Am Freitag wurden wir auf dem Weg zur Messe schon von ein paar Schneeflocken begleitet. Vorbote von viel größerem wie auch der Wetterbericht ankündigte. Als wir am Freitag aus der Glashalle stürzten, schaute uns Schnee an. Und als wir am Samstag morgen aus dem Fenster starten, war das weiße Zeug leider immer noch da. Da wir mit dem Auto zur Messe unterwegs waren, bekamen wir es erst später mit, was für ein Winterchaos tatsächlich ausgebrochen war.
Schnee.
Die lauschigen Impressionen von Watte-Schnee und dicken Eiszapfen guckt man sich am besten an, wenn man im warmen sitzt und eine Tasse heißen Kakao in der Hand hat. Die Bilder täuschen leicht darüber hinweg wie unschön das Wetter für so einen Messe-Tag ist. Cosplayer können wahrscheinlich ein Lied davon singen, denn solche begegneten mir mit kurzen Röckchen und darunter nackten Beinen – die Perrücke weht stoisch im eiskalten Wind. Es waren morgens nur -6°. Durch die Straßenverhältnisse brauchte man selbst für läppische 11km von Hotel zu Messegelände eine Stunde, wobei sich der Stau auf die Abfahrt zur Messe konzentrierte. Hui. Und da wussten wir noch nicht mal, dass der Hauptbahnhof und die Straßenbahnen aufgrund der Kälte lahmgelegt waren. Schneeverwehungen und gefrorene Gleis- und Weichenanlagen waren wohl schuld. So kamen am normalerweise besucherstärksten Tag sicherlich einige Leute nur mühsam an, manche vielleicht gar nicht, denn das Chaos hielt an. Es gab einige enttäuschte Gesichter – manche wegen der Kälte, manche wegen des Chaos‘. In jedem Fall wünschen auch ich und meine Halsschmerzen uns die Leipziger Buchmesse (LBM) der vergangenen Jahre zurück in denen man im Freigelände im T-Shirt sitzen und sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen konnte. Frühling, wo biste, man? Außerdem muss man sich fragen, ob die vereinzelten Tropfen von oben auf ein undichtes Dach in der Glashalle zurückzuführen sind oder auf Kondenswasser??
Messe politisch
Manche Dinge bleiben so wie sie sind und das ist auch gut so. Die Messe war wieder politisch und international. Das Gastland war Rumänien und hatte einen echten Blickfang als Stand. Wie man hier und da nachlesen kann ist aber das Programm etwas kritischer ausgefallen als es so manchem rumänischen Politiker schmeckt. Meinungsfreiheit und kritisches Hinterfragen sind eins meiner bisher liebsten Merkmale der LBM gewesen. Die aufrüttelnden Plakate der Aktion Europa 21 waren eins der Blickfänger. Aber wie auch schon bei der Frankfurter Buchmesse zuvor knallte auch hier wieder die Fronten hart aufeinander: rechte und linke. Ein Eklat, den ich während meines Besuchs gar nicht mitbekommen habe (und darüber ganz froh bin).
Kein Bock auf Flyer
Oder auf Kulis oder auf Gewinnspiele oder auf Plastebeutel. Für mich ist die Zeit vorbei, wo ich auf Jagd nach Kulis oder irgendwelche Messe-Goodies gehe. Informationen, Erlebnisse, Bücher, gute Gespräche, das ist was ich will. Aber was die Messe einem gibt, das wird nur zum Teil gut genutzt wie man an der Wand mit der eigentlich schönen Idee „Das eigene Leben noch einmal leben. Was würdest du anders machen“ sieht. Leider waren wenige ernsthafte Antworten erkennbar oder ggf von sinnfreien Schmierereien übermalt. Natürlich sieht das mit der „Ernsthaftigkeit“ nicht jeder so – es treffen sich immens viele unterschiedliche Interessen auf der Messe. Aber die aktive Auseinandersetzung mit Meinungen und Literatur ist wichtig und Literatur, genauso wie Literatur-Messen können viel und ich würde mir wünschen, dass das mehr genutzt wird. Die Messe probiert es, die Menschen nutzen es nicht gut genug. Das ist mehr eine Alltagsbeobachtung und ein Aufruf an die Menschen auch mal aus ihrer comfort zone aus wohligen Schmonzetten oder netten Action-Manga auszubrechen und ein ganz anderes Buch in die Hand zu nehmen oder die Augen auf sowas wie einer Buchmesse offen zu halten und begeisterungsfähig zu sein. Denn: eine Messe ist auch immer ein bisschen, was man daraus macht.
Gute Gespräche, liebe Gesichter
Der Messe-Samstag bestand v.A. daraus die Hallen und Areale zu besuchen, in denen wir bisher wenig waren und dabei habe ich viele Eindrücke aufgeschnappt. Mir v.A. die Verlagsprogramme sehr genau angeschaut und hatte auch nochmal die Gelegenheit Kathrin und Sabine zu treffen. Sabine: ab zwei Mal ist es eine Tradition 😉 Wir haben in der Bloggerlounge geschnackt und unsere abenteuerlichen Anreisen und Erlebnisse revue passieren lassen und es war mir wie immer eine große Freude euch zu treffen. Das ist eine der schönsten Dinge für mich an solchen Messen geworden 🙂 Natürlich auch mal ein, zwei Tage Literatur zu inhalieren und sich einfach mal an einem Ort zusammenfinden, um über Bücher zu reden. Schade, dass die Zeit immer wie im Flug vergeht.
Ausbeute
Um nicht dem Winter-Chaos 2.0 zu begegnen, wurde die Abreise etwas vorverlegt und der letzte Tagespunkt ist seit jeher … shoppen. Alles was man so im Laufe der Zeit gesehen hat und noch nicht gekauft hat, gilt es dann zu besorgen (oder auf die Wunschliste zu setzen). Es ist schon längst nicht mehr so, dass man Bücher nur in der Messebuchhandlung in Halle 4 bekommt. Inzwischen gibt es mobile Kassierer, bei denen man am Stand die Bücher erstehen kann oder Themen-Buchhandlungen in den Hallen wie beispielsweise die für Science-Fiction und Fantasy oder für Kinder. Und die sind inzwischen alle auch besser sortiert. Lediglich bei den Graphic Novels geht der Plan für mich nicht mehr so gut auf. Statt dem Gesamt-Areal der Verlage, haben diese nun jeder ein getrenntes und das lässt irgendwie Atmosphäre vermissen. Tradition ist aber auch bei mir immer noch der Gang in die Messebuchhandlung als Abschluss des Messebesuchs.
In der Messebuchhandlung durfte die deutsche Ausgabe von Margaret Atwoods The Handmaids Tale mit. Diese wunderbare Ausgabe mit rotem Buchschnitt kenne ich durch Kathrin und obwohl ich schon eine (englisch) habe, wollte ich diese Ausgabe unbedingt in mein Regal einreihen können. Ich weiß, dass das sehr dekadent ist, aber die Gestaltung ist einfach zu großartig auf das Buch ausgerichtet. Außerdem durfte T.C. Boyles „Die Terranauten“ mit, um das ich schon letztes Jahr auffällig oft rumgeschlichen bin. Das Blanko-Notizbuch mit Edward-Hopper-Cover durfte am Stand von Tuschita mit, weil Hopper einer meiner Lieblingskünstler ist und ich immer Ideen für ein Notizbuch habe. Das Bullshit-Bingo für das Büro konnte man ebenfalls am Stand kaufen. Eigentlich habe ich ja eine Ausgabe von Wells „Die Insel des Dr. Moreau“ gesucht, aber stattdessen „Der Unsichtbare“ gefunden. Und darüber bin ich gar nicht böse – so gesehen in der Fantasy-Buchhandlung.
Auf dem Tablett mit Bibliophilen-Motiv werde ich wohl künftig Teetasse und Zubehör zum Lesesessel tragen – stilecht. Auf der MCC durften ein paar Packungen Reiskuchen, Mochi (もち), mit und der erste Band des Manga „To Your Eternity“ erschienen bei Egmont Manga, den ich auch schon gelesen habe und sehr empfehlen kann. Er handelt von einem unsterblichen Wesen, das in der Tundra erscheint und verschiedene, rührende Begegnungen macht und auf diese Weise das Leben lernt. In der Antiquariatsmesse hat mein Liebster eine sehr schöne Ausgabe von „Mrs Dalloway“ gefunden, das zusammen mit „A Room of One’s One“ (das schon dank Sabine bei mir zuhause liegt), einen perfekten Auftakt bildet, um sich endlich mit Virginia Woolf auseinanderzusetzen. Aus dem C.H.Beck-Verlag durften außerdem zwei Bücher mit, um mich mal in zwei Bereichen schlauer zu machen: „Russische Geschichte“ und „Frauenbewegung und Feminismus“. Der Frühling war quasi ein Feministischer Frühling für mich, wenn ich auf die Bücher schaue, die ich gelesen habe (The Handmaids Tale, Olga, Die Vegetarierin). Also warum dann nicht auch Nägel mit Köpfen machen!? Da ich mich schon länger mit russischen Autoren und Regisseuren beschäftigen will, rufe ich nach dem Feministischen Frühling den Russischen Herbst aus. Klingt nach einem Plan.
Dinge, die an mir vorbei gegangen sind.
Der Fitzek und Kai Meyer waren scheinbar auch auf der Buchmesse – aber das ist nicht mein Stoff. Dementsprechend habe ich bei lautem Applaus-Getöse meistens vermutet, dass das jetzt dem einen oder dem anderen gewidmet ist. Jojo Moyes war scheinbar auch da und hat gelesen. Der eine oder andere Politiker aus verschiedensten Lagern hat sich blicken lassen. Für die Cosplayer und Manga-Fans gab es abends im Westbad eine Party. Die MangaKo habe ich mir dieses Jahr geschenkt, weil ich sie in der Vergangenheit schon nicht kritisch genug empfand. Natürlich gab es aber im Rahmen der Buchmesse Veranstaltungen in der ganzen Stadt. Anna Basener hat übrigens den Preis für den „Ungewöhnlichsten Buchtitel“ bekommen
Und sonst so?
Mit dem Schnee-Chaos war es in jedem Fall die für mich ungewöhnlichste LBM, die ich besucht habe. Schauen wir mal was aus den Halsschmerzen wird, die ich im Moment habe. Abgesehen davon hat sie mir ein Stück weit besser gefallen als im Vorjahr. Deswegen sage ich: See you next year. Aber bitte mit besserem Wetter.
Wart ihr auch auf der Buchmesse und vom Winter-Chaos betroffen? Ja klar … wenn ihr da wart, wart ihr bestimmt betroffen … . Was waren eure Messe-Highlights? Was habt ihr vermisst? Außer Sonnenschein? Hat sich die Messe eurer Meinung nach eher zum positiven oder schlechten verändert? Seid ihr MCC Besucher? Wann habt ihr das letzte Mal was gelesen, dass nicht euer übliches Beuteschema ist? Das letzte mal über den Tellerrand geschaut? Und um mal die Frage aus der Aktion aufzugreifen: was würdet ihr in eurem Leben anders machen, wenn ihr nochmal die Gelegenheit hättest etwas zu ändern was vergangen ist?
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