Don Tillman ist Professor für Genetik, irgendwo zwischen 30 und 40 und er kann seine Freunde an einer Hand abzählen. Es sind zwei. Andere Menschen begrüßt er mit „Sei gegrüßt“ und anstatt von „ja“ oder „stimmt“ sagt er stets „korrekt“. Er mag keinen Körperkontakt. Er hat einen Ernährungsplan, an den er sich penibel hält und der jede Woche wiederholt wird. Und auch einen Stundenplan, in dem jede Aktivität peinlich genau vermerkt ist. Spontan den Plan ändern? Ausgeschlossen. Das wäre ja vollkommen unlogisch. Der wurde schließlich anhand einer Vielzahl an Gesichtspunkten erstellt und ist bis ins kleinste Detail optimiert. Warum also ändern? Aber eine Sache fehlt ihm: er möchte eine Partnerin. Wie man das eben so als Wissenschaftler macht, stellt er einen Fragebogen auf und möchte damit die perfekte Frau finden. Die soll zum Beispiel nicht rauchen und keine Veganerin oder Vegetarierin sein. Irgendwie findet er keinen match. Warum nur? Da taucht Rosie auf. Die arbeitet in einer Bar, raucht und entspricht so gar nicht dem, was Dons Fragebogen noch so für Ansprüche an eine Frau stellt. Wie es der Zufall will, braucht Rosie dringend Rat von einem Genetiker, denn sie sucht ihren leiblichen Vater. Ab da haben Rosie und Don ein gemeinsames Projekt.
Der Autor des Buchs ist Graeme Simsion, ein Australier der selbst IT-Spezialist und tätig im wissenschaftlichen Umfeld ist. Simsion gewann 2012 den Victorian Premier’s Award for Best Unpublished Manuscript und als es dann erstmal veröffentlicht wurde 2014 auch den Australian Book Industry’s Book of the Year und weitere Preise. Das Buch erfreute sich großer Beliebtheit und ein Nachfolger, Der Rosie-Effect, erschien nur kurze Zeit später. Zumal Simsion auch Drehbücher schreibt und Das Rosie-Projekt ursprünglich als eines angelegt war und sich so großer internationaler Beliebtheit erfreute, ist es nicht verwunderlich, dass Sony Pictures Entertainment inzwischen die Rechte für eine Verfilmung hat. Zwischenzeitlich war davon die Rede, dass Jennifer Lawrence die Rolle der titelgebenden Rosie spielt (auch ein Wunsch von Graeme Simsion) und Richard Linklater Regie führt. Inzwischen sind beide abgesprungen. Ich finde auch, dass der Stoff nicht so ganz zu Linklater passt, aber Quellen berichten, dass dieser überhaupt an Bord war, weil er mit Jennifer Lawrence zusammenarbeiten wollte und das Projekt verließ, als sie es tat. Je nachdem wer sich an die Verfilmung wagt, könnte diese besser werden als das Buch.
Manch einer wird das jetzt hart finden oder mich für einen Möchtegern-Intellektuellen halten. Aber ich empfand das Buch als Trivialliteratur. Normalerweise finde ich das ganz schlimm, wenn Kritiker und alle die es werden wollen mit diesem Wort um sich hauen. Aber hier kam es mir beim Lesen tatsächlich mehrmals in den Sinn. Nicht weil ich mich für schlauer als anderen halte, sondern weil ich viele viele Bücher für interessanter als dieses hier halte. Die Geschichte ist im wesentlichen eine Aneinanderreihung von denselben Klischees und Romcom-Kniffen, denen man schon in zig anderen Büchern, Filmen, Serien und sonstwas begegnet ist. Daher hielt sich die Spannung beim Lesen in Grenzen. Es gibt diesen Moment in dem die Frau im geilen Kleid auftritt, es gibt den Moment in dem sie eifersüchtig wird wegen einer anderen, wobei dem Leser schon klar ist, dass aus der anderen und ihm nichts werden kann, es gibt einen Zwischenfall mit sozialen Netzen und mehr aufgewärmte Stories packe ich jetzt nicht aus, sonst werden es zuviele Spoiler 😉 Bei so manch einer kleinen Wendung dachte ich mir für meinen Teil: war ja klar. Oder: das ist jetzt so abstrus, da ist ihm nix besseres als Lösung eingefallen (Stichwort Fassadenkletterer). Die einfache, geradlinige, recht bildlose Sprache tut ihr übrigens. Es liest sich schnell weg. Allerdings nicht weil es so spannend ist, sondern weil die Schilderungen recht einfach und schmucklos sind. Die Entscheidungen und Meinungen der Charaktere sind wie vom Reißbrett und Don kommt mir verdammt bekannt vor. Sheldon Cooper in älter. Dabei will ich Graeme Simsion nicht unterstellen, dass er bei The Big Bang Theory (TBBT) abgeguckt hat. Das Spielprinzip ist ja recht ähnlich (zumindest anfangs). Nerdiger Wissenschaftler trifft hübsche Frau, die weiß wie in der ‚echten Welt‘ der Hase läuft und die ein loses Mundwerk hat. Wer ein bisschen stöbert, lernt aber, dass Graeme Simsion etwas länger an seiner Geschichte gefeilt hat und es die Idee schon eine Weile gibt (The Klara Project Phase 1, The Envelope Please – 2007). Trotzdem sind die Zutaten alt und sehr stereotyp. Und nicht zu Ende gedacht. Viele Handlungen von Don sind sehr widersprüchlich – sein scharfer Verstand hätte das eine oder andere früher blicken müssen. Bekanntlich ist man ja aber nicht ganz auf der Höhe, wenn man verliebt ist und die Gefühle durchdrehen, so ließe sich bestimmt einiges erklären. Trotzdem sind da eine Menge hanebüchener Geschichten in dem Buch, die man schwer ernst nehmen kann. Vor meinem inneren Auge sehe ich bereits die geplante Verfilmung mit seltsamen Gags und viel Gesichtsfasching und bin wenig erfreut.
Aber ich will das Buch nicht komplett zerreißen. Natürlich hat es seine guten Seiten. Durch Don Unart soziale Gefüge nicht so besonders zu verstehen, Emotionen schwerer deuten zu können etc. gerät er immer wieder in Situationen in denen er beispielsweise durch unbedachte Äußerungen seinen besten Kumpel (notorischer Fremdgeher) verrät. Oder ihm entgeht der Subkontext einer Unterhaltung, was stellenweise sehr witzig ist. Leider geht das im Laufe des Buchs verloren. Naja … gut für ihn, oder? Er lernt dazu. Es stimmt trotz der Plattitüden des Buchs: die Charaktere entwickeln sich und gegen Ende wird eine Lehre gezogen und eine Botschaft vermittelt, die ich gut fand und froh bin, dass das Buch genau diese und keine andere Botschaft vermittelt. Aber der Weg bis dahin ist lang und verworren. Und da gibt es noch etwas anderes, das mich stört. Sowohl bei The Big Bang Theory als auch bei diesem Buch bin ich mir nicht sicher, ob es neben den Leuten, die sich hier und da wiedererkennen und mit Don und Sheldon lachen, nicht auch viele Leute gibt, die über Sheldon und Don lachen. Möglicherweise bin ich als Softwareentwicklerin mit einigen nerdigen Hobbys es auch einfach leid, dass niemand mit einer neuen Definition des Nerds daherkommt und stattdessen immer denselben alten Einheitsbrei aufwärmt und Nerds als sehr seltsam darstellt. Dass Graeme Simsion, der selber ITler ist, nichts anderes eingefallen ist? Diese persönlichen Befindlichkeiten beiseite gelassen, muss ich trotz der guten Seiten des Buchs sagen, dass ich nicht so ganz nachvollziehen kann, warum das Buch ein Weltbestseller ist. Ich fands etwas langweilig, etwas einfach. Sicherlich gut als Debüt eines Autors, aber das Wort Bestseller und die Verfilmung sehe ich etwas kritisch.
Fazit:
Für diejenigen, die Charaktere wie Sheldon Cooper aus TBBT ins Herz geschlossen haben und über die Gags noch lachen können. Und eins noch: Don Tillman – es schmecken NICHT alle Eissorten gleich.
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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