Nach unserem quasi „halben“ ersten Tag in Japan, war die Motivation und Euphorie hoch. V.A. da wir wieder eine Nacht in einem richtigen Bett verbracht hatten, statt eingepfercht in einem Flugzeug. Von Jetlag war bei uns übrigens keine Spur – entgegen all der Horrorstorys, die ich darüber gehört habe. Und unser zweiter Tag widmete sich voll und ganz dem tokyoter Stadtteil Shibuya und seinem buntesten Viertel Harajuku. 😀
Hachikō in Shibuya
Als erstes zog es uns zu der Statue des treuen Akita-Hundes Hachikō in der Hoffnung, dass der Besucheransturm morgens noch gemäßigt ist. Wer kennt die Geschichte von Hachikō noch nicht? In den 1920ern Jahren hatte der tokyoter Professor Ueno Hidesaburō einen treuen Akita namens Hachikō. Der Hund erwartete sein Herrchen täglich zum Feierabend am Bahnhof Shibuya. Eines Tages aber verstarb Ueno überraschend während einer Vorlesung und sollte nie wieder zu Hachi am Bahnhof Shibuya zurückkehren. Die treue Tierseele aber gab nicht auf und kam immer wieder zurück zum Bahnhof Shibuya und wartete auf sein Herrchen. Selbst dann noch als er längt zu einer anderen Familie abgegeben wurde. Zehn Jahre lang wiederholte Hachi die Tradition – dann verstarb der treue Akita.
Hachi wurde tatsächlich noch zu Lebzeiten bekannt und die Bronzestatue zu seinen Ehren errichtet. Stilecht mit seinem Knickohr. 🙂 Seitdem wurde Hachis und Uenos Geschichte vielfach umgesetzt. Es gibt unzählige Erwähnungen und Anleihen in der Popkultur. Ein japanischer Spielfilm aus dem Jahr 1987 erzählen „Hachis Geschichte“ („Hachikō Monogatari„) als auch das Remake dessen mit Richard Gere aus den 2000ern. Aber die Geschichte um Hachi hat auch einen traurigen Beigeschmack, denn die Bronzestatue wurde aufgrund der Ressourcenknappheit im zweiten Weltkrieg schon mal eingeschmolzen. 🙁 Was wir hier sehen ist also nicht das Original. Etwas morbide ist, dass man den präparierten Hachi auch in Tokyo besuchen kann. Uns hat die Statue gereicht um uns die traurig-schöne Geschichte vor Augen zu führen. An dem Vormittag waren auch nicht übermäßig viele Menschen da. Und die, die da waren haben artig eine Schlange vor Hachi gebildet um sich mit ihm ablichten zu lassen. Übrigens ist es ratsam zu wissen in der Nähe welches Bahnhofsausgangs in Japan die Sehenswürdigkeiten liegen, die man besuchen möchte. Ich habe ja schon mal erwähnt, dass einen Straßennamen und Adresse nicht weiterbringen. Und die Bahnhöfe sind oftmals zeitgleich Metro-Bahnhöfe als auch für Züge und daher nicht selten ein unterirdisches Labyrinth. Der Hachikō-Ausgang heißt aber tatsächlich auch so und ist ausgeschildert.
Und da wir gerade in Shibuya waren, haben wir uns natürlich auch die große Kreuzung von Shibuya angeschaut. Die vielzitierte Fußgängerkreuzung, über die angeblich alle paar Minuten über zweitausend Menschen gehe ist nur wenige Meter vom Bahnhof Shibuya und Hachi entfernt. Man könnte fast meinen, dass sie eine eigenständige Sehenswürdigkeit und ein gesellschaftliches Phänomen ist – zumindest dem Ruf nach zu urteilen. An einem Mittwoch vormittag ist das ganze viel weniger aufregend als wir es uns vorgestellt haben. 🙂 Aber wir wollten es auch nicht um jeden Preis darauf ankommen lassen und nicht zur Rush Hour wiederkommen. Was sich aber wohl bemerkbar gemacht hat ist die Soundkulisse Shibuyas. Der Stadtteil gilt als kommerzielles Zentrum Tokyos, in anderen Worten als Shoppingmeile und Unterhaltungsviertel. Viele große Kaufhäuser sind hier angesiedelt und man wird aus allen Ecken mit Musik, Ansagen oder Werbung beschallt. Von den Hochhäusern lächeln einen große Bildschirme mit reichlich Werbung an. Das war es, was wirklich für uns den Eindruck der wuseligen Metropole erweckt hat. Überall Reize. Für uns hieß es aber erstmal weitergehen und die Ruhe vor dem Sturm genießen. 🙂 Wer übrigens noch ein paar Eindrück von der Shibuya-Kreuzung (und Hachi!) haben möchte, findet die in dem Video:
„The famous Shibuya crossing – 90 seconds“, via Carl Rosa (Youtube)
Ruhe suchen und finden am Meiji-Schrein
Um ein bisschen was von Shibuya zu sehen, legten wir einen Fußmarsch von Shibuya bis zum Meiji-Schrein am Rande Harajukus hin. Dabei fuhr des öfteren der Hachikō-Bus an uns vorbei. 🙂 Und wir sahen die eine oder andere Replika der Statue genauso wie große Kaufhäuser, die uns noch nicht so ganz locken konnten. Desto näher wir dem Meiji-Schrein kamen, desto ruhiger wurde es und plötzlich waren wir in der grünen Oase. Der Meiji-Schrein ist nämlich von einem Wald umgeben, der einen mit einem Schlag vergessen lässt, dass man sich in einer Millionenmetropole befindet.
Der Meiji-Schrein ist ein shintoistischer Schrein, was man u.a. an den großen Toren („Torii“) am Eingang erkennt. Zusammen mit dem Buddhismus bildet der Shintoismus eine der in Japan am weitesten verbreiteten Religionen. Und es ist auch üblich beide Religionen zu praktizieren – die Grenzen verschwimmen. Zu den Merkmalen buddhistischer Tempel kommen wir später 😉 Der Meiji-Schrein wurde zu Ehren des Meiji-Kaisers und seiner Frau Shōken errichtet. Das weitläufige Areal hat viele Infotafeln, sodass man das Gesehene auch einordnen kann. Wie beispielsweise die Unmengen an Wein- und Sakefässern, die dem Tempel gespendet wurden. Bei Besuchen anderer Tempel sollten wir merken, dass man ein bisschen Glück brauch um zwischen all den Touristen noch ein Gefühl der Spiritualität und Meditation festhalten zu können. Das ist hier dank der Natur und des weitläufigen Geländes sehr einfach. Und mit den angeblich diebischen Krähen hatten wir auch keine Probleme. 🙂
Wer in das Erlebnis ganz eintauchen will, dem empfehle ich Tessas Guide zum Tempelbesuch. Es gibt nämlich ein bisschen Etiquette. 🙂 So sollte man sich vor dem Besuch des Hauptschreins (und eventueller Konversation mit den Göttern) waschen. So nass wie das jetzt klingt ist das Vergnügen aber nicht. 😉 Leider haben sich darin nicht viele Touris versucht – auch nicht im Verbeugen vor dem Torii. Wir haben das aber durchgezogen – egal, ob uns einer seltsam angeschaut hat. Wer übrigens (wie wir) bewundert wie neu und unglaublich standhaft und gepflegt die Schreine aussehen, dem sei gesagt, dass viele im zweiten Weltkrieg oder nach Erdbeben den Flammen zum Opfern fielen und neu aufgebaut wurden. Erschreckend viele! So auch der Meiji-Schrein.
Unser Besuch dauerte in Anbetracht der Ehrwürdigkeit und einmaligen Stimmung des Ortes länger als eigentlich erwartet. Aber wir haben es nicht bereut, zumal der Wald auch für eine angenehme Abkühlung sorgt. An dem Tag herrschten 90% Luftfeuchtigkeit und es war auch insgesamt recht warm. Aber irgendwann mussten wir ja doch raus … . Und der Meiji-Schrein liegt an der Grenze zum grellbunten Unterhaltungs- und Popkulturviertel Harajuku – unserem nächsten Ziel. Bevor wir aber auf die Omotesandō zugingen, erweckte etwas „geplant ungeplantes“ meine Aufmerksamkeit. :3
Zu Besuch im Katzencafé
Dass wir mal im Laufe unseres Besuches in einem Katzencafé vorbeischauen, war geplant – aber eigentlich nicht an diesem Tag. Als wir aber vom Meiji-Schrein Richtung Omotesandō gingen, sahen wir gegenüber vom Bahnhof Harajuku eine Filiale des Cat Café Mocha und ich konnte nicht widerstehen. Eigentlich stehe ich den Katzencafés etwas kritisch gegenüber. Viele sind schlecht ausgestattet, sehen aus wie nicht fertig eingerichtete Einraumwohnungen und die Haltung der Katzen in kleinen Käfigen ist fragwürdig. In Igel- und Eulencafés würden mich übrigens keine zehn Pferde reinkriegen. Das sind Wildtiere und für ihre nicht-artgerechte Haltung sehen die von mir keinen Pfennig. Bei der Urlaubsplanung habe ich also nach Ketten gesucht, die für gute Katzenhaltung bekannt sind und bin u.a. auf Cat Café Mocha gestoßen. Und war positiv überrascht. 🙂 Es gibt einige Regeln, um die Katzen zu schützen. So darf man nicht mit Blitz fotografieren und schlafende Katzen müssen in Ruhe gelassen werden. Hochnehmen und rumtragen ist nicht erlaubt. Und die Katzen hatten wie man sieht ihre Rückzugsorte 😀
Sehr süß ist, dass es ganz verschiedene Rassen gibt und viel Platz zum Laufen. Ein Highlight der Katzen war als sich ein großer Moskito an eine der Fensterscheiben verirrt hat. Allerdings sind sie die viele Zuwendung gewöhnt und bei weitem nicht so anhänglich wie die Katzen meiner Eltern. XD Es gibt ein paar Dinge an die man sich halten muss. So muss man sich vor dem Eintreten die Hände waschen und desinfizieren, Schuhe ausziehen, Taschen und Jacken wegschließen, etc. Nahrungsmittel sind nicht erlaubt, aber man darf sich am Automaten soviele Getränke holen wie man möchte. Das Café hat auf mich einen guten Eindruck gemacht und man kam mal mit anderen Touris ins Gespräch. Insbesondere, wenn die Katzendiven gerade keine Lust hatten mit uns zu spielen XD
Popkultur im Überfluss in Harajuku
Unserem Zeitplan hingen wir jetzt ein wenig hinterher und das sollte leider so bleiben. Auf Wunsch einer einzelnen Person, die Hunger hatte (ich), suchten wir einen ganz bestimmten Crêpes-Stand, der Crêpe brûlée verkauft. Allerdings waren die am frühen Nachmittag alle schon ausverkauft! In Tokyo lohnt sich früh aufstehen. Auch wenn es ums futtern geht. Wir zogen weiter über die Omotesandō, eine Shoppingallee in Harajuku. Flanieren ist hier das richtige Wort. Die Menschenmassen verteilen sich hier gut, das Klima ist wegen der Bäume und des gespendeten Schattens sehr angenehm und es gibt Platz zum Pause machen. Die vielen Designerläden waren eindrucksvoll, konnten uns aber noch nicht übermäßig locken. Stattdessen versackten wir im Oriental Bazar. Sehr touri-like, denn hier kann man steuerfrei einkaufen und es gibt allen möglichen Nippes von witzigen Shirts, Magneten, Postkarten, Bonsais bis hin zu stilechteren Souvenirs wie Furoshiki, Bentoboxen, Yukata und Kimono, Sake-Sets usw. Und ja, hier haben wir dann doch etwas zugeschlagen. Es gibt auch eine Etage mit antiken Möbeln, Kimonos, Katanas, die die Reisekasse der meisten sprengen … .
Danach wurde der Hunger zu groß und wir wanderten etwas abseits der lauten Straßen Harajukus. Es zog uns ins Sakuratei in dem „Harajuku Street“ getauften Viertel, das sich sehr anders anfühlte als der Rest Harajukus. Kleine Galerien, Friseure und Barbiere, Blumenläden, Bars, Vintage-Shops – sieht ein bisschen nach Hipster aus, fühlte sich aber frischer und v.A. entspannter an. Im Sakuratei sitzt man selber am Teppanyaki-Tisch und macht sich selber ein Okonomiyaki 😀 Das ist eine „japanische Pizza“ aus Ei, Kohl, Fisch oder Fleisch und mit Toppings wie Mayonnaise und Zwiebeln. Im Laden (der übrigens an den zahlreichen Graffiti-Kunstwerken an den Wänden zu erkennen ist) kann man zwischen verschiedenen Sorten wählen und beliebig Zutaten dazubestellen, die man dann zusammen mit einer Anleitung an den Tisch geliefert bekommt. Ich kannte Okonomiyaki schon vorher, weil unsere ortsansässige Deutsch-Japanische-Gesellschaft die öfter zu Straßenfesten verkauft und fand unseren Versuch verglichen dazu eigentlich ganz authentisch und sehr lecker. Gerne wieder. 🙂
Frisch gestärkt nahmen wir dann die Herausforderung Takeshita-dōri („Takeshita-Straße“) an. Und als wir die Menschenmassen sahen, die sich vom Bahnhof Harajuku in die Fußgängerzone quetschten, merkten wir schon, dass wir gleich ungewollt viel Nähe zu anderen Menschen bekommen. Es war so voll. SO voll. In der Straße gibt es einige Ketten wie McDonalds und The Body Shop, zahlreiche Imbisse und Lokale, aber vor Allem Unmengen an kleinen Straßenshops, die kunterbunte, witzige, trashige Klamotten verkaufen und dabei wenig Wert auf Qualität setzen. Es ist grellbunt und geht nach Trends. Sicherlich eine Erfahrung wert, aber wir zogen dann relativ bald weiter. Schließlich wollten wir noch Shibuya und die große Kreuzung am Abend erleben.
Reizüberflutung in Shibuya
Und offensichtlich geht es in Shibuya abends erst richtig los! Die Soundkulisse war noch penetranter und die Straßen voll von Menschen, die nach Feierabend was erleben wollen – oder einfach nur nach Hause. Allerdings entfaltete Shibuya auch hier erst seine Wirkung, wenn die Reklametafeln im Dunkeln umso greller und bunter erscheinen. Uns liefen die Augen über, wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollen. Wir machten u.a. im Mega Donki einen Stop. Das ist eine der größten Filialen der Billig-Kaufhauskette Don Quijote (kurz: Donki). Dort gibt es alles! Sowohl Lebensmittel, als auch Haushaltsartikel, Souvenirs und Kuriositäten. Wer beispielsweise auf Kitkat und Pocky in vielen unterschiedlichen bei uns (noch) nicht erhältlichen Geschmacksrichtungen steht, findet hier in der Regel mehr als genug. Auch hier haben wir nochmal zugeschlagen und so richtig das Touri-Ding abgezogen. XD Ich fand sogar für meine Dolce Gusto Kapseln für Matcha Latte, die es bei uns nicht gibt. Allerdings ist Donki eine Sache für sich. Der Laden ist quasi unsortiert, auch wenn die Etagen grob nach Segmenten aufgeteilt sind. Davon mal abgesehen ist alles wild gemischt, eng und die Reizüberflutung naht. Nicht selten werden dort grelle Popsongs abgespielt und an den Decken blinkten an diesem abend LEDs, die förmlich zu sagen schienen „hier lauert ein epileptischer Anfall“. Ich bekam tatsächlich Kopfschmerzen und wir suchten dann bald die Kasse, dann den Ausgang und die frische Luft.
Da die Luftfeuchtigkeit scheinbar in Form von Nieselregen runterkam, flüchteten wir uns in das Kaufhaus Magnet. Dort kann man sowohl von Cafés als auch der Aussichtsplattform auf dem Dach die große Kreuzung sehen. Inzwischen muss man auf dem Dach Eintritt bezahlen – das war wohl früher nicht so. Aber der wurde uns wegen des (eigentlich ganz angenehmen) Nieselregens erlassen. Also haben wir das Treiben einen Moment von oben betrachtet. Vermutlich war die Kreuzung jetzt aufgrund des Regens leerer – auch die Straßen lichteten sich ziemlich schnell. Der Anblick war sehr cool – all die Farben und das Treiben im Dunkel machten uns seltsam melancholisch, jetzt wo wir soviele Etagen von der Akustik der ganzen Menschen und Popkultur entfernt waren. Zufrieden mit dem Tag und den ganzen Eindrücken gingen wir ins Hotel und planten den nächsten Tag.
„PINE*am – Gymnopedie“, via Eenie Meenie (Youtube)
Bisherige Artikel zur Japanreise: Reisevorbereitung | Reiseführer-Reviews | Essen in Japan | Manga-Tourismus | 5 Must-Do’s und 5 (halb)offene Fragen | Tag 1 (Anreise, Minato) | Tag 3 (Miyajima) | Tag 4 (Hiroshima) | Tag 5 (Kyoto) | Tag 6 (Roppongi, Shinjuku) | Tag 7 (Ghibli Museum in Mitaka, Setagaya und Tokyo Skytree) | Tag 8 (Kanda, Akihabara und Odaiba) | Tag 9 (Ikebukuro, Sunshine City) | Tag 10 (Sensō-ji, Asakusa, Sumida, Hachikō)
Und der nächste Tag bedeutet Kontrastprogramm – zumindest verglichen mit Harajuku und Shibuya. 🙂 Wir würden einige Stunden im Zug (Shinkansen!!!) verbringen und danach einen etwas spirituelleren Ausflug machen, aber dazu im nächsten Beitrag mehr. Wie wirkt Harajuku auf den Bildern auf euch? Wart ihr vielleicht sogar schon selber da? Wie ist eure Meinung zu Katzencafés?
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