Neulich fragte Wulf im Media Monday uns nach einem Film oder einer spezifischen Filmszene in Berlin. Da dachte ich mir: Mensch, das Motto „Deutscher Film“ hattest du ja auch noch nicht. War wohl zu naheliegend. 🙂
Metropolis (1927)
In Fritz Langs Schwarzweiß- und Stummfilmklassiker herrscht in der titelgebenden Stadt Metropolis eine Zweiklassengesellschaft. Damit die feinen Herrschaften der Oberstadt in Saus und Braus leben können, müssen die arnen Leute der Unterstadt hart arbeiten. Freder (Gustav Fröhlich) ist der Sohn des Magnaten, der Metropolis lenkt und beherrscht. Als er die gutherzige, unschuldige Unterstadt-Bewohnerin Maria (Brigitte Helm) kennenlernt und ihr folgt, lernt er das System kennen und beschließt etwas zu ändern. Die Revolutionsgedanken bringen aber ausgerechnet Maria in Gefahr.
Ich hatte das Glück den Film mit musikalischer Begleitung durch die Mittelsächsische Philarmonie zu hören. Das war ein ganz besonderes Gänsehaut-Erlebnis, an das ich mich noch lange erinnern werde. Metropolis selber ist ein echter Jahrhundert-Film, der eine humanitäre aber auch Kapitalismus-kritische Botschaft vermittelt. Mit der Aussage, den Anleihen in Literatur und Religion und den visionären Ideen ist der Film einzigartig und richtungsweisend. Das lange Nachwirken des Films ist vor Allem deswegen so erstaunlich und bewundernswert, weil Fritz Lang damals noch lange nicht über die technischen Möglichkeiten verfügte, die es heute gibt. Das krasse daran: anfangs kam der überlange Film (153 min.) gar nicht gut an, weswegen Filmmaterial vernichtet wurde. Zwar wurde Material wiedergefunden und restauriert, sodass es nun insgesamt 3 verschieden lange Version gibt, aber der Rest ist bis jetzt unwiederbringlich verloren.
(9/10)
Lola rennt (1998)
Tom Tykwers Lola rennt demonstriert wie stark einfache Entscheidungen unser Leben aus den Fugen geraten lassen. Als Beispiel dient Lola (Franka Potente), deren Freund Manni (Moritz Bleibtreu) innerhalb von 20 Minuten 100.000 Mark auftreiben muss, die er einem Dealer schuldet. Lola muss sich was einfallen lassen, ansonsten ist mit dem schlimmsten zu rechnen. Und sie rennt los.
Lolas Entscheidungen werden in drei Versionen durchlaufen (im wahrsten Sinne des Wortes) und gehen komplett unterschiedlich für sie und Manni aus – und der Zuschauer ist (gefühlt) in Echtzeit dabei. Der schnelle mit Elektro-Beats (passt mal besser, mal schlechter) unterlegte Film läßt uns dabei selber atemlos werden, wenn wir Lola über Autos hechten sehen, vorbei an Insider-Ecken der Hauptstadt. Dabei sind es die Details und Hindernisse auf Lolas Weg, die den Film abwechslungsreich und spannend machen. Die Inszenierung insgesamt steckt voller kleiner Rafinessen. Egal ob die schnellen Schnitte oder auch die Trickfilmpassagen. (Obwohl ich finde die Trick-Passagen könnten besser sein.) Der Zuschauer weiß kaum etwas über Lola und Manni, aber ihre Liebe und Lolas Entschlossenheit wirken zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt. Dass und die einfache, aber kluge Idee und Inszenierung haben den Beteiligten verdient zum Durchbruch verholfen.
(8/10)
Das Experiment (2001)
Der Taxifahrer Tarek (schon wieder Moritz Bleibtreu) könnte dringend ein bisschen Glück gebrauchen. Er entdeckt eine Zeitungsanzeige die mit 4000 DM für die Teilnahme an einem Experiment lockt. Der Haken: er soll das Geschehen mit einer versteckten Kamera dokumentieren. Vielleichts ist das seine Chance? So beobachtet er wie die 20 Teilnehmer in dem „Gefängnis-Szenario“ in Wärter und Insassen getrennt werden. Und das wortwörtlich. Der Verzicht auf Grundrechte, das Ausstatten der „Wärter“ mit Schlagstöcken und die ungleichen Machtverhältnisse lassen die Situation anfangs schleichend, später gravierend eskalieren.
Oliver Hirschbiegels Das Experiment basiert lose auf dem Buch „Das Experiment Black Box“ von Mario Giordano. Darin werden die Geschehnisse des Stanford-Prison-Experiment von Zimbardo aus dem Jahr 1971 geschildert. Allerdings setzt der Film scheinbar noch eins drauf. Was nach Erscheinen als Voyeurismus bezeichnet und kritisiert wurde, ist heutzutage nach der Torture-Porn-Welle à la Saw und Hostel eher mild. (Trotzdem ist das US-Remake gefloppt.) Das Experiment ist fast ein Moral-Horrorfilm, der zeigt wie schnell die menschliche Psyche als Rädchen in einem System umschlägt. Das bisschen Machtgefühl und schon sind wir ein anderer Mensch? Der Film konfrontiert uns mit einem argen moralischen Dilemma und beschäftigt nachhaltig. Auch vor Allem dank des Wissens, dass das Original-Experiment zumindest so real war, dass es nach 6 von geplanten 14 Tagen abgebrochen werden musste.
(9/10)
Das Leben der Anderen (2006)
Der Autor Georg Dreyman (Sebastian Koch) stellt sein neues Theaterstück vor und ahnt nicht, dass mehrere Stasi-Offiziere im Publikum sitzen und darüber sinnieren, ob er wohl ein Feind des Sozialismus ist. Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) befindet sich unter ihnen. Er ist gewissenhaft, er hat eine wichtige Position und genießt Ansehen. Er ist jemand. Und sein geschultes Auge sagt, dass es sich lohnen würde Dreyman zu überwachen. Die Männer wurden erst durch Anraten von Minister Bruno Hempf auf ihn aufmerksam und er ist es nun, der absegnet, dass in der Wohnung über Dreyman und seiner Lebensgefährtin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) eine Abhörstation eingerichtet wird. Als Wiesler aber Freud und Leid mitbekommt und beginnt die Fehler im System zu sehen, ändert sich etwas an ihm, während sich für alle Beteiligten die Situation zuspitzt.
Das Leben der Anderen ist ein starker Film, der über die Arbeit der Stasi in der DDR berichtet und an zwei Schicksalen die volle Tragik demonstriert: an denen die überwacht werden und an dem, der überwacht. Dabei verzichtet der Film auf die üblichen Klischees und schafft es unparteiisch zu bleiben, in dem er nicht versucht das Geschehen in schwarz-weiß zu malen, sondern in den vielen feinen Grauschattierungen. Zudem ist Das Leben der Anderen ein packendes Katz-und-Maus-Spiel, dass durch geschicktes Story-Telling viel packender ist als mancher testosteron-gespickte Actioner – der Spagat muss erstmal gelingen. Was der Film über die DDR aussagt, muss jeder selbst interpretieren. Als kleiner Denkanstoß sei aber gesagt, dass die Beweggründe für die Abhöraktion kein stereotypes DDR-Problem sind, sondern ein menschliches. Menschlich ist hier leider im negativen Sinne zu verstehen. Das Schicksal von Wiesler, Dreyman und Sieland läßt mit Sicherheit niemanden kalt, insbesondere weil es sich so zugetragen haben könnte.
(10/10)
Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (2006)
Jean-Baptiste Grenouille kam auf einem Pariser Fischmarkt zur Welt, wurde für eine Totgeburt gehalten und hat seit diesem Moment das Leben aller wichtigen Menschen in seinem Umfeld zerstört. Das klingt hart, angesichts der Gabe die Grenouille hat. Er hat mehr als den absoluten Geruchssinn. Er riecht Dinge, die andere nicht vernehmen. Seine Gabe wird für ihn zu seiner Obzession nach dem Finden des perfekten Parfums und den Essenzen die diesen Duft komplettieren. Bei diesem Unterfangen schreckt Grenouille aber nicht vor dem Töten zurück.
Tom Tykwers Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Patrick Süskind, dem Autor den man nicht zu Gesicht bekommt. Als ich zur Schule ging und mich ans Abi ranpirschte, gab es einen riesengroßen Hype um das Buch und die Verfilmung. Das mag daran liegen, dass Süskind lange keiner Verfilmung des Stoffs zustimmte. Tykwers Verfilmung wurde dann aber eine der teuersten deutschen Produktionen aller Zeiten. Insgesamt ist der Film spannend und kommt der Aufgabe die olfaktorischen Sinneseindrücke zu vermitteln ganz gut nach. Trotzdem ist die Welt des Buchs mit Süskinds Beschreibungen noch greifbarer und nachvollziehbarer. Man kann dem Regiesseur und den Darstellern im Prinzip keinen Vorwurf machen, aber der Film hat so seine Längen und spannungsarme Passagen.
(7/10)
Rubbeldikatz (2011)
Alexander Honk (Matthias Schweighöfer) ist Schauspieler und wartet noch auf seine große Chance, um es von der kleinen Theatergruppe mal in eine große Kinoproduktion zu schaffen. Es will nicht so recht gelingen. Dann hat er den Einfall hat sich als Frau zu verkleiden und für eine Darstellerinnen-Rolle vorzusprechen. Ausgerechnet in einem Historiendrama das in der NS-Zeit spielt. Da er scheinbar für den amerikanischen Regiesseur wie eine typisch deutsche Frau wirkt :roll:, bekommt er die Rolle. Während er das mit seinen Brüdern feiert, trifft er die gefeierte Schauspielerin Sarah Voss (Alexandra Maria Lara) und verliebt sich in sie. Er will sie unbedingt wiedersehen. Oh, das tut er auch. Sie wirkt ebenfalls bei dem Film mit und freundet sich mit „Alexandra“ ein. Doppeltes Gefühlschaos vorprogrammiert.
Ich war ehrlich neugierig auf den Film, da ich irgendwo gelesen habe, dass er das Prädikat ‚besonders wertvoll‘ verdiene. Wer hat das gesagt? So ein Mist! Das Manche-mögens-heiß-Prinzip verspricht eine geniale Komödie mit pikantem Charme – das ist anfangs auch so. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt ist Rubbeldiekatz nur eine Andereinanderreihung von Peinlichkeiten. Zwar ist Schweighöfers Charakter ein ziemlich sympathischer Mensch, aber seine Aktionen driften immer mehr ins dämliche ab. Mein wahrscheinlich größter Kritikpunkt ist der erhebliche Mangel an anderen sympathischen Charakteren. Wenn man so hört was der von Alexandra Maria Lara gespielte Charakter von sich gibt und das Handeln betrachtet, ist mir nur schwer verständlich, warum sich irgendjemand um so einen unsympathischen, verblendeten Menschen auch nur annähernd derart stark bemühen sollte. Sorry – mein Lichtblick war Max Giermann. Der mimt nämlich einen Schauspieler, der offensichtlich sehr unter seiner Rolle zu leiden hat.
(4/10)
Sein letztes Rennen (2013)
Dieter Hallervorden spielt hier den einstigen Marathonläufer und Olympiasieger Paul Averhoff, der sich im Alter mit seiner Frau Margot (Tatja Seibt) durch den Alltag kämpft. Immer öfter kommt es aber zu Unfällen im Haushalt. Birgit (Heike Makatsch), die Tochter der Beiden, weiß nicht mehr wie sie die Zwischenfälle neben ihrem Job bewältigen soll und veranlasst, dass beide in ein Altersheim umziehen. Das stumpfsinnig anmutende Programm aus Kastanienmännchen bauen und Lieder singen, stinkt Paul aber gewaltig. Vielleicht wäre es ja zu ertragen, wenn die anderen alten Leutchen das beste aus der Sache machen würden und nicht ständig so eine Grabesstimmung herrschen würde. Um sich gegen die Eintönigkeit zu wehren, beschließt er sich wieder auf Vordermann zu bringen, um dann beim Berlin-Marathon teilzunehmen.
Schaut man sich den Trailer an, erwartet man eine nette Komödie, höchstens ein Melodrama. Stattdessen ist Sein letztes Rennen dramatisch und sehr sehr traurig. Nicht nur das älter werden an sich, sondern auch Isolation und Bindungsangst (Birgit) spielen eine wesentliche Rolle. Dieter Hallervordens schnoddrige, entschlossene Art hat die Stimmung angehoben, da der Film sonst direkt schwermütig gewesen wäre. Und überhaupt: die Darsteller in diesem Film sind großartig! Sowohl Hallervordens lustige, stille und charakterstarke Momente, als auch Heike Makatsch – selbst der sympathisch-maulige Pfleger Frederick Lau. Lediglich die Geschichte des Charakters der Frau Müller bekommt kein richtiges Ende, kein Resultat, keine Konklusion. Ein sehr mitreißender, aber unerwartet trauriger Film mit viel Charaktertiefe!
(8/10)
Es macht mich immer etwas ärgerlich, wenn ich höre wie sogenannte Filmkritiker sagen, dass der deutschsprachige Film nur Drama kann oder wenn der Deutsche Film auf Till-Schweiger oder Mathias-Schweighöfer-Romcoms reduziert wird. Das tut weh. Der Deutschsprachige Film kann mehr, oder? Wie ist eure Meinung dazu? Was ist eurer Ansicht nach das positivste Gegenbeispiel? Was denkt ihr wie deutsche Filme im Rest der Welt wahrgenommen werden? Und was sollten die Filmmacher anders machen? Ich denke ein bisschen mehr Vielfalt und Risiko wäre ein Anfang.
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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