Also manchmal, da braucht man ziemlich viel Geduld. Wieviele Jahre hat es nun gedauert bis die Doku über das Studio Ghibli endlich in Deutschland erschien? Einige. Klar – es ist ein sehr spezielles Thema. Damit werden sich nur Leute beschäftigen, die tiefer im Gebiet Animationsfilm drinstecken. Insbesondere japanischer Animationsfilm. Frag mal jemanden auf der Straße, ob er Filme wie Mein Nachbar Totoro, Chihiros Reise ins Zauberland oder Die letzten Glühwürmchen kennt. Und dann frag mal, ob sie Hayao Miyazaki oder Isao Takahata kennen. Das Thema ist speziell. Aber für diejenigen, die mit dem Studio Ghibli etwas anfangen können, ist es wie Peter Debruge im November 2014 für Variety schrieb: „For animation lovers, peering inside the walls of Studio Ghibli is like being granted a guided tour of Santa’s workshop.“ Review ist verhältnismäßg spoilerfrei.
Die Doku deckt den Zeitraum ab in dem Hayao Miyazaki an Wie der Wind sich hebt arbeitet und damit parallel zu Isao Takahata, der an Die Legende der Prinzessin Kaguya sitzt. Beide Filme sollen parallel erscheinen und der Druck ist groß, insbesondere auf Takahata, der als unzuverlässig beschrieben wird. Wir verfolgen dabei vor Allem den Alltag Miyazakis und bekommen Einblicke in die Arbeit im weltberühmten Studio Ghibli. Wie kam es überhaupt zu der Gründung? Wie fanden die drei Gründungsmitglieder zusammen? Was ist die Rolle von Toshio Suzuki? Die Doku gibt dabei Einblick in Miyazakis Arbeit: als über Siebzigjähriger sitzt er immer noch am Zeichenbrett und fertig statt eines Drehbuchs ein vollfarbiges Storyboard an. Wenn man diesen mehrjährigen Prozess beobachtet, der aus einer 6-Tage-Woche zu je 10 Stunden besteht, dann ahnt man, warum sich das Studio neu orientieren muss. So großartig die Geschichten geplant und gezeichnet sind, kann Ghibli mit dem Tempo anderer Studios nicht mithalten. Das merkt man dem Film aber kaum an. Der Arbeitsplatz kann hart sein, Hayao Miyazaki kann hart sein, aber dann gibt es noch den gemeinsamen Frühsport, das gemeinsame Beobachten des Sonnenuntergangs und die sehr entspannte Studio-Katze. Die Doku nimmt alles mit, was es hinter den Kulissen zu sehen gibt bis zum bitteren Ende als Miyazaki bekannt gibt in den Ruhestand zu gehen.
Für Fans des Studio Ghibli ist der Film ein Schatz. Wenn man die Filme des Studios kennt und sogar die schon gesehen hat, die im Film thematisiert werden (Wie der Wind sich hebt, Die Legende der Prinzessin Kaguya), entsteht ein seltsames Vertrautheitsgefühl. So als ob man dabei gewesen ist als sie entstanden sind. Man erfährt was Miyazaki mit Wie der Wind sich hebt verbindet und wie der Film ursprünglich hätte enden sollen. Wer was Anime betrifft, allgemein bewandert ist, darf sich außerdem über Hideaki Anno freuen. Seines Zeichens der Regiesseur des dystopischen Mecha-Dramas Neon Genesis Evangelion. Der kam den Produzenten als Synchronsprecher für Jiro Horikoshi in den Sinn und aus dem anfänglichen Spaß wird Realität. Sehr eigentümlich diese Größen des Fachs in einem Raum zu sehen wie sie rumwitzeln und sich gegenseitig aufs Korn nehmen. Es gibt auch ein zwei Situationen in denen die Doku sehr persönlich wird. Wenn beispielsweise Hayao Miyazaki gefragt wird, wann er wusste, dass er heiraten will. Woher wusste er, dass seine Frau die richtige war. Er wusste es einfach, antwortete er. Wie das sein kann? Dass sei eins der Geheimnisse der Menschheit. Den Weisheiten des Meisters könnte man ewig lauschen, so sympathisch und augenzwinkernd wie er sie vorträgt. Da kann ich mir auch gerne nochmal 10 Minuten lang angucken wie er überall im Haus die Rollos runterlässt.
Mami Sunada kommt den Angestellten des Studio in der Doku offensichtlich sehr nah – und dabei auch den drei Köpfen. Total unverblümt wird gezeigt wie Miyazaki an dem einen Tag über Takahata als Genie spricht und ihn am nächsten Tag als unzuverlässig bezeichnet. Ab und zu verliert sich die Doku in irrelevanten Szenen, die die Atmosphäre zwar sicherlich einfangen sollen, aber immer einen Tick länger sind, als man es gebraucht hätte. Die Längen der Doku machen sich in einigen Szenen zu bemerkbar. Ich wäre nicht böse, wenn man die Doku stattdessen mit ein paar Einspielern der Filme gespickt hätte, die dort gerade entstehen oder auch mit Szenen aus früheren Ghibli-Produktionen, da diese ja öfter erwähnt werden. Auch die Arbeit der Zeichner hätte gern noch etwas mehr fokussiert werden können. Aber der familiäre Grundton macht so oder so Spaß und rührt besonders, wenn man bedenkt, dass dieser wunderbare und schwierige und vor Kreativität berstende Ort gerade keine Filme produziert, um sich neu zu orientieren. Übrigens hat Takahata es letztendlich nicht geschafft mit Miyazaki gleichzuziehen – der Start von Prinzessin Kaguya wurden dann um einige Monate verschoben.
The Kingdom of Dreams and Madness (OT: 夢と狂気の王国 – „Yume to kyōki no ōkoku“), Japan, 2013, Mami Sunada, 118 min, (8/10)
habt ihr die Doku schon gesehen? Und wenn ja, wie hat sie euch gefallen? Auf welchen Film oder welche DVD habt ihr zuletzt Jahre warten müssen? oder wartet ihr sogar gerade jetzt auf eine Veröffentlichung?
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