Neulich habe ich auf aeon.co den Artikel Before you can be with others, first learn to be alone gefunden. Und der spricht mir aus der Seele, teilt eine meiner tiefsten Überzeugungen und erinnert mich an eine Zeit, in der ich viel alleine war. Wir wissen ich gehe im Blog spärlich mit sehr persönlichen Details um, aber es gibt da ein paar Zeilen die schwirren in meinem Kopf seitdem ich den Artikel gelesen habe und wollen raus.
Ein Merkmal meines Lebens war, dass ich den Dating-Rummel nicht mag und meistens sogar etwas falsch und seltsam finde. Manchmal hatte ich früher das Gefühl, dass man sich konsequent irgendwie vermarktet um irgendjemandem zu gefallen und das gefiel mir nicht. Für mich gehörte zu einer Beziehung immer, dass man dieses Gefühl des Verliebtseins hat. Vielleicht halten mich jetzt einige für naiv – aber das ist meine Auffassung. Scheinbar bin ich eine Romantikerin. Anziehung ist nicht nur Attraktivität. Da ist mehr Chemie als ein paar kollidierende Hormone. Meine tiefe Überzeugung. Und zwischen diesen Emotionen lag bei mir meistens eine gewisse Latenzzeit. Sprich: ich verliebe mich selten. Als Teenager war das anders. Ha. Und so gab es eine Zeit in meinem Leben in der ich lange Single war. Und andere Meschen quittierten mir ab und zu, dass das seltsam wäre. Das hat mich viel mehr bestätigt als die Frage, warum ich alleine bin. Warum finden das andere seltsam? Bin ich nur komplett und relevant, wenn ich nicht nur ich alleine bin? Warum? Das ist doch irgendwie irre. Ich selber habe mich manchmal in meiner Umgebung umgeschaut und hatte das Gefühl, dass andere sich willkürlich mit jemandem zusammenraufen. Einfach um mit jemandem zusammen zu sein. Oder anders gesagt: um nicht allein sein zu müssen. Das soll keinen Verurteilen sein. Da prallten eben manchmal zwei Welten aufeinander, zwei vollkommen unterschiedliche Vorstellungen vom Leben. Denn ich war relativ einverstanden mit dem Alleinsein. Meine Freunde hatten keine Zeit für Kino? Gut, ich geh alleine. Es hat niemand Zeit oder Geld um mit mir in den Urlaub zu fahren oder keiner teilt dieselben Vorstellungen davon wie der Urlaub oder das Reiseziel sein soll? Ok, ich fahre allein. So führte mich mein Weg an alle möglichen Orte, zu schönen Erlebnissen. Aber ich werde auch nicht so tun als ob das total einfach war. Bei meinem ersten Kinobesuch allein fühlte ich mich seltsam. Sah die anderen Menschen und kam mir komisch vor. Alle waren zu mehreren da, nur ich nicht, was stimmt nicht mit mir? Warum geht denn niemand mit mir in den Film, the heck?
Aber auch das ist eine der Lektionen, die ich in Teenagerjahren lernte. Es lag (meistens? 😉 ) nicht an mir, sondern an dem Film. Der Zeit. Dem Geld. Nur eine von wenigen Lektionen. Und irgendwann schätzte ich das Alleinsein. Das essen, was ich möchte. Dann Sport machen, wann ich möchte. Den Film gucken, den ich möchte. Meine eigene Ordnung. Ein schönes Freiheitsgefühl. Ich habe das genossen. Was ich nicht genossen habe, war dass man es nicht teilen kann. Natürlich habe ich Familie und Freunde, irgendwann kam dieser digitale Platz mit seinen Bloggernachbarn dazu. Das gibt mir alles viel. Aber es gibt einem eben nicht alles. Und so bliebt immer eine kleine schwelende Glut, das will ich gar nicht bestreiten. Dieses „Warum nicht auch ich?“ Aber das Alleinsein hat geholfen den Charakter zu formen, sich zu finden. Ich war mir allein auch genug. Ich hatte meine Meinung, es war nicht die von jemand anders, der ständig um mich herum ist. Es ist wirklich meine Meinung und mein Charakter. Es gab Menschen, die in mein Leben getreten sind und ich habe guten Gewissens gesagt „Sorry, ich spüre das einfach nicht.“ Oder „Die Chemie zwischen uns stimmt nicht.“ und habe dafür oft Unverständnis oder manchmal richtig fiese und beleidigende Sprüche geerntet. Aber auch ich war mir manchmal nicht sicher, ob ich nicht was falsch mache. Ob mein Alleinsein mir nicht zu komfortabel ist und mich von anderen irgendwie separiert.
Immerhin habe ich durch den Artikel gelernt, dass auch noch andere denken, dass Alleinsein wichtig ist. Auch wenn der Artikel sich viel mit Kriminalität und dem Zusammenleben in der Gesellschaft widmet, u.a. Hannah Arendts Theorien referenziert. Auch ich denke, dass bevor man mit jemandem zusammen sein kann und jemandem sein „Selbst“ überlässt, man sich die Zeit gegeben haben muss, man selber zu werden. Sein „Ich“ zu festigen. Das heißt nicht, dass man arrogant sein und sich für keine Meinungen um einen herum interessieren soll. Das heißt eben nur, dass die Zeit zwischen Beziehungen nicht falsch ist. Auch wenn sie etwas länger ausfällt. Auch wenn man sich zwischendurch fragt „Warum nicht ich?“ oder „Bin ich komisch?“ Nein, wahrscheinlich ist man nicht komisch. Das ist eine gute Erkenntnis. Und nach all der Zeit eine schöne Gewissheit.
Genauso schön wie die Gewissheit, dass du da bist. Dass plötzlich das Alleinsein nicht mehr reicht. Und jetzt, über ein Jahr nachdem wir uns kennengelernt haben und ziemlich genau ein Jahr nach einem wunderbaren Tag, stelle ich fest, dass ich immer noch gern alleine bin, aber vor Allem gern mit dir alleine bin. Wenn ich neben meinem Tippen am PC im Blog noch ein zweites Tippen ein paar Meter weiter neben mir höre. Oder dein Schimpfen im Nebenraum genauso wie dein Lachen. Unsere Gemeinsamkeiten und unsere Unterschiede. Unsere stillen Tage und unsere lauten. Tage, an denen wir uns viel, wenig oder gar nicht sehen. Unsere inzwischen vielen Tagen zusammen. Und dass es sich eben doch manchmal einfach fügt. Vielen Dank mein Schatz, dass du da bist. ❤️
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