Die Leipziger Buchmesse ist immer eines der Ereignisse des Frühjahres auf die ich mit Abstand am neugierigsten bin und mich sehr darauf freue. Sehr sehr sehr darauf freue. 😀 Ein Fest, bei dem es um das gedruckte und gehörte Wort geht. Überall umgeben von Büchern zu allen Themen. Ein Traum für Leser und die, die gern über Bücher schreiben und reden. Durch die MCC (Manga-Comic-Convention) geht der Trend auch dahin, dass sich Fans von Manga und Comics hier richtig auslassen können. Subkultur at its best. Und was die Leipziger Buchmesse (LBM) auch schon immer gut konnte ist politisch und zeitgeschichtlich werden. So ist die LBM. Während sich letztes Jahr eine gewisse Buchmessen-Routine für mich eingestellt hat, lief dieses Jahr einiges anders – auf positive und negative Weise.
Ein erster signifikanter Unterschied
Sicherheitskontrollen. Und dieses Jahr wurden nicht einfach nur einige wenige Leute rausgezogen und kontrolliert, sondern jeder muss einen Check durchlaufen und die Rucksäcke und Taschen wurden kontrolliert. Für Cosplayer gab es einen extra Requisitencheck. Hier gibt es aber auch einen kleinen Glitch für diejenigen, die einen Presseausweis haben, aber aus Versehen auf dem Besucherparkplatz landen. Wie dem auch sei: spätestens dann sagt einem jemand wo man hin muss/soll/darf. Soviel zum Unterschied im üblichen Messe-Ablauf. Die Unsicherheiten unserer Zeit zwingen uns dazu solche Sicherheitschecks zu durchlaufen und Veranstalter solcher Groß-Ereignisse die Checks einzurichten. Ich sage mal: lieber einmal mehr nachgeschaut als zu wenig. Das Sicherheitspersonal wirkt auf mich von Jahr zu Jahr präsenter und ich drücke es mal so aus: wenn es andersrum wäre, würde ich mir auch Sorgen machen.
Dann gibt es noch einen weiteren großen Unterschied darin wie ich die Messe wahrgenommen habe und der mir schon bei der Vorbereitung aufgefallen ist: keine Lesungen für mich. Normalerweise bleibe ich während der Messe auf dem Messegelände, obwohl das Lesefest Leipzig liest quasi in ganz Leipzig stattfindet, beispielsweise Lesungen oder Events in Buchhandlungen mit einschließt. Da ich bisher immer genug Veranstaltungen auf der Messe selber fand, sah ich mich nie gezwungen das Messegelände zu verlassen und bin dort immer von einer Veranstaltung zur nächsten durch die Hallen gedüst. Aber dieses Jahr beschränkte sich das auf Diskussionen und Gesprächsrunden, keine Lesungen. Da habe ich wohl Pech gehabt, denn es waren kaum Lesungen auf dem Gelände selber dabei, die mich interessiert hätten oder für den Blog relevant wären. Oder ich habe nicht durch das Programm der Messe davon erfahren und dementsprechend zu spät. Ein gutes Argument, um nächstes Jahr mal genauer auf das Programm außerhalb der Messe zu schauen und Newsletter zu studieren. Allgemein hatte ich aber den Eindruck auf der Messe die großen populären Namen zu vermissen.
Lost in Leipziger Antiquariatsmesse

Wie schon oben beschrieben, waren meine Programmpunkte mal ein bisschen anders dieses Jahr. Wo wir auch hängengeblieben sind, ist die Leipziger Antiquariatsmesse, an der ich die letzten Jahre immer vorbeigehuscht bin – immer auf der Suche nach dem Veranstaltungsort irgendeines Termins. Dieses Jahr war mehr rumlaufen, schauen und stöbern an der Tagesordnung. Und somit auch mal Zeit sich den Antiquariatssücken zu widmen. Das die Bücher hier (mal abgesehen von der Trennung nach Antiquariat) nicht so wirklich sortiert sind, gibt es dem Ganzen den Untertitel „Menschen die auf Bücher starren“. Und wer lange genug starrt, findet da einige Schätze. In meinem Fall eine japanische Ausgabe von Robinson Crusoe, um mal die Japanischkenntnisse und den Kopf zu fordern. So ist das wohl mit der Antiquariatsmesse. Man erhofft sich irgendeine lange vergriffene Ausgabe zu finden oder einen tollen Sammelband mit Gedichten von irgendjemandem, den man schon ewig lesen wollte und geht mit einem Buch auf Japanisch. 😉 Als ich weitere japanische Bücher fand, bei denen ich aber leider nicht mal den Titel entziffern konnte, sagte eine Frau neben mir „Sie haben noch ein ganzes Leben das alles zu lernen“. Schnell gehen wird’s auf jeden Fall nicht.
Blogger und Rechte
Es gibt einige Themen auf der LBM, die Jahr für Jahr ein bisschen wachsen. So beispielsweise das Thema Books on Demand. Das, so könnte man meinen, den Zenit sogar schon ein bisschen überschritten hat, insbesondere seit Kindle Direct Publishing anwesend ist und die Programmübersicht gut besiedelt hat. Ein anderes Thema sind Blogger, an die man sich mit einigen Veranstaltungen direkt richtete, während andere von Verlagen gestaltet wurden. Eine der Veranstaltungen, die mich brennend interessiert hat, war aber das von Munich Bookster organisierte Treffen, in dem es um Rechte für Buchblogger ging. Zu Munich Bookster gehört u.a. Philip von Book-Walk, der mit Unterstützung von zwei weiteren Bloggerinnen und zwei Anwälten anwesend war. Die Veranstaltung wurde interaktiv gestaltet und dabei immer Fragen gestellt wie beispielsweise „Ich hafte nicht für die Kommentare anderer“ – ob das richtig oder falsch ist, wurden zuerst die Blogger gefragt, dann das Publikum und dann durch die Anwälte aufgelöst. Das war sehr informativ und meines Erachtens nach ist es auch ein wichtiger Programmpunkt für alle, die sich in das www wagen. Allerdings auch ein deprimierender Programmpunkt, denn man darf noch viel weniger als ich dachte. Dass man beispielsweise ein Impressum braucht, man nicht ungefragt Bilder verwenden darf und dass Copyright und Urheberrecht etwas anderes ist, ist wohl inzwischen den meisten klar. Aber dass man auch dafür haften kann, wenn man Links zu Webseiten setzt, die eine Urheberrechtsverletzung beinhalten, ist schon ziemlich hart und klingt gegensätzlich zu dem, was das Internet eigentlich ist und was es groß gemacht hat. Tough.

Blogger treffen
Nachdem wir also weiter die Hallen und Stände anschauten, standen die Termine an der Tagesordnung, auf die ich mich immer am meisten freue. 😀 So durfte ich die Binge-Readerin Sabine kennenlernen und Kathrin wiedersehen. Kathrin zu treffen ist inzwischen auch schon eine Buchmesse-Tradition und es war wieder sehr cool und witzig und ich arbeite an einem geheimen Plan Kathrins Wohnort irgendwie näher an meinen zu verlegen, damit man sich öfter sieht und quatschen kann. Und da ich bei Sabine jetzt inzwischen auch sehr regelmäßig mitlese, hat es mich sehr gefreut auch sie mal im real life kennenzulernen und wir konnten uns gemeinsam über Manga, Leipzig und wenig hübsch dekorierte Messe-Biergärten wundern.
MCC und die MangaKo
Am Freitag sagte ich zwischendurch einmal, dass die MCC bzw Halle 1 der Ort ist, an dem man die meiste Freude sieht. Hier leben sich die Mangafans und Cosplayer aus, treffen Freunde, sehen ihre Idole und stellen sich und ihre Manga ggf sogar Verlagen vor und zittern und bangen. Auch ich habe vor einigen Jahren bei den gängigen Verlagen in einer langen Reihe von bangen Mangafans gestanden, die der Meinung waren Manga-Zeichner werden zu wollen. Halle 1 klingt also immer etwas nach Nostalgie. Die Plüschtiere und der Merch-Kommerz scheinen zwar kontinuierlich teurer zu werden, aber ansonsten ist sich die Halle treu geblieben. Carlsen holte dieses Jahr Yusei Matsui, den Zeichner von Assassination Classroom, nach Leipzig, während Tokyopop mit Kyoko Kumagai, der Zeichnerin von Miyako – Auf den Schwingen der Zeit, aufwartete. Die MCC und das LBM-Messe-Team hat im Laufe der Zeit einiges in Hinblick auf Comic und Manga und ihre Leser und deren Bedürfnisse dazugelernt und sich danach gerichtet. Auch wenn es darum geht das Erscheinungsbild zu professionalisieren. Für Cosplayer waren deutlich mehr Workshops dieses Jahr als für Zeichner oder andere Themenbereiche. Was mich auch wieder zu der Frage bringt wie es denn um deutsche Manga steht.
Den beantwortet die nun inzwischen das dritte Jahr in Folge stattfindende MangaKo („Manga-Konferenz“). Mitgeredet hat zum wiederholten Male Britta Harms von Carlsen Manga! und das erste Mal Martina Peters (Zeichnerin von u.a. TEN) und Inga Steinmetz (u.a. Zeichnerin von Alpha Girl). Es ging vorrangig um die Stoffe und das Storytelling der deutschen Manga. Ein Vorwurf dem sich die deutschen Zeichner stellen müssen ist, dass ihre Manga aus den verschiedensten Gründen nicht „so gut“ wären wie japanische. U.a. wurde zur Diskussion aufgegriffen, ob das deswegen auf viele so wirkt, da deutsche Zeichner im Gegensatz zu japanischen alleine arbeiten und die Masse nicht bewältigen können, die japanische Zeichner liefern, die oftmals mit Assistenten zusammen arbeiten. Für die japanischen Mangaka ist es nicht unüblich soviele Kapitel zu produzieren, dass diese in die Hunderte gehen und es gibt Manga mit mehr als 50 Bänden, während deutsche Zeichner ihre Geschichten oftmals in einem, manchmal in bis zu maximal drei Bänden abschließen müssen. Es wurde diskutiert, ob man in den wenigen Bänden u.U. gar nicht die Tiefe bzgl Handlung und Charakterentwicklung bieten kann, die Erfolgsmanga aus Fernost vorleben. Inga Steinmetz sagt dazu allerdings, dass man sich nicht hinter dem einen Band verstecken dürfte. Tatsächlich beweisen Kurzfilme und Kurzgeschichten immer wieder, dass es nicht eine Frage der Quantität, sondern der Qualität ist. Ich persönlich würde vermuten, dass Verlage aufgrund des finanziellen Risikos eher dazu neigen sehr massentaugliche Geschichten vorzuziehen, die wiederum bei den anspruchsvollen Lesern auf Ablehnung stoßen – und ja ich gestehe, dass das mein Problem mit vielen deutschen Titeln ist. Dass sie mir bspw. zu zuckersüß-geradlinig-Shoujo sind. Allerdings bewegte sich die Diskussion mehr in Richtung „Storytelling schulen“, Workshops anbieten und ggf mit einem Autor zusammenarbeiten. Wobei Martina Peters anmerkte, dass nicht jeder Zeichner mit jedem Author zusammenarbeiten kann und die Chemie stimmen muss.
Mal abgesehen davon kann man beobachten, dass sich die deutsche Mangaszene noch immer bewegt, aber etwas langsam. So können die Urgesteine des deutsche Manga wie Inga Steinmetz mit neuen Geschichten aufwarten (Schneeballen – Verliebt in Japan). Allerdings fehlt es ein bisschen an den Geheimtipps und neuen Gesichtern. Zeichner wie die sehr talentierte Nana Yaa Kyere werden abseits von Verlagen in Eigenregie bekannt und bekommen dann später eine Reihe – in ihrem Fall der Shounen-Titel Goldfisch. Da ist noch ein bisschen Platz in der deutschen Mangaszene. So richtig mutig scheint sie noch nicht geworden zu sein. Vielleicht ändern das neue Anbieter wie Pyramond, die ihr Programm vorgestellt haben.

Und sonst so?
Nach ca. 10 auf der Messe zurückgelegten Kilometern taten die Füße dann doch ziemlich weh. Was in dem Bericht vom Freitag keine Erwähnung gefunden hat, waren die Kernthemen der Messe. Von Neuland 2.0 und Litauen als Partnerland würden wir uns am nächsten Tag überzeugen. Gesehen haben wir u.a. auch noch die beeindruckende Foto-Ausstellung „Paper Dreams“, das Thema Reformation war außerdem im Luther-Jahr sehr präsent und der „kleine Maulwurf“ des leider bereits Verstorbenen Zdeněk Miler begegnete uns. Er feiert runden Geburtstag: 60 Jahre alt ist er geworden und sieht noch aus wie ein junger Hüpfer.
Habt ihr euch die Messe angesehen? Wie hat sie euch gefallen? Was waren für euch die wichtigsten Programmpunkte? Wie seht ihr die Entwicklung der deutschen Mangaszene? Ist das Storytelling wirklich das Problem? Wo bleiben die neuen Gesichter? Wie nehmt ihr die Messe wahr? Hat euch etwas besser/schlechter gefallen als letztes Jahr? Fühlt ihr euch auf solchen Großveranstaltungen sicher?
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