Seit der Japanreise habe ich hier im Blog keine Reiseberichte mehr veröffentlicht, was ich bis dahin eigentlich sehr gern gemacht habe. Der Grund ist eigentlich nur, dass die Japanreise (wunderschön, aber auch) so aufwendig in der Planung war, dass wir danach nur relativ entspannte Strandurlaube gemacht haben. Auch die Pandemie hat damals die Reiselust begrenzt. Als ich aber neulich mal durch meine Reiseerinnerungen zu z.B. Kopenhagen hier im Blog las, fiel mir ein wie schön man dort die Eindrücke konservieren kann und bekam Lust euch rückblickend mitzunehmen – nach Sylt!
Das wichtigste kurz und knapp
Sylt ist eine Insel in der Nordsee, die vor der dänischen und deutschen Küste liegt. Sie gehört zu Schleswig-Holstein und es gibt keine Brücke „rüber“. Man gelangt nach Sylt entweder mit der (Auto-)Fähre oder per Bahn über den Hindenburgdamm. Man kann sich übrigens mit dem DB Sylt Shuttle auch mitsamt Auto auf einen Autozug aufladen und rüberfahren lassen. Sylt hat fast sowas wie eine Seepferdchen-Form bzw. hat eine lange Nord-Süd-Ausdehnung, aber eine geringe Ost-West-Ausdehnung. Auf der Westseite („Ozeanseite“) windet es ordentlich, auf der Ostseite ist das Baden etwas ruhiger. Sylt wird von der Nordsee und den Wetterwechseln bedroht. Jährlich wird einiges an Sand abgetragen, wogegen es verschiedene Ansätze und Maßnahmen gibt (beispielsweise Tetrapoden und nein, da sind nicht immer lustige Augen draufgemalt 😉). Die Südspitze (Hörnumer Odde) verschwindet langsam und man redet schon darüber, ob es passieren kann, dass Sylt eines Tages vom Wasser überspült wird und zu zwei Inseln wird. 😨
Auf Sylt wurde früher Sölring gesprochen (bzw. wird es immer noch von echten Einheimischen), einem nordfriesischen Dialekt. Man bekommt davon aber wenig mit. Sylt ist eine Insel für Fischfang, Muschelzucht, Vogelbeobachtung, Wassersport und Baden. Die Strände sind meist aufgeteilt in einen allgemeinen Bereich, einen für FKK und einen Hundestrand. Keine Überraschung also: ich habe Sylt familien- und hundefreundlich erlebt. Die Landschaft auf Sylt ist geprägt von Dünen, Stränden, Heidekraut und Sylt hat 4 (eigentlich 5) Leuchttürme aufzuweisen. Die Architektur umfasst friesischen Baustil, erkennbar an u.a. Klinker und Reetdächern. Sylts Geschichte umfasst Schickeria, von der man u.a. noch etwas in Kampen merkt. Das und einige andere Orte auf der Insel sind Kurorte, weswegen man Kurtaxe zahlt und als Nachweis darüber eine Gästekarte erhält. Das Prinzip Gästekarte/Kurabgabe hilft dabei den Tagestourismus zu regeln und Sylt zu erhalten. Will man zum Strand oder zu bestimmten Sehenswürdigkeiten, muss man die auch vorzeigen. Wir bekamen unsere unproblematisch beim Einchecken ins Hotel und mussten uns um nichts kümmern.
Wir sind per Bahn rübergefahren und haben uns dort mit den Bussen und zu Fuß bewegt, weil wir möglichst klimaneutral(er) reisen wollten. Das geht sehr gut, nur hatten wir etwas Pech bei der Hinfahrt. Aus unserer geplanten 7h-Hinreise mit der Bahn wurden 10 und die Enge in der letzten Bahn hat dann leider doch dafür gesorgt, dass ich final urlaubsreif war. Wohingegen die Rückfahrt komplett reibungslos verlief. Es war magisch über den Hindenburgdamm dahinzugleiten und zu sehen wie Land plötzlich Wasser wird – oder andersrum. Auf Sylt erwartete uns TLDR; wunderbares Strandwetter, nur ein halber Regentag und gutes Essen.
Ich und die Nordsee, wir haben keine Geschichte
Es ist wahr: ich war noch nie an der Nordsee. Tatsächlich habe ich viele Landstriche Deutschlands erst als Erwachsene besucht. Aus meiner Kindheit kann ich mich an einen Urlaub an der Ostsee und einen in Bayern erinnern. Es herrschte vorrangig die Meinung: Urlaub in Deutschland ist zu teuer und das Wetter ist meistens schlecht, deswegen fahren wir in den Süden. Da ist sicherlich was Wahres dran, aber desto älter ich wurde, desto mehr stellte sich das Gefühl „eigentlich schade“ ein.
So stand die Nordsee zwar schon auf meiner „Mal besuchen“-Liste, nur nicht vorrangig Sylt wegen der jüngsten Nachrichten um feiernde Nazis. Denn falls das noch nicht aufgefallen ist: ich habe null Toleranz für Nazis. Oder reiche Möchtegerns, die sich für besser als andere halten. Nun ist auch klar, dass eine ganze Insel bzw. ein ganzer Landstrich nichts dafür kann, dass ein paar rechte Idioten dort gern ein Mal feierten. Ausschlaggebend waren aber eigentlich zwei zeitgleich aufploppende Bemerkungen. Zum Einen war ein Arbeitskollege mein Lifestyle-Influencer. Er war gerade auf Sylt und schwärmte davon. Zur selben Zeit plante ich (viel zu spät) eine Reise in die Provence und fand wenig überraschend keine Unterkunft mehr. Da landete ich irgendwo bei der Recherche auf einem Blogartikel, der versprach (sinngemäß): im August verwandelt sich Sylt in die Provence, weil die viele blühende Besenheide so an den Lavendel erinnert. Ich erkenne einen Wink mit dem Zaunspfahl.
Strand, Heidekraut und jede Menge Tischreservierungen
Nach unserer schrecklichen Anreise also wurde uns der Gegenbeweis erbracht, dass man sehr wohl sehr gut Urlaub in Deutschland machen kann. Teuer ist er aber, das stimmt. Ein Mittagessen unter 28€ für eine Hauptspeise ist selten und wenn dann eher an der Imbissbude. Ohne Tischreservierungen kamen wir abends nirgends unter. Tagsüber kann das schon mal klappen, wenn es nicht gerade 12 Uhr ist. Das wirkt etwas seltsam, weil Sylt im August diesen Jahres (abgesehen von Westerland) nicht überlaufen war. Aber wir waren gewarnt: das erzählen einem Reiseführer wie auch Reiseblogs. Einer der Gründe, warum wir uns für eine Ferienwohnung entschieden haben und einige Male selber kochten. Gewohnt haben wir in Hörnum im Süden der Insel – eine weise Entscheidung wie sich herausstellte, denn das überlaufene Westerland hat mir (da fühle ich den Ärztesong) leider kein bisschen gefallen und Kampen ist optisch schön, aber tatsächlich arg schickimicki.
Im ruhigen Hörnum waren wir in 3 Minuten am Strand und dort gibt es Leuchtturmromantik. Ich hatte schon immer ein Faible für Leuchttürme, weil sie eine solche Symbolkraft eines „sicheren Hafens“ haben. Den in Hörnum kann man sogar (als einzigen auf der Insel) besichtigen und ich fand das äußerst sympathisch und spannend. Zu anderen Orten auf Sylt habe ich keine wirkliche Meinung entwickelt und zu wenig davon gesehen (List z.B.). Aber beim Wandern über die Insel empfand ich die Orte auf dem Ost-Ausläufer der Insel als sehr romantisch, wunderbar grün und ruhig – Keitum und die umliegenden Orte beispielsweise.
Nach unserer aufregenden Anreise legten wir also am nächsten Tag wunderbaren Wetter sei Dank in unserer „Homebase“ Hörnum einen Strandtag ein und ich saß das erste Mal (soweit ich mich erinnern kann) in einem Strandkorb. Danach ging es Wandern. Und in der abwechselnden Reihenfolge ging das weiter bis zum Ende unseres Urlaubs.
Wandern im August
An unserem ersten Wandertag wollten wir nun die Aussage mit dem Heidekraut und der Provence testen und folgten diesem Wanderweg durch die Braderuper Heide. Es war wunderschön und fast surreal. Ich stamme aus einer Gegend, wo auch jährlich viel Heide (wir sagen Erika dazu) wächst, aber so viel auf einem Fleck habe ich noch nie gesehen. So fiel auch der Duft auf und das Summen der Bienen, die sich bei der Besenheide tummeln. Der Wanderweg war sehr angenehm und führte über einen gepflegten, breiten Holzplanken-Weg. Vieles auf Sylt ist Naturschutzgebiet und die Planken helfen damit man 1. nichts zerstört und 2. auf den Wegen bleibt. Ist der Vergleich mit der Provence nun sinnvoll? Keine Ahnung. Ich war ja noch nie an den Lavendelfeldern. 😅 Anzunehmen ist aber, dass es eine ganz andere Atmosphäre hat. Farbe, Duft, Beschaffenheit sind anders.
Was auf jeden Fall schon mal stark für die Heideblüte auf Sylt (oder in anderen Landstrichen Deutschlands) spricht ist, dass sie wahrscheinlich nicht so überlaufen sind. Ich musste mir stellenweise keine Mühe geben ein Foto zu schießen, auf dem keine anderen Menschen sind. Es gab zwar einige, aber wir hatten noblen Abstand zueinander und waren immer mal für uns. Durch den Überhang zu dem Lila/Magenta der Blüten fühlte ich mich einige Male wie auf fremdem Territorium in einer Star Trek Episode. Ein anderes Highlight: der Wanderweg enthält einen Stopp bei dem Künstlercafé Kupferkanne in Kampen, wo ich sowieso hinwollte. Auf Sylt gibt es in fast jedem Ort eine Bäckerei/Konditorei, die Kult ist. Das trifft auch auf die Kupferkanne zu. Sylt kultiviert den Blechkuchen und versteht, was „eine Portion Schlagsahne“ wirklich bedeutet.
Unsere zweite geplante Wanderung fiel halb ins Wasser. Sowieso war der Wetterbericht quasi unberechenbar. Angekündigte, laue 21-24° entpuppten sich als richtig geile, warme Strandtage. Der Regen, der nur bis 10 dauern sollte, mündete in halbtäglichen, fiesen Niesel. Der zuverlässigste Wetterbericht war einfach aus dem Fenster zu schauen. So hielten wir es und fuhren kurzerhand nach List (ans andere, nördliche Ende der Insel) und gingen dort in das Museum Naturgewalten. Es ist doch eher auf Kinder ausgelegt und manches etwas in die Jahre gekommen, andererseits gibt es sehr viel zu lesen. So viel, dass sogar ich als Museumsfan und Bücherwurm es müde wurde. Trotzdem ist es sehr empfehlenswert, da es einem in der Tat viel über die Nordsee beibringt. Richtig löblich: es gibt einen eigenen, umfassenden Teil der Ausstellung über den Klimawandel. Würde gern mal alle „Klimawandel ist eine Lüge“-Schwurbler in einen Bus stecken und da hinschicken.
Nachdem wir aus List mit dem Bus zurück Richtung Süden fuhren, machten wir den Test. Würde die Wolkendecke aufbrechen, sobald wir auf Höhe Kampen waren, würden wir zumindest einen Teil des angedachten Wanderweges Rotes Kliff Wanderung gehen. Und so war es! Wir aßen in Kampen einen Happen und gingen dann gut gestärkt hoch zur Uwe Düne und genossen auch dort nochmal den Blick über Kampen, die Heidelandschaften, Dünen und das Meer – dieses Mal Westseite. Es war fantastisch und wir waren total fasziniert von den Farbkontrasten in der Augustlandschaft. Dann ging es noch oben auf dem roten Kliff entlang des Plankenpfads bis uns die Beine schwer wurden und wir zurück nach Hörnum fuhren.
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen(?)
Ja, nein, natürlich geht die zu Ende – der Urlaub ist vorbei. Es war schön, aber wir haben bei Weitem nicht alles geschafft. Sylt hat mir aber doch so gut gefallen, dass ich den Rest nochmal schaffen möchte. Wir haben tatsächlich nur drei der fünf Leuchttürme gesehen. Auch eine Wattwanderung, das Aquarium in Westerland und den „nördlichsten Punkt Deutschlands“ haben wir ausgelassen. Was wir mitgenommen haben, war aber v.A. ein entspannter Urlaub ohne Termindruck. Abgesehen von Strandtagen und Wanderungen waren meine Highlights die Führung durch den Leuchtturm Hörnum und die Schifffahrt ab Hörnum mit Seetierfang (die werden wieder ins Meer zurückgekehrt!) und Fahrt zu den Seehundbänken. Wir haben Robben gesehen 😍 Tipp: sich informieren wann man welche sehen kann. Ich glaube 2h vor/nach Niedrigwasser war es. Gezeitenkalender anschauen und nicht vergessen: die Gezeiten verlaufen anders an verschiedenen Teilen der Insel.
Kulinarisch hat Sylt einiges zu bieten und wir haben zwischen Imbissbude und Sternerestaurant alles mitgenommen, weil wir einfach Foodies sind. Wobei mir das Mittelpreis-Segment am sympathischsten war. Im Sternrestaurant wurde dann doch ganz schön das Besteck geworfen, wenn das „zweite Seating“ näher rückte und man „immer noch da war“. Vielleicht habe ich etwas zu viel The Bear geschaut, aber da hatte ich mir was anderes erwartet. Wie immer gilt natürlich, dass einer nicht stellvertretend für alle ist. Ich aß eines der besten Fischbrötchen, genoss eines der besten Frühstücke und auf Sylt gab es einfach so viel Variationen von Fisch! Mit Sylt gibt es bestimmt ein Wiedersehen. Mit Westerland nur, wenn ich aus der Bahn aus- und einsteige, schätze ich.
Wer schon ganz lange hier mitliest und sein sehr(!!!) gutes Gedächtnis hat, wundert sich eventuell über die Umbenennung der Rubrik von „Reise, Reise“ zu einem schlichten „Reise“. „Reise, Reise“ ist ein Rammstein-Song. Nach jüngeren Ereignissen verging mir aber die Lust den im Titel zu verwenden, zumal ich ihn sicherlich unabhängig von seiner eigentlichen Bedeutung referenziert habe. Aber zurück zu schöneren Themen: wart ihr schon mal auf Sylt? Es hat mich übrigens stellenweise sehr an das Spiel Dear Esther erinnert – nur dass das Wetter bei uns sonniger war. Welche Orte an der Nordsee könnt ihr mir noch empfehlen? Und wenn ihr jetzt auch Leuchtturmromantik habt, dann empfehle ich folgende sieben Filme mit Leuchtturm.
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