Mystery oder auch Sport-Manga. „Silver-Manga“ richten sich an die ältere Generation. Genauso gibt es Manga über homosexuelle Beziehungen („Shounen-Ai“, „Shoujo-Ai“) und natürlich gibt es auch Manga mit sexuellen oder pornografischen Inhalten („Hentai“, „Ero Manga“). Manga kann alles: traurig, zart, hart, gesellschaftskritisch, lustig, edgy, spannend, gruselig – such dir was aus! Die viel schwerwiegendere Frage ist die: erscheinen auch Manga deines bevorzugten Genres in deinem Land? Wir erinnern uns an die Zahlen der Mangaindustrie da oben: in Deutschland umfassen Comics (insgesamt! also nicht nur Manga) nur ca. 3% aller Drucksachen. Hierzulande fallen die meisten Manga in die Kategorie Kinder- und Jugendbuch, weil das die Zielgruppe ist, die hier am besten für Comics funktioniert. Es gibt Ausnahmen – natürlich bringen deutsche Verlagshäuser auch Manga nach Deutschland, die für Erwachsene gemacht sind. Aber wie so oft im Leben richtet man sich nach der Zielgruppe die am stärksten nachfragt. In Japan hingegen bleiben keine Wünsche offen.
Mal ein paar Beispiele für die Vielfalt – für eine Beschreibung die Galerie öffnen (beliebiges Bild anklicken):
(Und du wirst doch jetzt wohl nicht behaupten, dass dich keiner dieser Zeichenstile anspricht ;))
„Das Regal in der Buchhandlung ist randvoll. Alles sieht komisch aus. Welcher Manga ist denn jetzt was für mich?“
Am besten jemanden fragen, der sich mit Manga auskennt und der dich kennt und weiß, was du gerne liest. Wäre doch schade, wenn du irgendeinen aus dem Regal ziehst und eine alberne Teenie-Fantasy-Schmonzette erwischst, die den Ruf der Manga bei dir auf immer ruiniert. Fakt ist: wie bei Büchern, Filmen und anderen Medien gilt auch hier, dass leider viel Schund auf dem Markt unterwegs ist. Wenn du keinen Tipp-Geber hast, helfen auch die Seiten der Verlage weiter. Da findet man auch sehr viele Leseproben und kann sich ein Bild machen. Hier mal die größten deutschen auf Manga spezialisierten Verlage:
Wenn du bereit bist ein paar Euro auszugeben, lohnt sich vielleicht auch der Blick in deutsche Manga-Magazine wie AnimaniA, die regelmäßig neu erscheinende Manga vorstellen. Ich versuche auch ein wenig zu helfen. In meiner monatlichen Kategorie Manga Manie stelle ich jeden Monat einen anderen Manga vor, um das enorme Spektrum an Genres und Inhalten zu zeigen. (Ich versuche es jedenfalls…) Schau doch mal rein. 🙂
Typischerweise bekommt man die Kurve, wenn man erstmal einen Anfang gefunden hat. Mein Tipp sind daher die Manga der Zeichner Naoki Urasawa für spannende Inhalte, Inio Asano für sozialkritische Geschichten und CLAMP für niedliche bis philosophische Fantasy-Geschichten.
Alles was du jetzt noch beachten musst: die japanische Leserichtung wird beibehalten. Also musst du die Bilder und Sprechblasen von rechts nach links verfolgen. Das bedeutet übrigens auch, dass du das Buch sozusagen „hinten“ aufschlagen musst. Daran gewöhnt man sich aber schnell.
Also. Was haben wir gesehen? Die Definition ist schwer. Niemand kann das besser ausdrücken, als der „Manga-Gott“ höchstpersönlich:
Manga is virtual. Manga is sentiment. Manga is resistance. Manga is bizarre. Manga is pathos. Manga is destruction. Manga is arrogance. Manga is love. Manga is kitsch. Manga is sense of wonder. Manga is … there is no conclusion yet.
Denjenigen, die noch mehr Eindrücke sammeln und etwas tiefer in das Thema einsteigen wollen, empfehle ich die Dokus
Profession Mangaka – Die Meister der japanischen Comics und Mangamania – Comics aus Fernost. Außerdem das Buch Manga – sechzig Jahre japanische Comics von Paul Gravett (ISBN 3-7704-6549) [1].
Wie war eure bisherige Wahrnehmung von Manga? Konnte ich euch was neues erzählen und hat mein Beitrag euch geholfen? Oder habt ihr jetzt nur noch mehr Fragen? Dann bitte ab damit in die Kommentare 😉 Was hat euch bisher davon abgehalten Manga zu lesen? Oder seid ihr schon lange Fan? Das interessiert mich. 🙂
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