Bereits ein halbes Jahr reden wir an dieser Stelle über Frauen, die auf dem Gebiet der Informatik Großes geleistet haben. Es ist gar nicht Zweck der Artikelreihe darüber zu sinnieren, dass Frauen ja doch Informatik können. Das ist vorausgesetzt – das ist klar, daran besteht kein Zweifel. Aber was ist mit den Namen der Frauen, die etwas geleistet haben? Ada Lovelace, Hedy Lamarr und Grace Hopper kennt man ja vielleicht sogar, wenn man aus der IT-Branche kommt. Wer sich mit Games und Computerspielen beschäftigt, kennt wohl Jade Raymond. Und wer Wirtschaftsnachrichten verfolgt, kommt an Marissa Mayer nicht vorbei. Aber kennen wir diese Frauen vorrangig als Informatikerinnen? Nicht zwingend. Wie mir die Artikelreihe gezeigt hat, kennen viele sie v.A. !gar nicht!. Und wie sieht es dann aus mit Gertrude Blanch? Einer Frau, deren Errungenschaften und harter Weg zum Mathematik-Studium vielen unbekannt ist.
Der Weg von Gertrude und ihrer Familie war ein steiniger, gefährlicher und mühseliger. Sie wurde als Gittel Kaimowitz in Kolno, Polen geboren. Es ist nicht genau bekannt wann – entweder 1897 oder 1898. Ihr Vater wanderte aus Angst vor der Verfolgung der Juden in die USA aus und holte später seine Familie nach. Aber sowohl ihr Vater, als auch ihre Mutter starben früh und Gertrude musste nach der Schule arbeiten gehen, um sowohl ihre Familie zu unterstützen, als auch Geld für ein Studium zur Seite zu legen. Dabei wurde ihr mathematisches Talent schon deutlich, als sie noch ein Kind war. Vierzehn lange Jahre dauerte es bis Gertrude ihren Bachelor in Mathematik und Physik in Abendkursen an der New York University beginnen konnte und schließlich 1932 ihren Abschluss machte. Als sie 1935 ihren Doktor an der Cornell University machte, war sie fast 40 Jahre alt. Das nenne ich Durchhaltevermögen, wenn man erst vierzehn Jahre als Bürokraft arbeitet und für sein Studium spart.
Aber auch der Berufsstart war für Blanch holprig. Die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise machten es nicht einfach einen Job im akademischen Bereich zu finden. Sie arbeitete als Vertretungslehrerin an einem College und zeitweise auch wieder als Bürokraft, obwohl sie durchaus wissenschaftliche Artikel veröffentlicht hat, beispielsweise während sie ihren Doktor machte. 1938 wurde sie dann für das Mathematical Tables Project entdeckt und als „Director of Mathematics“ und „Manager of Computation“ eingestellt. Bei dem Projekt handelt es sich um eine der größten Organisationen, die (menschliche) Computer beschäftigten. D.h. Menschen, die Berechnungen wie am Fließband für bestimmte Projekte durchführten, lange bevor digitale Rechner und Rechenkonzepte kommerziell verfügbar wurden. Bevor also Maschinen den Begriff Computer erbten, war er bereits für Menschen reserviert, die lange Berechnungen duchführten. Im Falle des Mathematical Tables Projects handelte es sich dabei um die Tabellen mit Werten, die in Tafelwerken stehen. Denn, wir erinnern uns an die Schulzeit, früher gab es keine High-End Taschenrechner und wollte man schnell Berechnungen durchführen, waren Tafelwerke eine Erleichterung. Gertrude Blanch war an der Entwicklung der Algorithmen und der Fehlerüberprüfung zuständig und als Leiterin der Ableitung für 450 Mitarbeiter zuständig.
Das Projekt wurde später Teil des National Bureau of Standards. Während des Kriegs lieferte die Gruppe um Blanch Rechenergebnisse für zahlreich militärische und Forschungsprojekte. Die Entwicklung effektiver Algorithmen und das Design von Rechenanlagen wurde ihre Spezialität. Die Weiterentwicklung elektronischer Rechenanlagen war lange vor der Zeit der Großrechner ein Anliegen und Interesse von Blanch. Sie wurde auch früh ein Mitglied der Association for Computing Machinery (ACM), einer non-profit-Organisation, die den Fortschritt um Informationstechnologie und Computer unterstützt und bis heute existiert. Blanch erlebte den Übergang von handgesteuerter Rechenautomaten zu Großrechnern und war an der Entwicklung von Rechenmaschinen beteiligt. Nach dem Krieg wurde sie allerdings aufgrund ihrer Herkunft und weil sie alleinstehend war, bezichtigt Kommunistin zu sein, was sie von sich wies und damit auch Erfolg hatte. Bis zur Pensionierung arbeite sie für die Air Force und war selbst danach noch als Mathematikerin tätig und fertigte Paper u.a. über numerische Verfahren und Mathieusche Differentialgleichung an. David Grier sagte anerkennend über Blanch:
„Gertrude Blanch can be viewed as either the last and most important leader of human computers or one of the first numerical analysts for electronic computers.“
Zum nachlesen/Quellen:
frauen-informatik-geschichte.de
wikipedia (en)
University of St Andrews, Scotland
agnesscott.edu
Wednesday Geek Woman: Gertrude Blanch, algorithm design pioneer
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung
Teil I: Ada Lovelace
Teil II: Grace Hopper
Teil III: Hedy Lamarr
Teil IV: Marissa Mayer
Teil V: Jade Raymond
Irgendwie ungewöhnlich, dass man so wenig über Gertrude Blanch liest und hört, oder? Oder war sie euch vorher schon bekannt? In welchem Zusammenhang habt ihr von ihr gehört? Da sie offensichtlich an einigen militärischen Projekten beteiligt war, liegt die Vermutung nahe, dass nicht ihr gesamtes Wirken und Schaffen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Aber in so einem frühen Stadium der humanen und elektrischen Computer beteiligt zu sein, klingt extrem spannend. Am meisten bewegt mich aber wie lange sie für ihre Mathematikstudium gespart und gekämpft hat, während sich manch einer vielleicht mit dem Leben im aktuellen Job ab einem gewissen Punkt einfach zufrieden gegeben hätte.
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂
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