Netzgeflüster: Umzug von Evernote zu …?

Ende letzten Jahres ist mir meine liebste Produktivitäts-App weggebrochen: Evernote. Und nun beginnt sie mal wieder, die Suche nach einer Alternative. 🙄 Wie ich vorging und was es letzten Endes wurde.

Was ist Evernote und warum umziehen?

Weg ist sie nicht. Man hat sich nur entschlossen die Preise auf einen Betrag anzuziehen, der für mich als Privatperson nicht gangbar ist. Das klingt jetzt wahrscheinlich ganz furchtbar, denn gute Software kann und sollte man sich was kosten lassen. Schließlich kann man nicht erwarten, dass gute Software vom Himmel fällt. Irgendjemand muss die schreiben und so viel steht fest: ChatGPT ist das nur in der Theorie. Aber wofür nutze ich Evernote am Ende des Tages? Notizen machen. 📑 Und dafür waren die Preise für mich nicht angemessen. Zwar gibt es einen Plan für die kostenfreie Nutzung, der erlaubt mir aber nur <= 50 Notizen zu haben. „Leider“ habe ich aber schon ein paar mehr. Es musste also eine neue Notiz-App her – oder ein anderes Vorgehen.

Meine Anforderungen

Es stand eine Menge zur Wahl, was ich ausprobiert habe und was schon irgendwie funktioniert hätte. Aber mit Abstrichen. Daher musste ich mich fragen, was meine Anforderungen sind. Was suche ich in einer Notizen-App oder wie möchte ich arbeiten? Mir ist wichtig, dass ich …

  • … Formatierungsmöglichkeiten habe (Überschriften, farbig machen, etc.)
  • … in einem gangbaren Format abspeichern kann, beispielsweise Markdown (bevorzugt) oder XML/HTML (wenn es denn sein muss)
  • … unbegrenzt Notizen ablegen kann
  • … Notizen nach Themen gruppieren oder anders kategorisieren kann (vertaggen etc. ginge auch)
  • … Notizen durchsuchen kann. Sowohl aus der Masse heraus als auch einzelne.
  • … sowohl am Rechner als auch unterwegs (über eine Mobile App) meine Notizen bearbeiten kann
  • … nicht mehr auf Notizsoftware oder einen direkten Anbieter angewiesen bin, der das Tool dann irgendwann auch kostenpflichtig macht oder mich auf andere Weise einschränkt (optional, weil irgendwann/irgendwo kosten die meisten Dienste zwangsläufig was)
  • … offline auf Notizen zugreifen kann (optional)

Man liest da oben schon Markdown heraus. Ja, irgendwann fragte ich mich, was die universell nützlichste Lösung ist, die wohl über die meisten Editoren und Apps funktionieren könnte und kam bei, nein nicht HTML, sondern Markdown raus. Ich könnte eigentlich wirklich alles umsetzen, indem ich einfach selber Markdown-Dateien in eine Cloud schmeiße, in der ich die idealerweise auch editieren kann. So im schlimmsten Fall. ⚡ Zwei Haken: Wenn schon Markdown, dann hätte ich aber auch gern eine Preview. Ideal: Ein Side-by-side für Markdown im Bearbeitungs- und Preview-Modus. Und der zweite Haken: ich müsste die Evernote-Notizen auch in Markdown konvertieren, denn einige davon würde ich weiter nutzen wollen. Aber kann ich das vielleicht einfacher haben?

Ansatz 1: selber „hosten“ aka „der steinige Weg“

Die Recherche zeigte, dass es eine Menge Tools gibt, die so oder so ähnlich wie Evernote sind. Beispielsweise Obsidian oder Joplin. Aber das widersprach meiner optionalen, vorletzten Anforderung. Ich will mich von einer Software eines Drittanbieters unabhängig machen.

Einfach ein Notizentool in einer Cloud-Lösung (Nextcloud, Dropbox, etc.)? Ok, ja, aber da bleibt immer noch das Problem es vom Evernote-Format (.enex oder .html) in Markdown zu konvertieren, damit man eine gangbare Lösung hat, die möglichst viel Software unterstützt und out of the box anzeigt und mobil funktioniert. Bleibt das Problem des Konvertierens. Ich probierte das aus. Evernote exportiert entweder in .html oder in das hauseigene .enex-Format. Probiert habe ich es u.a. mit Pandoc (Command Line Interface). Offensichtlich ein cooles Tool, das HTML prima in Markdown konvertieren kann. Zu dumm nur, dass die Evernote .html-Dateien vollgepumpt sind mit spezifischen Tags und Klassen für die Optik, die nur sinnlosen Ballast im konvertierten Markdown-Output produzieren und viel zu viel Nachbearbeitung erfordern. Dasselbe Ergebnis hatte ich mit anderen Outputformaten und Command Line Tools.

Dann wiederum: sollte ich ggf. aus meinen Notizen eine statische Webseite im Stile eines Blogs machen (wie es jetzt in ist, anders als noch vor zehn Jahren als ich mit dem Bloggen anfing)? Meinen ganzen Kram einfach in ein Git-Repository schmeißen? Vielleicht ein frei verfügbares Theme nutzen, damit ich nicht tagelang an HTML/CSS bastele? Nachteil: es ist ein Git-Repository, es ist etwas over-engineered und das Problem der Konvertierung besteht im Grunde weiterhin, denn die .html-Backups haben einfach zu viel Ballast.

Eine App selber schreiben? Keine Zeit im Moment. Nach ein bisschen Recherche und dem ausprobieren von x Command Line Tools zum Konvertieren von y nach z (natürlich mit vorheriger Code Review, damit das am Ende nichts böses tut 🙄), sah ich mich schon alle meine (wichtigeren) Evernote Notizen händisch aus Evernote kopieren, programmatisch in Markdown ablegen und in Zukunft alles im VSCode selber schreiben. Kein Scherz! Es gab keine Out of the Box Lösung. Dachte ich. Dann gab ich doch noch mal dedizierter Notiz-Software eine Lösung.

Am Ende: Joplin

Joplin erlaubt es einem dann am Ende ja doch Evernote-Backups direkt einzulesen und anzuzeigen. Es ist vom Look and Feel wie Evernote und erfüllt alle meine harten Kriterien bzw. Anforderungen. Nur eben die optionale nicht – von einer Notizsoftware ganz wegzukommen. Der Export nach Joplin hat einwandfrei geklappt. Der einzige kleine Wermutstropfen ist, dass bei ca 5% meiner Notizen der Titel nicht übernommen wurde. Mir ist nicht ersichtlich, woran es lag. Die „Unbekannten Notizen“ musste ich dann selber identifizieren. Dass das so gut klappt ist auch kein Wunder – Evernote und Joplin sind offensichtlich Konkurrenz.

Nachdem ich nun Joplin einige Monate im Test habe, funktioniert das einwandfrei. Die Synchronisierung zwischen Desktop und mobil muss man selber einrichten, wobei Joplin einige Möglichkeiten anbietet. So stellt sich bei der freien Nutzung auch nicht die Datenspeicherungs- 💰 und Datenschutzfrage. 🔍 Sehr gut! Hier ein paar visuelle Eindrücke. Übrigens: es macht Markdown. Sehr angenehm 👍 Nur ein Lieblings-Theme habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht mache ich mir mal selber eins und nutze meine CSS-Kenntnisse mal wieder.

Die Navigation zwischen den Notizbüchern
Übersicht zwischen Bearbeitungsmodus und Markdown – nebeneinander. Und Spoiler für den Blog im Februar.

Welche sind eure liebsten Produktivitäts-Apps? Arbeitet ihr vielleicht sogar mit den oben genannten?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂

8 Antworten

  1. Wow! Ich habe zwar nicht alles Technische verstanden, aber kann mir zumindest den initialen Struggle nachvollziehen und vorstellen welch Arbeit die Recherche, Entscheidungsphase und Umsetzung war. Du klingst glücklich und zufrieden – mission accomplished also!
    Ich hab eine ganze Weile Evernote benutzt, aber irgendwann sollte es nicht mehr sein. Aktuell ist es OneNote und Excel, dazu gesellen sich noch mein Bullet Journal und meine Notizapp – ist nicht grad lean, aber grad klappts ganz gut ^^

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ob lean oder nicht – Hauptsache es funktioniert gut für dich! Offen gestanden, habe ich auch noch eine schlankere Notizen-App, in die dann nur so Dinge kommen, die ich tagtäglich brauche und die schnell wieder wegfliegen wie mein Einkaufszettel oder Erinnerungen.
      Das da oben ist mehr für langfristige Dinge.
      Und ein Bullet Journal habe ich auch noch XD Du weißt dann vermutlich sehr gut was da eher so drin landet.

  2. Guten Morgen!
    Auch ich habe zwar zum Teil nur „???“ verstanden, weil ich von diesen Dingen keine wirklich tiefe Ahnung habe, fand Deinen Artikel aber sehr interessant.

    Ich wusste gar nicht, dass Evernote inzwischen (?) Beschränkungen hat. Habe meines schon etwas länger nicht genutzt.

    Außerdem habe ich mir nun Joplin und Obsidian angeschaut. Optisch spricht mich Obsidian mehr an und ich fühlte mich von der Landing Page auch mehr abgeholt. Ob ich eine der beiden ausprobieren werde, weiß ich noch nicht. Reizen würde es mich allerdings schon. Da werde ich jedoch ebenfalls erst einmal eine Liste machen, was genau ich eigentlich brauche und will. Evernote ist für mich immer noch der Favorit, da alles auf Deutsch ist.

    Liebe Grüße!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Naja, in der Kategorie hier wird’s schon mal etwas technischer. 🙂 Aber ich hatte auch die Hoffnung, dass man abgesehen von ein bisschen Tech-Gebabble das Fazit und das Grundsätzliche auch so versteht.

      Ja, Evernote hatte nicht immer die Beschränkungen. Das ging glaube ich irgendwann letztes Jahr los. Und vor Jahren kamen auch schon so kleinere Beschränkungen (Wenn du ein benutzerdefiniertes Hintergrundbild auf der Startseite haben wolltest, musstest du Premium kaufen, sowas). Aber die hielten einen zumindest nicht grundsätzlich vom Schreiben von Notizen ab.

      Obsidian erscheint mir kommerzieller gebackup-ed und Joplin vielleicht auch mehr von/für eine Community gepflegt. Der Eindruck kann aber täuschen.

      Ebenso liebe Grüße

  3. Spannend zu sehen, wie jemand das von technischer Seite und über die Programme angeht; danke!

    Selbst bin ich inzwischen ganz woanders mit meinen Notizen, nämlich bei E-Ink-Geräten, von denen die meisten wohl am ehesten das reMarkable kennen. Die weniger bekannten Konkurrenten Supernote und Boox (läuft auf Android) bieten aber sehr viel mehr Funktionen an, sodass ich von beiden Firmen inzwischen Geräte in jeder Größe habe, die fantastisch zum Lesen und Durcharbeiten von Texten sind.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Die E-Ink-Geräte habe ich überhaupt nur auf deinem Instagram gesehen. 🙂 Ich kannte vorher nur E-Book-Reader mit E-Ink und gar nicht, dass es welche gibt, auf denen man Schreiben kann. Das fand ich schon beeindruckend und es wirkt sehr praktisch. Den Preis des reMarkable fand ich aber auch beeindruckend … vielleicht schaue ich mir mal die Alternativen an.
      Allerdings mache ich inzwischen sehr wenig handschriftlich.

  4. Avatar von Matthias
    Matthias

    ich hatte ja schon auf bluesky erwähnt, dass Obsidian das Tool meiner Wahl ist, aber ich musste auch nie Daten migrieren.

    ich fühle mich damit auch nicht wirklich abhängig vom Anbieter, da ich den auf über Dropbox selbst mache und dadurch die Markdown files einfach auf meiner Platte liegen. wenn Obsidian verschwindet, meine Files bleiben.

    von Joplin habe ich hier das erste Mal gelesen und es sieht zumindest auf deinen Screenshots sehr gut aus.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja das Prinzip von Obsidian und Joplin ist sehr ähnlich. Mein Markdown bleibt auch, sollte Joplin verschwinden.
      Obsidian hätte für mich nicht geklappt wegen der Migration. Joplin kann ich sehr empfehlen – es sieht nur am Ende nicht ganz so hübsch aus wie Obsidian. Aber das kann ich ab.

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