Das letzte Mal habe ich meine Besprechungen zu „Sandman“ und „Something is killing the Children“ in einen Topf geworfen. Da ich inzwischen beide Reihen weitergelesen habe, tue ich das auch wieder. Was leider bei diesen beiden Bänden nicht ausbleibt ist, dass ich auf die vorherigen eingehen muss. Sie sind also spoilerfrei, aber nicht wenn ihr Band 9 von Sandman beispielsweise nicht kennt.
„Something is killing the Children“ Bd. 2, James Tynion IV/Werther Dell’edera, Splitter
Während mich der erste Band nicht vollständig gekriegt hat, funktioniert der zweite ein Stück weit besser für mich. Darin muss Erica in Archer’s Peak nach den Kindern des Monsters suchen, das sie gerade erlegt hat. Die Kleinen werden leider schnell größer und sind verdammt hungrig. Als sie Besuch von ihrem „Vorgesetzten“ bekommt, erleben wir einen kleinen Vorgeschmack auf die Organisation, für die Erica mehr oder weniger gern Monster tötet: den Orden des Heiligen Georg. Einst als Drachenbezwinger in die Kirchengeschichte und Sagenwelt eingegangen, haben die offenkundig einige radikale Einstellungen zum Thema Menschen und Monster. Auch Erica passen die nicht, obwohl sie aus Mangel an Alternativen in Erwägung zieht zu eben diesen unlauteren Mitteln zu greifen, um die kleinen Monster herauszulocken.
In Band 2 erhaschen wir damit also einen Blick auf den Zwiespalt Ericas und bekommen mit, warum sie so störrisch und andererseits kühl-pragmatisch ist wie sie ist. Auch erfahren wir, was es mit dem sprechenden Plüschi auf sich hat, dass sie mit sich führt und es gibt einen (ich möchte sogar meinen) ausreichenden Blick in ihre Kindheit. Ziemlich viel Fortschritt auf persönlicher Ebene. Was die Monsterjagd betrifft: geht so. Zwar erscheint mir der Zeichenstil in Band 2 schon etwas runder und weniger hektisch, die Panelaufteilung ist trotzdem häufig verwirrend. Gerade wenn die Panels sich auf den aufgeschlagenen Seiten im Querformat fortsetzen, übersieht man das häufig und liest erst Seite für Seite, nur um dann festzustellen, dass irgendwas nicht passt. Verwirrend eben. Unten habe ich ein Beispiel eingefügt. Würden die Panels die Seitengrenze deutlicher sichtbar kreuzen, dann wäre es einfacher zu verstehen, dass man quasi im Querformat über die Seiten hinweg weiterlesen muss. Trotzdem gewinnt Band 2 viel dadurch, dass es Fragen über Ericas Vergangenheit nicht zu lange vor sich herschiebt, seine Nebencharaktere mehr involviert und auf einem zugegeben spannenden Showdown hinarbeitet.
„Sandman – Das Erwachen“ (Sandman Bd. 10), Neil Gaiman, Michael Zulli et. al., Panini
Auch wenn Morpheus gegangen ist, Träume sterben nicht. So adressiert der zehnte Teil wie die Ewigen Abschied von ihrem Bruder nehmen. Währenddessen sitzt die neue Inkarnation von Dream in seinem Schloss und wartet darauf seine Geschwister begrüßen zu können. Es ist schon sehr bewegend zu sehen wie alle Träumenden an einem großen Bankett, einer Gedenkfeier und Beerdigung einer „Idee“ teilnehmen. Egal, ob es Nostalgie, Albtraum oder glücklichere Gedanken sind, die sie mit dem Träumen verbinden. Der zehnte (Sammel)Band nimmt sich viel Zeit, um sich von einem seiner Charaktere zu verabschieden. Inmitten dessen steht der neue König des Träumens, der übermenschliche Teil Daniel Halls, der den Platz im Träumen eingenommen hat. Da wo sein Ursprung ist, wenn man so will. Natürlich ist es neben einigen einprägsamen Momenten des neuen Königs auch v.A. die Geschichte der Charaktere, die ihn begleiteten und nun auf verschiedene Art damit umgehen, Abschied nehmen oder einen neuen Weg einschlagen.
Es wäre natürlich nicht Sandman, wenn der Band nur davon handeln würde. 🙂 Es gibt auch einige Nebenhandlungen, in denen das Träumen oder auch der eben verschiedene König eine Rolle spielt. Für meinen persönlichen Geschmack ist die Mischung hier etwas zu beliebig und manche der Geschichten sind zu kurz, das Pacing zu schnell um wirklich emotional treffen zu können (Shortstory „Als sie sich selbst begegneten“). Insgesamt ist Das Erwachen ein sehr nostalgischer Band, dessen Anfang wohl stärker ist als das Ende. Unendlich begeistert hat mich der Artstyle von Michael Zulli – so hätte ich gern die ganze Sandman-Reihe illustriert gesehen. Der Stil ist etwas verspielter und romantischer, aber sehr detailliert und mit einem sehr ansprechenden Charakterdesign.
John J. Muth hingegen steuert eine Geschichte bei, die einen ganz eigenen Reiz hat. Sie zeigt die Reise eines ins Exil verdammten chinesischen Präfekten. bei dem Ritt durch die Einöde gelangt er wohl ins Träumen. Die ganze Kurzgeschichte ist in einem kalligrafie-ähnlichen, stark kontrastierten Stil gezeichnet und hebt sich angenehm ab. V.A. ist das Spiel mit Licht und Schatten exzellent. Der Rest der Geschichten widmet sich weiteren Charakteren aus dem Sandman-Kosmos und schließt noch zwei für mein Empfinden sehr relevante Storylines ab. Zwar bleiben trotzdem noch einige Schicksale offen und ich hätte mich sicherlich auch gefreut mehr vom „neuen Dream“ zu sehen, aber im Großen und Ganzen habe ich den Band als sehr rund erlebt. Der König ist tot, lang lebe der König.
So, da sind wir nun. Ist das jetzt das Ende meiner schwierigen Reise mit Sandman? Ich wollte die Comics lieben und irgendwie tue ich das auch. Aber eben mehr wegen der Geschichte und der Charaktere, weniger wegen des Artstyles. Mit zu vielen Zeichenstilen der wechselnden Illustratoren:innen konnte ich nichts anfangen und auch der textlastige Look, das gestauchte Pacing mit den extra kleinen Panels ist einfach so gar nicht mein Ding. Das war vor 15 Jahren so als ich das erste Mal Sandman lesen wollte und das ist auch hier so gewesen. Nur, dass ich angestachelt durch Serie und Hörbuch halt schon gern dran bleiben und wissen wollte wie es weitergeht.
Wie geht es jetzt weiter? Geht es weiter? Die Recherche zeigt, dass man es mit der DC Reihe „The Sandman Universe“ fortsetzen könnte. Browst man ein wenig durch deren Reviews, sieht man aber auch, dass 1. schon ein Unterschied zwischen der vorherigen Inkarnation Dreams und der hier gemacht wird. Häufig wird er Lord Daniel oder Daniel Hall genannt, was mich etwas überrascht. 2. Scheint „The Sandman Universe“ die Tradition fortzusetzen, dass Dream nicht immer Protagonist der Geschichten ist, was dann auch meistens kritisiert wird. Ich bin mir noch unschlüssig wie und ob ich weitermache mit „Sandman“. Es fällt mir schwer das Träumen ganz loszulassen. 🙂 Wie sieht das bei euch aus?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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