ausgelesen: Julian Fellowes „Belgravia“

Ende letzten Jahres überkam mich die Melancholie. Downton Abbey und seine Christmas Specials gehörten doch irgendwie immer zu der Jahreszeit und fehlten mir. Vorausschauenderweise wartete in meinem Regal bereits Belgravia, ein Buch Julian Fellowes‘, das möglicherweise das Upstairs-Downstairs-Feeling wiederbeleben würde. Die Chancen standen gut, Fellowes‘ hat das Skript und die Idee zu Gosford Park, Downton Abbey und vielen anderen sogenannten Period-Dramas beigesteuert. Das Buch handelt von verschiedenen wohlhabenden oder adligen Familien, die einen Sitz im Londoner Stadtteil Belgravia haben und deren Leben untrennbar miteinander verbunden ist. Auf der einen Seite die Familie Trenchard, die durch Wohlstand in der feinen Gesellschaft zwar zugelassen, aber nicht akzeptiert ist. Adlige Familien wie die Brockenhursts missbilligen das Verwässern der Gesellschaft um sie herum. Und doch teilen sie ein Geheimnis. Der adlige John Belassis, Sohn der Brockenhursts, und Sophia Trenchard hatten eine Liaison miteinander, aus der ein Kind hervorgegangen ist. John stirbt auf dem Schlachtfeld, Sophia bei der Geburt und das Kind wird einer anderen Familie anvertraut um den Skandal zu vertuschen.

Viele Jahre später trifft Anne Trenchard aber auf Lady Caroline Brockenhurst, die nach fast zwei Jahrzehnten immer noch schwer vom Verlust ihres Sohnes gezeichnet ist und davon keine Nachkommen zu haben. Sie beschließt ihr von ihrem Enkel zu erzählen und tritt damit das Drama los. Und ein Drama ist es tatsächlich. Inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen versucht der Spross beider Familien sich ein Geschäft in London aufzubauen und sieht sich bald mit Neidern und Intrigen konfrontiert, aber auch mit einer schönen jungen Dame, die natürlich einem anderen versprochen ist. Klingt etwas schmonzettig? Ist es. Aber nicht auf die angenehme Weise.

Was man dem Buch nicht abstreiten kann, ist sein schlauer Aufbau. Fellowes hat ganz genau konstruiert, welche Charaktere wann das Geschehen lenken, wann sie ein großes Geheimnis mitbekommen und wer wann in Erscheinung tritt. Es gibt insbesondere im spannenderen letzten Drittel des Buches viele Handlungsfäden, die auf eine große Katastrophe zulaufen und man sich trotzdem nah an einem Happy-End befindet – wenn denn alles gut gehen würde. Trotz der teilweise nur allzu einfach, gewollten und plakativen Wendungen ist es somit gegen Ende spannend zu lesen. Generell fehlt dem Buch aber erstens der Realismus der einfachen Leute und zweitens der Charme. Die Charaktere sind sehr streng in gut und böse eingeteilt und sehr einfach skizziert. Die Bösen sind verschlagene, moralisch fragwürdige Charaktere mit niederen Motiven. Die Guten sind meist nett, bescheiden und natürlich gut aussehend. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regeln.

Auch das Upstairs-Downstairs-Feeling wie man es von Period Dramas wie Downton Abbey kennt, stellt sich nicht ein. Die Probleme der reichen Leute dominieren das Buch, während die einfachen Leute, die Bediensteten, meist als verschlagen dargestellt werden. Auch hier gibt es einige wenige Ausnahmen, deren kurze Auftritte und Passagen den Eindruck möglicherweise lindern sollen, was nur bedingt gelingt. Die Sprache des Buches ist erstaunlich einfach. Es gibt wenige sprachliche Bilder und Mittel, die Sätze sind einfach, die Sprache nicht geschickt. Die Gedankenwelt der Charaktere bleibt teilweise so banal, dass man sich die Hand vor den Kopf schlagen möchte. Da geht es darum, dass man eine viel zu gute Partie für den oder die andere ist und da wird geneidet und eifersüchtelt ohne einen Blick nach links und rechts. Das Fehlen der charakterlichen Tiefe gestaltet das Buch als ein erstaunlich triviales. Durch das fallenlassen vieler Begriffe der damaligen Zeit und Objekten aus Inneneinrichtung und Alltagsgegenständen, die man heute so kaum noch antrifft, wird man aber zumindest glaubhaft in die damalige Zeit versetzt. Das reicht aber bei all der Oberflächlichkeit bei Weitem nicht aus, um gute und glaubwürdige Unterhaltung zu schaffen.

Es ist ein Buch zum abschalten nach einem langen Arbeitstag, aber keins das fordert und vor Allem kein sehr tiefsinniges. Es ist eine Schmonzette, der das Feingefühl und die Grauschattierungen bei den Charakteren fehlen.

Fazit

Für Fans von Schmonzetten

„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂

2 Antworten

  1. Hmm, Belgravia hatte ich auch schon vor einer Weile ins Auge gefasst – aber irgendwas hat mich dann davon abgehalten. Ich hab Downton Abbey auch gerne gesehen, aber irgendwie hat mich dieses Buch nicht so weit fasziniert, dass ich es lesen wollte…

  2. […] aber gute Literatur für den grauen November T.C. Boyles Die Terranauten und Julian Fellowes Belgravia waren mit Plattitüden und Stereotypen verseuchte Katastrophen und Literatur einfachster Gangart, […]

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