Netzgeflüster: Ein kleines Stück Erinnerung

Habt ihr schon Mal einen Beitrag im Internet verfolgt, die euch zu Tränen gerührt hat? Habt ihr schon mal ein Video von jemandem bei Youtube mit der Gewissheit gesehen, dass diese Person die evtl. gerade über ihre Krankheit redet nun bereits verstorben ist? Oder ein Video über ein anderes tragisches Schicksal gesehen? Normalerweise halte ich mich von sowas fern, weil ich viel zu nah am Wasser gebaut bin, keine morbide Neugier hege und immer einen Rest Misstrauen habe, dass vielleicht ein Subjekt das Video aus den falschen Intentionen heraus gedreht hat. Aber manchmal gibt es keinen Zweifel, dass etwas an den Geschichten dran ist. Auch wenn die Videos einem manchmal die Tränen in die Augen treiben – das soll kein Beitrag sein, der traurig macht. Sondern einer der das Leben feiert! Ohne das Internet hätten wir diese großartigen Menschen nie kennen gelernt!

Hal Lasko

Hal Lasko ist 98 Jahre alt und Künstler. Aufgrund eines Leidens ist seine Sehkraft stark in Mitleidenschaft gezogen. Früher hat er mühelos fantastische Grafiken gemacht und sich der Typografie gewidmet. Heute ist ein Großteil seines Sichtfelds verschwommen und er ist auf ein Programm angewiesen, dass es ihm erlaubt das Bild stark zu vergrößern und einfach in der Anwendung ist: Microsoft Paint. Von vielen wird das minimalistische Programm belächelt aber die 8-Bit-Kunst die Hal Lasko damit erschafft, ist wirklich wunderschön. Die kleine Dokumentation seines Enkels ging vor einigen Monaten um die Welt.

Zach Sobiech

Nachdem bei Zach Knochenkrebs diagnostiziert wurde, nahm er das Abschiedslied Clouds auf. Heute hat das Video über 8 Mio. Klicks und zog auch eine „Promi-Coverversion“ verschiedener Stars nach sich. Das Video (und seine Geschichte) machten Zach so bekannt, dass sogar eine CD rauskam. Die Erlöse werden zugunsten der Forschung gespendet. Zach verstarb zwei Wochen nach seinem 18. Geburtstag im Frühjahr 2013.

Fred und Lorraine Stobaugh

1938 lernte Fred seine Lorraine kennen – die Liebe seines Lebens. Nachdem er Lorraine nach 75 Jahren Beisammensein verloren hat, sendete Fred bei einem Singer-Songwriter-Wettbewerb seinen Songtext Sweet Lorraine ein. Jacob Colgan und die Green Shoe Studios hätten eher ein Band oder ein Video erwartet, waren aber sehr von Freds Geschichte gerührt und entschieden sich das Lied zu vertonen.

Talia Joy Castellano

6 Jahre hat Talia gegen den Krebs gekämpft und ist im Alter von nur 13 Jahren gestorben. Ihr Youtube-Kanal hat große Bekanntheit erlangt – sie hat Hauls gemacht und Make-Up-Tutorials unter dem Schlachtruf Make-Up sei ihre Perücke. Dabei war sie stets fröhlich und hat sich geschmickt wie eine ganz Große. Sie stellte eine To-Do-Liste auf mit Dingen, die sie gerne noch machen würde wie zum Beispiel ein Auto mit Klebezetteln eindecken oder im Regen tanzen. Unglaublich rührend ist, dass ihre Liste von vielen hunderten Fans abgearbeitet wurde.

Schicksale

Ich hoffe wirklich, dass die Menschen solche Videos mit Anteilnahme schauen und sich daran erinnern wie wertvoll unser Leben ist und es nicht mit dem Beklagen über Winzigkeiten zu verschwenden oder es als falsche oder fadenscheinige Motivation zu sehen. Oder gar häßliche Kommentare zu hinterlassen, wofür Youtube ja sowieso ein Herd ist. Ein Fakt worüber man sich streiten kann ist das Berühmt-Werden mit dem Tod. Von Zach und Talia habe ich in den Nachrichten erfahren – aber erst bei der Meldung über ihr Ableben. Von ihren Videos wusste ich vorher nichts und das ist irgendwie eine bittere Pille, liegt aber auch an meiner Gewohnheit nicht viel auf die meistgeklickten Videos zu geben. Manchmal stelle ich in Frage, ob es das ist was die Leute wollen. Man kann sich das so zurecht legen, dass die Videos eine dauerhafte Erinnerung an das Leben und Wesen dieser besondere Menschen sind. Auch wenn nur ein Mensch sich irgendwo irgendwann an sie erinnert, ist es aber wahrscheinlich ein Gedanke der von Herzen kommt und worüber sie sich gefreut hätten. Schaue ich insbesondere Hal Lasko an, bin ich hingegen sehr sehr dankbar, dass ich via WWW darauf aufmerksam wurde. Schließlich wären uns diese besonderen Personen mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Internet verborgen geblieben.

Was ist jetzt aber von den Nachrichtenmeldungen und Dokumentationen zu halten? Sind es Geschichten die erzählt werden müssen oder verdienen sich da Leute eine goldene Nase? Was denkt ihr? Haltet ihr es gut oder eher schlecht, wenn Menschen ihre Geschichten im Internet öffentlich machen? Gibt es Schicksale die euch besonders berührt haben?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂

2 Antworten

  1. Ich habe auch erst durch ihren Tod von Talia erfahren und als ich gerade das Video gesehen habe, musste ich direkt heulen. Ich kann rein gar nichts Negatives daran sehen, wenn man über ein Medium Anteil am Schicksal eines Menschen nimmt, vor allem nicht auf einem Medium, auf dem es so harsch zugeht wie auf YouTube. Ich bin dort noch nicht lange und finde den Umgangston teilweise echt sehr herb. Eine befreundete Bloggerin hat auch regelmäßig über das Leiden ihrer krebskranken Mutter berichtet und schließlich dann über ihren Tod. Richtig weinen musste ich aber erst, als sie von der Gedenkmesse und den vielen Menschen erzählt hat, die ihrer Mutter dankbar waren. Ich finde es wunderbar und menschlich, wenn über moderne Medien auch so etwas passiert.

    1. Youtube ist wirklich eine Volksplattform und die Kommentare, die einem da entgegen lachen sind wie du schon gesagt hast herb. Ich habe ja immer gehofft, dass die Leute davor zurückschrecken würden bei irgendwelchen sensiblen Videos fiese Kommentare zu hinterlassen oder entsprechende Videos gar nicht aufrufen und in Versuchung kommen. Aber das war ein Trugschluss, wie ich jüngst feststellen musste.

      Das war bestimmt schwer für deine Bloggerfreundin darüber zu sprechen. Kommt aber jemand in so eine Situation ist er/sie sicher sehr froh über solche Beiträge. Gerade bei Youtube verstehe ich das auch ganz gut, weil es noch menschlicher wirkt, wenn man das Gesicht des Erzählers sieht. Schaue ich dann aber Videos wie das über Fred und Lorraine werde ich etwas argwöhnisch, ob das Video nicht auch ein wenig der publicity dient, damit sich der Song noch besser verkauft. In dem Fall finde ich das aber noch nicht mal schlimm, sollte es so sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert