Ja, ich habe eine App geschrieben. Das versuche ich meistens, wenn ich mal eine andere Programmiersprache lernen will. Irgendwie braucht man ja ein Ziel. Warum dann nicht gleich etwas sinnvolles? Außerdem kommt man so meistens über ein „Hello World!“ hinaus und versteht die Prinzipien der Sprache besser. In meinem Fall ist es eine kleine React-Webanwendung. Veröffentlichen werde ich sie vorerst nicht, sie dient auch eher nur meinem Eigenbedarf. 🙂 Das wird kein Coding-Artikel, weil es alles zu React schon irgendwo im Web gut aufgeschrieben gibt. Dafür braucht ihr mich nicht. Spannend war für mich aber wieder zu sehen wie es ist hobbymäßig eine App zu schreiben im Gegensatz zu dem berufsmäßigen Kontext. Wie ist das also nun mit dem Freizeit-coden?
Ein Board. Nur für mich.
Das habe ich das erste Mal gemacht. Früher schrieb ich meine Ideen für die Projekte in Form einer losen Stichpunkteliste auf. Inzwischen kann man ja sogar in Github, Gitlab und anderen Tools Boards ähnlich denen der agilen Softwareentwicklung anlegen, was ich auch tat. Da das eine One-Woman-Show ist, sah ich keinen Bedarf für SCRUM, aber für ein Kanban-Board. Vielleicht liegt es auch an den vielen Jahren in agilen Projekten oder gar meiner Zeit als Scrum Masterin, dass ich darauf nicht mehr verzichten möchte. Aber ich gestehe auch: mir fehlt eine „Crowd“. Das ist ja ganz schön so für mich hin- und herzupriorisieren und damit meine eigene Product Ownerin zu sein. Aber sowohl in punkto Feedback als auch was die Abarbeitung des Boards betrifft, fehlen andere Meinungen und Hände. Dass ich mir nicht mehr Leute ins Boot hole, liegt daran, dass die App für meinen Eigenbedarf ist und vermutlich anderen wenig bringt. Ich fand mich dabei wieder meinen Freund auszufragen wie er jenes Feature finden würde oder ob ihm dieses UI-Widget intuitiver erscheint als ein anderes, weil ich mich nicht entscheiden konnte. An manchen Tagen habe ich es auch verteufelt, dass ich alle Tasks alleine vom Board wegräumen muss. 😀 Naja. Es gibt schon mehrere Gründe, warum Software Teamarbeit ist.
Commits und Stolz
Das mag jetzt seltsam klingen, wo ich das nun doch jeden Tag arbeite, aber … ich hatte lange kein so großes Gefühl des Stolzes mehr, wenn ich die Commit Historie sehe. Meinen Job mag ich gern, aber es macht etwas mit einem, wenn man mal für sich selber programmiert. Zwar steht da (anders als auf Arbeit) niemand hinter einem, der mal sagt „cool gelöst“ oder „vielen Dank für die gute Arbeit“, aber trotzdem bleibt die Wirkung nicht aus. Ob das nun daran liegt, dass ich für mich programmiere oder Fortschritte beim Erlernen von React habe, kann ich an der Stelle nicht trennen.
Fragen, um die ich mir im Job bisher nie eine Platte machen musste
Wie mache ich ein schönes App Icon? Wie soll meine App eigentlich heißen? Solche Fragen nehmen einem sonst Produktvisionäre, Product Owner:innen, schlicht „die Kunden“ ab. Designer:innen überlegen sich wie das ganze schön aussieht. Ich bin nun wirklich designinteressiert und in manchen Belangen das kreative gewöhnt. Umso ironischer ist es, dass mich das solange und soviel Überlegungen gekostet hat. Während ich irgendwann den Arbeitstitel durch einen echten Namen ersetzen konnte, bin ich mir noch heute unschlüssig, ob ich Look and feel innovativ genug finde. Vielleicht sollte ich mal meinen UI/UX-Kolleginnen auf Arbeit sagen, dass sie schmerzlich vermisst würden, wenn es sie nicht gäbe.
In einem 8h-Tag schafft man mehr
Zwar ist der Stolz über die kleine, eigenständig erarbeitete Commit-Historie nicht verschwunden, aber eine Art Ernüchterung stellte sich ja doch ein. Freizeit ist knapp, am meisten Fortschritt passiert auf Arbeit. Da widmet man sich der Sache ja auch 40/Woche oder wieviel auch immer man arbeitet. Anfangs sah ich das gelassen. Wenn also der Kopf nach dem Arbeitstag schwer und die Augen müde waren, habe ich versucht besonders kleine Schritte zu machen. Im Hinterkopf die Botschaft des Entwicklers des Indie-Games The First Tree: never have a zero percent day. Dann ist da aber auch der Gedanke, dass es auch noch ein Leben gibt. Dass mein Nacken schon genug verspannt ist von den anderen Stunden vor dem Rechner. Und dass ich ja eigentlich nicht vorhabe mit der App ein Geschäft zu machen, also wozu mich stressen? Auf Arbeit ziehen die Dinge schneller an einem vorbei und der Fortschritt wirkt plötzlich sehr langsam. Und dann sind zwei, drei stressige Woche vergangen, man hat nichts programmiert und was halbfertiges rumliegen, das einen mahnend anschaut. Mmmmmh.
Großprojekte haben andere Möglichkeiten und Bedürfnisse
Stichwort Bedürfnisse ist auch Stichwort Faulheit. Da saß ich nun vor den ersten Zeilen Code meines Projekts und habe mich gefragt, ob ich TDD machen will? Hmmm. Hmmmmmmmmmmmmmm. ^^ Will ich CI/CD durchsetzen, dann muss ich wohl alles selber machen, denn die finanziellen Möglichkeiten von Großprojekten habe ich nicht. Also mache ich kein CI/CD? Hat da jemand Cloud gesagt, Moment? Okay, Spaß beiseite. Für mein Hobbyprojekt ist es okay nicht alles das zu tun, was zu einem Großprojekt dazu gehören würde. Ich kann auch keine Review mit meinen Stakeholdern machen, weil dann sitze ich eh alleine da und das wird furchtbar monoton. 🙂 Aber würde ich das professionell vermarkten wollen, dann ist das wohl der Punkt an dem ich mir doch mal Designer:innen leiste, Marktrecherche mache und in Infrastruktur investiere. Von nüscht kommt nüscht. Woran mal aber wohl nie sparen sollte ist Sicherheit.
Schreibe ich die App eigentlich noch aktiv? Nein. Ich habe immer auf den nächsten Urlaub gewartet, an dem ich voll durchstarte und mein letztes Drittel zu Ende programmiere. Dann erschien es mir aber wichtiger in besagtem nächsten Urlauben Zeit und Erholung abseits des Bildschirms zu tanken. Und da sind wir nun. Stellt sich nun vielleicht die Frage, warum ich gerade jetzt darüber schreibe? Nun vielleicht, weil ich neulich realisierte, dass ich die App wahrscheinlich auch nicht mehr zu Ende schreiben werde, weil ich sie inzwischen migrieren müsste. Dependencies haben sich geändert, die Welt hat sich weiterbewegt. Meine Stichpunkte da oben gammelten lange in meinen Notizen für diesen Blogartikel. Spannend fand ich die Punkte immer noch. Hobbymäßiges programmieren ist nun eben anders als professionelles. Schreibt ihr euch auch Apps um in ein Thema tiefer einzusteigen oder gebt ihr euch mit theoretischer Auseinandersetzung zufrieden? Falls ihr auch durchaus mal eine „Hobby-App“ schreibt, hattet ihr ähnliche Erlebnisse und Erkenntnisse? Wieviele solche zweidrittel-fertiger Projekte habt ihr in Repositories rumliegen? Oder was ist euer Tipp um sie doch noch zu wuppen? Richtig schwierig wird es, wenn man zwischendurch feststellt, dass man die App doch eigentlich gar nicht so dringend braucht. ^^
Dieser Beitrag nutzt Stockphotos von Austin Chan auf Unsplash und Paul Hanaoka auf Unsplash
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