Immer wieder höre ich von Social Media Nutzer:innen Sätze wie „Ich sehe gar nicht mehr was ich eigentlich abonniert habe im Feed“ und erlebe das auch selber. Zwar haben Threads, Bluesky und Mastodon den Zeitgeist (zum Teil) verstanden und Gegenoffensiven zu dem geplant, was früher in X/Twitter und Facebook zum gängigen Geschäftsmodell wurde. So ganz sind algorithmische, werberelevante Prozesse aber offenbar nicht wegzubekommen. Kennt ihr? Dann ist der Beitrag für euch und hat ein paar Erklärungen und Tipps parat.
Social Media
Warum sehen wir in manchen Sozialen Netzen soviel Quatsch, den wir nicht abonniert haben? Dafür muss man den „Quatsch“ trennen. Einmal in Werbung und in vorgeschlagene Inhalte. Werbeschaltungen sind das eine, offensichtliche. Die bringen Geld und werden daher entsprechend viel in unsere Feeds und Startseiten gepumpt. Warum aber sehe ich nicht nur so viel ungebetene Werbung, sondern auch vorgeschlagene Inhalte? Damit ich möglichst lange bleibe und im Umkehrschluss auch mehr Werbung sehe, die Plattform mehr Geld verdient. Damit ich lange bleibe, werden Profile über mich erstellt, die Aussagen über meinen Geschmack geben, was mir gefällt und was nicht. Deswegen werden sich die Vorschläge und die Werbung die du angezeigt bekommst und vielleicht die, die dein Nachbar sieht, durchaus sehr verschieden sein.
All das wird also überall dort von Algorithmen gepusht, wo die Plattformen Geld verdienen wollen. Sicherlich also nicht das Problem vom Fediverse (Mastodon, etc.) 😉 Auf Facebook, X (ehemals Twitter), Instagram und anderen ist es aber immer noch ein fundamentaler Teil des Geschäftskonzepts. So fallen die Profile derer, die ihr eigentlich abonniert habt, zwischen der Werbung entweder nicht auf oder werden durch Algorithmen weggefiltert, damit euch mehr Vorschläge und Werbung angezeigt werden kann. Ich vermute auch, dass deswegen Storys so gut ankommen, weil Nutzer:innen da aktuell das Gefühl haben eher weniger weggefiltert zu werden. Werbung gibt es dazwischen natürlich auch. Wie genau die Algorithmen arbeiten, ist nicht bekannt. Organisationen wie Algorithm Watch beißen sich seit Jahren die Zähne daran aus Einsicht in diese zu bekommen. Zumal sie auch relevant für Desinformation und politische Einflussnahme sein könnten.
Inzwischen ist der Aufschrei aber selbst im kleinsten Rahmen („Ich sehe nicht mal die Beiträge meiner eigenen Familie!“) so groß, dass Instagram vor einer Weile die Möglichkeit eingeführt hat, Profile als „Favorit“ zu markieren und damit sicherzustellen, dass sie in eurem Feed erscheinen Stand heute müsste ihr dazu auf dem Profil die „Gefolgt“-Schaltfläche auswählen und dort „als Favorit markieren“. Zumindest ist das der Klickpfad für Instagram via Browser. So richtig kann man daher nicht vom Austricksen des Algorithmus sprechen. Was der Algorithmus wie priorisiert bleibt ein Geheimnis. Freiheit sieht anders aus. Neben dem komplett anderen Ansatz der auf Activity-Pub-Protokollen basierenden Plattformen wie Mastodon, hast du übrigens auch bei Bluesky die algorithmische Wahl. Dort kannst du dir (Stand heute) einen eigenen Feed zusammenklicken. Ich nutze beispielsweise Mutuals um auch mal Nachrichtenkanäle auszublenden und nur zu sehen, was meine „Crowd“ postet. Oder anders ausgedrückt: es zeigt nur Posts von Profilen an, denen ich folge und die mir zurückfolgen.
Adblock-Blocker blockieren
Vielleicht ist euch auch aufgefallen, dass es seit Herbst letzten Jahres immens viel schwieriger geworden ist Werbung zu umgehen. V.A. auf Youtube werden Adblocker zuverlässiger erkannt und die entsprechenden Adblock-Plugins haben eine enorm hohe Quote mit der sie Updates rausschmeißen. Wer sich fragt warum das so ist (und vielleicht auch warum Youtube-Werbung so besonders nervig ist), findet das sehr ausführlich beim Kollegen The Morpheus im nachfolgenden Video erklärt:
Die AI-Falle
Bisher haben wir uns bei hartnäckigen Algorithmen hier sehr auf Werbung konzentriert, aber mein Lieblingsbeispiel sind eigentlich Algorithmen, die (anders als der geheime Instagram-Algo) sogar sehr tief blicken lassen. Ich spreche von Generative AI, d.h. von text-, bild- etc.-generierenden KI-Modellen. ChatGPT, Midjourney, ihr wisst schon. In dem super spannenden Beitrag Wie Bildgeneratoren die Welt zeigen: Stereotypen statt Vielfalt hat Algorithm Watch untersucht wie die mit Vielfalt umgehen. Sind KI-Modelle wirklich inzwischen soweit, dass ein Prompt auch Personen unterschiedlicher Hautfarbe etc. generieren kann statt beispielsweise vorrangig weiße Menschen? Oder vorrangig schöne? Sonst irgendwelche Vorurteile in die Bilder generiert? Nicht zwingend.
Dieses „Verständnis“ über die Welt in beispielsweise Künstliche Neuronalen Netzen abzubilden ist immer noch schwierig. In dem oben verlinkten Beitrag wird klar, dass die Tools stattdessen intern mehrere Anfragen/Prompts absetzen, in denen hard-coded drin steht, dass Bilder von beispielsweise BIPoC, Personen mehrerer Geschlechter etc. generiert werden sollen. D.h. das Modell „kennt“ dieses Wissen in der Tiefe nicht. Ich schätze das ist der einfache Weg, um ein hehres Ziel zu erreichen. Klingt aber auch etwas nach low effort.
Austricksen ist zu viel gesagt
Wie man hier rausliest ist Algorithmen austricksen zu wollen letzten Endes nur so dahingesagt. Häufig kann man mit Tool-Kenntnis mehr für sich rausholen, aber auch nur wenn das die Plattform (algorithmisch) zulässt. Siehe Instagram. Es mag beunruhigend erscheinen, war aber abzusehen, dass Algorithmen eine gewisse Einflussnahme in unserem Leben haben. Habt ihr schon über euren letzten Besuch bei der Krankenkasse oder Versicherung nachgedacht? Euch mal gefragt wie wohl berechnet wird, ob ihr den Kredit bekommt? Algorithmen. Immer wieder lohnenswert darüber nachzudenken. Das ist ein kleiner mahnender Beitrag für uns alle und einer für Software Entwickelnde im Speziellen darüber nachzudenken, was ihr schreibt.
Welche Beispiele kennt ihr, in denen Algorithmen für euch einen sehr großen Unterschied machen?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂
Schreibe einen Kommentar