Nachdem wir uns schon mit der Sicht auf KI in den Medien beschäftigt haben, gingen wir über zu der ziemlich mathematischen, abstrakten und nach viel Arbeit klingenden Realität. Letzte Woche haben wir angefangen uns den Pionieren auf dem Gebiet zu widmen und haben über Alan Turing gesprochen, dessen Turing-Test heute noch (fälschlicherweise?) alle nervös macht. Heute habe ich einen Doku-Tipp für euch, der ohne viel Tech-Speak einen leicht verständlichen und teils verblüffenden Einblick in Zukunftsvisionen und -realitäten gibt. Also heute: Jens Schanzes Doku „Plug & Pray“
Die Doku
Jens Schanze zeigt uns in Plug & Pray eine Rundumsicht. Wie hat es angefangen mit der KI? Und wo ist der Stand im Moment? Dabei geht er auf berühmt gewordene Programme wie Joseph Weizenbaums ELIZA ein – ein 1966 entwickeltes Programm, das im Verdacht stand, den Turing Test bestehen zu können. Aber auch auf aktuelle Forschung wie Professor Hiroshi Ishiguros „Actroids“ – Androiden mit täuschend echtem menschlichen Aussehen. Genauso wie auf diese beiden Extreme wert gelegt wird, werden auch unterschiedliche Meinungen und Blickwinkel betrachtet. Wir erfahren über die Standpunkte verschiedener Forscher. Am polarisierendsten ist dabei sicherlich die Meinung des weltberühmten Forschers Joseph Weizenbaum. Und noch ein Hinweis am Rande: vor der Doku muss man keine Angst haben. Sie ist interessant, gut erklärt und leicht verständlich.
Der Mann
Joseph Weizenbaum ist nicht nur das Gesicht des Trailers, sondern das der ganzen Doku und der KI-Forschung. Der 1923 in Berlin geborene Forscher war einige Zeit Professor am MIT für Computerwissenschaften und an der Entwicklung des ARPAnet (Vorläufer des heutigen Internet) und des bekannten Programms ELIZA beteiligt. Nach seinem Ausflug in die KI-Forschung wurde er nach und nach zu einem Agnostiker, einem wie er selbst sagte Ketzer, der IT. Er äußerte herbe Kritik an IT, KI und der Gesellschaft. Oder allem zusammen: dem Umgang der Menschen mit IT und den aus seiner Sicht gefährlichen Wünschen für KI. Von ihm stammen Zitate wie
„Es gibt wenige Leute, die kritisch über die Wissenschaft denken. Jede Stimme zählt.“
„Ich nehme an, daß ich auch einen Ferrari oder Maserati schätzen würde – aber ich würde so ein Auto keinem 14jährigen Jungen geben. Und das hat nichts damit zu tun, daß die Technik böse ist oder das Auto gefährlich: Der Junge ist einfach nicht reif genug, so ein mächtiges Instrument vernünftig zu benutzen. Dasselbe gilt für unsere Gesellschaft. Und die Frage ist für mich nur, ob wir sieben Jahre alt sind oder schon vierzehn.“
„Eine Gesellschaft, die es vorzieht, Milliarden Dollar für einen Flug zum Mars auszugeben, statt Hunger und Armut in der Welt zu bekämpfen, hat eine Wahl getroffen.“
„Jeder ist immer erreichbar. Die ganze Welt beschleunigt sich, alles ist dringend, und wo alles dringend ist, ist nichts mehr dringend, und damit schlittern wir in eine Bedeutungslosigkeit hinein.“
Seine Intelligenz, der Wortwitz und die charmante Starrköpfigkeit geben der Doku einen eigenen, leichtfüßigen Charakter. Er war ein beeindruckender Mann.
Zu den bisherigen Artikeln der Reihe:
‘Künstliche Intelligenz’ (I) – Was ist dran?
‘Künstliche Intelligenz’ (II) – Maschinelles Lernen
‘Künstliche Intelligenz’ (III) — “Künstliche Neuronale Netze”
‘Künstliche Intelligenz’ (IV) — “Künstliche Neuronale Netze” im Detail
‚Künstliche Intelligenz‘ (V) — Wer war Alan Turing? Und was ist der Turing-Test?
Kennt ihr die Doku oder sagt euch der Name Joseph Weizenbaum etwas? Habt ihr Anregungen für künftige Artikel in dieser Reihe? Gibt es etwas, das euch schon immer interessiert hat, über das wir reden sollten?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂
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