ausgelesen: Hiroko Oyamada „Das Loch“

Gut zehn Jahre später als in ihrer Heimat erschien hierzulande Hiroko Oyamadas Roman Das Loch. Darin zieht Protagonistin Asa mit ihrem Mann auf’s Land. Das Paar suchte ein Haus und überraschenderweise wurde das neben ihren Schwiegereltern frei. Mietfrei ein Haus – das ist die Gelegenheit, denkt sie sich. Da das Pendeln nicht gangbar wäre und sie in ihrem Job eh keine Aufstiegschancen sieht, kündigt Asa. Sie findet sich nun also auf dem Land wieder in etwas, das „endlosen Sommerferien“ gleicht. Die Sache ist nur die: Sommerferien sind auch deswegen so schön, weil sie enden.

„Sie haben also viel Zeit. Das kann auch anstrengend sein. Endlose Sommerferien gewissermaßen.“ (p.61)

Für Asa beginnt tatsächlich eine große Zeit der Langeweile und Entfremdung. Aufgaben rund um Haus und Garten hat sie vormittags erledigt und weiß kaum, was sie mit dem Rest des Tages anfangen soll. Jobs gibt es in der Umgebung nicht. Erzählt sie anderen von ihrem Alltag, fragen die ständig, ob sie denn nicht arbeiten will (v.A. ihre strebsame Schwiegermutter) oder plant Mutter zu sein (wie es ihre Nachbarin, eine junge Mutter fragt). Darin liegt jede Menge Projektion anderer auf Asa. „Ich habe diesen Weg gewählt, ich verstehe nicht, warum du den nicht wählst!?“ scheinen sie zu fragen, aber auch selber zu wissen, was mit ihrer Rolle einhergeht. Sie sind alle Wissende, aber dennoch fordern sie. Und Asa fühlt das.

Die stetig wiederkehrenden Fragen bedrängen sie und entfremden sie mehr und mehr von ihrer Umwelt, die daran stutzt Asa nicht in eine Schablone pressen zu können. Alles wirkt mehr und mehr surreal auf sie. Der demente Großvater ihres Mannes, der Tag und Nacht, bei Wind und Wetter den Garten sprengt beispielsweise. „Jeder hier hat eine Aufgabe (nur du nicht)“ scheint es zu sagen. Da möchte man doch sprichwörtlich in einem Loch verschwinden? Dabei sucht Asa diese Aufgabe, scheint sie nur in dem Umfeld, dass ihr durch so viele Zufälle in den Schoß fiel nicht zu finden. Man merkt, dass es nicht ihr Weg ist, der hier beschritten wurde. Das Loch aber ist nicht nur ein metaphorisches, sondern ein sehr reales. Sie fällt während eines Spaziergangs hinein und kommt kaum heraus.

Zwar kann sie mit Hilfe einer Nachbarin aus dem Loch krabbeln, aber das Erlebnis ist prägend. Asa hat unendlich viele Fragen, aber niemand hat Antworten. Wie kommt dort so ein großes Loch hin? Mitten in die Landschaft? Was ist das für ein komisches schwarzes Tier, das sie immer sieht? Warum hat ihr niemand erzählt, dass sie einen Schwager hat? Zumindest kann der am ehesten Asas Problem verstehen und dass alle Welt darauf zu warten scheint, dass Asa sich für eine Rolle entscheidet und diese ganz gemäß den nicht geschriebenen Regeln der Gesellschaft mit voller Energie und Motivation erfüllt. Droht Asa wie er zu werden? Ohne Rolle in der Gesellschaft von allen verschwiegen und vergessen? Nonchalant ist er aber auch als er hört, dass sie in ein Loch gefallen ist:

„Sind sie etwa Alice im Wunderland?“ (p.84)

Ganz gemäß der Vornehmheit des japanischen magischen Realismus oder Surrealismus gibt es weniges, was glasklar aufgelöst wird in dem Buch, was sich aber zwischen den Zeilen besser und müheloser erklärbar macht als in so manchem Murakami. Schade ist nur, dass das titelgebende Loch eine eher untergeordnete Rolle spielt neben all dem was hier noch so abgeht auf dem Land. Wie so oft muss man sich fragen, ob man gern zwischen den Zeilen liest oder die Antworten lieber präsentiert bekommt. Ein Luxus den Asa offensichtlich auch nicht hat.

Fazit

Kurzweiliges, surreales Buch, das ein bisschen Interpretationsvermögen erfordert

Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-498-00486-6, Rowohlt

„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂

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