Japanreise: Tag 5 – Fushimi Inari Schrein und Bambuswald in Kyōto

Unser Besuch in Hiroshima hat uns am Vortag sehr still und nachdenklich gemacht. Und während ich hier so schreibe, habe ich immer noch den Eindruck, dass die Erlebnisse ein bisschen was verändert haben. Für unseren fünften Tag in Japan war ein weiterer Tagesausflug geplant, nämlich in die frühere Hauptstadt Kyōto. Kann man aber Kyōto an einem Tag schaffen? Das sicherlich nicht. Aber unser JR Pass war noch gültig, die Sitzplätze im Shinkansen reserviert und wir hatten ein, zwei Dinge auf der Liste, die wir unbedingt sehen wollten, wenn wir schon mal in Japan sind. 🙂

Gemütlich in den Tag starten mit Frühsport und einem kleinen Erdbeben

Während ich da so im Hotelzimmer saß und darauf wartete, dass sich der Liebste fertig machte (vertauschte Rollen 😉 ), wackelte es plötzlich. Das heißt nicht alles wackelte. Ich hatte das Gefühl, dass ich wackele. Es brauchte zwei, drei Sekunden bis ich es realisierte – ein Erdbeben. Während ich noch darüber nachdachte, dass ich mich in den Türbogen stellen sollte, war es schon vorbei. Scheinbar war es eh ein sehr leichtes Erdbeben. Da gab es keine klirrenden Gläser; keine Gegenstände, die sich bewegen. Ich sah nach draußen – aber was wollte ich da sehen? Schwankende Hochhäuser? Es ist aber schon witzig. Man geht raus aus dem Hotelzimmer und denkt irgendwas müsse anders sein, schließlich hat es ein kleines Erdbeben gegeben. Aber das ist für alle vollkommen normal. Im Nachhinein denke ich, dass man es auf der Straße vielleicht nicht mal groß gemerkt hat, sondern es mehr die Schwingung unseres Hotels war, dass sich in einem Hochhaus befand. Das war also mein erstes Erdbeben.


Übrigens haben nicht etwa wir Frühsport gemacht, obwohl das in Japan sehr beliebt zu sein scheint, sondern wir wurden erneut Zeuge von Japanern, die sich total vorbildlich einer morgendlichen Fitness-Session hingaben. Nämlich eine Gruppe Bauarbeiter. Gegenüber von unserem Hotel tauchte an diesem Samstag(!) plötzlich eine kleine Baustelle auf. Die Baustellen in der Stadt waren alle sehr dezent. Statt irgendwelchen löchrigen Bauzäunen standen dort meist weiße Trennwände, die keinen Blick auf die Baustelle freigaben. Sehr sauber, sehr ordentlich. Und eben jene Bauarbeiter machten am Straßenrand kollektiv Frühsport. Woah. Die sind so gut. Übrigens war die Baustelle nach einem Tag schon wieder verschwunden. Wir brachen bald auf und legten mit dem Shinkansen eine ca dreistündige Fahrt nach Kyōto hin und fuhren direkt zum Fushimi Inari Schrein, einem unserer großen Wunschziele.

Fushimi Inari Schrein

Da wir erst gegen mittags da waren, war es voll und sehr warm. Ich verstand inzwischen sehr gut, warum so viele Japanerinnen hier mit Sonnenschirm unterwegs waren. Vom Bahnhof Inari aus ist es ein Katzensprung bis zum Hauptgebäude. Am Schrein selber wurden wir von vielen Leuten abgefangen, die gern ein Foto gemacht haben wollten. Und: von ein paar Schülern, die für den Englischunterricht in der Schule als Hausaufgabe Touris interviewen sollten. Selbstverständlich haben wir mitgemacht und ein paar Fragen zu uns beantwortet, wo wir herkommen beispielsweise – die Kinder waren aber auch herzlich und echt gut drauf. Als wir auf die Frage nach unserem liebsten japanischen Essen antworteten wir Okonomiyaki und ihrem Jubeln nach zu urteilen schienen sie unserer Meinung zu sein. 😀 Nach dem schönen Start machten wir auch unsere Touri-Selfies und sagten den Göttern am Schrein hallo.

Der Fushimi Inari-Taisha ist ein weiterer Shintō-Schrein, erkennbar an den großen Toren („Torii“), durch die man schreitet. Der Schrein existiert unglaublich lange. In manchen Aufzeichnungen und Legenden werden Jahreszahlen wie 711 erwähnt, aber auch hier sieht alles sehr gut gepflegt und neu aus. Der Schrein ist dem Reis-Gott Inari gewidmet, der auch der Gott der Fruchtbarkeit ist und oftmals mit den Farben rot und dem Fuchs als Schutztier assoziiert wird. In einem Land, das in punkto Lebensmittel so sehr auf Reis als Ressource setzt, ist es kein Wunder, dass die meisten Schreine Inari gewidmet sind. Auf dem Gelände findet sich die rote Farbe überall wieder – und auch die Füchse! Es ist klasse zu beobachten welch unterschiedliche Symbolik sie haben. Manche scheinen Weizen oder Reis im Maul zu tragen, andere einen Schlüssel. Der Schrein ist weiterhin dafür bekannt, dass sich nach den ersten Gebetstempeln ein langer Tunnel aus roten Torii den Berg nach oben schraubt, der hinter dem Schrein liegt. Ihr habt bestimmt schon Fotos davon gesehen. Da der Schrein so bekannt ist, waren wir schon auf viele Besucher gefasst. Die nächsten beiden Fotos geben vielleicht Aufschluss darüber wie wühlig es an dem Schrein war. Ich werde gar nicht mehr fertig mit dem Verstecken von ungewollt fotografierten Gesichtern … .

Ein bisschen spazieren. Und spazieren. Und … spazieren. 🙂

Wir waren unglaublich neugierig auf die Atmosphäre in dem Torii-Gang, hatten aber von Anfang an nicht vor den ganzen Weg durch die Torii zu gehen, obwohl sie zu dem Heiligtum des Schreins führen. Das war mehr eine pragmatische Entscheidung in Anbetracht der Zeit, die wir zur Verfügung hatten. Obwohl die Torii in ihrer Größe, Masse und Anzahl beeindruckend sind, wollte in den ersten Minuten nicht so recht Stimmung aufkommen. Zuviele Menschen mit Selfie-Sticks, Stativen und dem Wunsch nach dem perfekten Shot tauchten überall um uns herum auf. Wir gingen an all dem vorbei und waren sehr froh als sich die Reihen der Torii-Durchschreiter lichteten. Nach etwa einer Stunde waren wir fast für uns.

Die Reihen der Torii lichten sich übrigens etwas. Während sie anfangs noch ganz dicht stehen und durch das Licht alles in einen rot-orangefarbenen Schein tauchen, kann man später auch hin und wieder nach rechts in eine Nische ausweichen und ein bisschen Pause machen. Wer „aufgeben“ will findet übrigens immer wieder Weggabelungen durch die man mittels Pfaden durch den kühlen umliegenden Wald wieder zurück zu den Einkaufsstraßen und dem Gebetstempel kann. Kleine Schreine tauchten auch hin und wieder auf, genauso wie kleine Monumente, Gräber, ein See und sogar ein Friedhof. Es ist vielleicht etwas makaber, aber ich empfand gerade die Atmosphäre auf dem Friedhof mit der Stille und Andächtigkeit als angenehme Abwechslung zu dem Gewusel. Übrigens wurde jedes der Torii gespendet. Desto größer die Spende, desto größer das Torii 😉 Wer gut mit Kanji ist, kann an den Säulen auch lesen wer gespendet hat und wann. Ein paar Fernsehsender und größere Firmen konnte ich entziffern.

Diese mir vollkommen unbekannte Person war total damit einverstanden fotografiert zu werden. Sie scheint auch den Blog zu kennen … 😉

Kunstpause

Nachdem wir die andächtige Stimmung gefunden hatten, die wir gesucht haben, das eine oder andere Foto gemacht und eine ordentliche Strecke zurückgelegt hatten, nutzten wir eine der Nischen und Seitenwege und gingen durch den Wald zurück. Herrlich kühl und still. Die Seitenwege waren leer, da die meisten bis hierher entweder nicht kamen oder naja – weitergingen. Wieder unten am großen Tempel angekommen nahmen wir die bei Tempeln meist nicht weit entfernten Straßen mit Souvenirläden und griffen dieses Mal trotz des Gewusels ordentlich zu. Ich als Fuchs-Fan hätte den hier am liebsten zu meinem Lieblingsschrein ernannt und das ganze Merch hatte entsprechend einige Fuchs-Motive 😉 Die Einkaufsstraßen waren sehr urig. Kyōto ist allgemein dafür bekannt, dass in vielen Vierteln der Look früherer Zeiten und die früheren Bauweisen erhalten geblieben sind. Die Straßen um den Schrein sind dicht gepackt mit Imbissen, Menschen in Kimonos (man kann auch welche leihen) und vielen Besuchern. Wir wollten essen, aber es war uns einfach zu voll.

Uns verlangte nach einem ruhigeren Fleckchen und da wir viel Zeit „verwandert“ hatten, beschlossen wir zu unserem nächsten Ziel aufzubrechen und uns dort ein ruhiges Fleckchen zum Essen zu suchen. Das zehrte ziemlich an unseren Kräften, v.A. auch wegen der Wärme, aber der Plan ging auf. Wir fuhren mit der Bahn Richtung (Saga)Arashiyama, einem westlichen Stadtteil Kyōtos, der sich sehr ruhig und mehr wie ein Dorf anfühlte und dort kündigte ein kleiner Tintenfisch-Ballon an einem Imbiss etwas an, was wir schon seit unserer Ankunft in Japan essen wollten: Takoyaki. Das sind Tintenfischbällchen, die mit Mayonnaise, Bonitoflocken und Frühlingszwiebeln garniert werden und ich war schon vorher ein großer Fan.

Bambuswald bei Arashiyama

Arashiyama ist die Bezeichnung des Berges Arashi, übersetzt in etwa Sturm-Berg. Auch der Stadtteil ist danach benannt. Die Gegend fühlt sich angenehm wenig nach Großstadt an, ist auch etwas außerhalb des kyōtoer Treibens. Dafür hat das Viertel mit einigen Attraktionen aufzuwarten wie beispielsweise dem Zen-Buddhistischen Tempel Tenryū-ji und dem Bambuswald, der auf unserer Liste recht weit oben stand. Umgeben ist er wieder von einigen Straßen mit zahlreichen Imbissen und Cafés, die gemäß dem etwas traditionellerem Flair viel auf traditionelle Geschmäcker setzen statt auf Popkultur und laute Musik. Liebhaber von Eis und Süßigkeiten mit Grüner Tee-Geschmack kommen hier auf ihre Kosten. Der Wald selber war auch während unseres Besuches immer mal wieder sehr überlaufen. Fotos zu machen war nicht so ganz einfach, weil naja … alle Fotos machen wollten. Es sei denn man tut, was ich getan habe und richtet seinen Blick einfach über die Köpfe der Menschenmengen. Mit etwas Geduld habt ihr vielleicht auch Glück wie wir und es verteilt sich nach einiger Zeit.

Der Bambuswald ist wirklich fantastisch hoch und taucht alles in ein angenehmes, gedämpftes, grünes Licht. Wir wollten gar nicht so richtig weg. Übrigens gibt es mindestens drei Ausgänge bzw Richtungen aus denen man den Wald erreichen kann. Wir liefen vom Bahnhof Saga-Arashiyama. Der Weg zum Bambuswald ist auch spärlich ausgeschildert, aber immerhin. Navigation hilft. Falls ihr Probleme habt den Wald in Navigations-Apps zu finden, sucht mal auf Englisch nach „Arashiyama Bamboo Grove“. Die Stimmung im Bambuswald ist märchenhaft.

Das war’s schon …

Wir flanierten recht lange im Bambuswald auf und ab und sahen uns noch das eine oder andere Geschäft in Arashiyama an. Die Sonne wollte bald untergehen und wir hatten noch ein paar Stunden Fahrt mit dem Shinkansen bzw. erstmal zurück zum Hauptbahnhof in Kyōto vor uns. So langsam war klar, dass wir nur die zwei Sehenswürdigkeiten schaffen würden. Aber es ist auch ok – wir waren uns von Anfang an bewusst, dass man nicht viel in einen Tag quetschen kann und sehr glücklich, dass wir immerhin überhaupt in Kyōto waren. So ging die Reise für uns schon bald wieder zurück und ich nutzte die wohl während unseres Aufenthalts letzte Gelegenheit um einen Shinkansen zu fotografieren. Es war nicht unserer, also keine Angst, wir haben ihn nicht verpasst 😉 Auf Wiedersehen Kyōto!

„AUNJ「乱~RAN」“, via AUN J CLASSIC ORCHESTRA (Youtube)

 

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Sicherlich hätte man den Tag anders planen können. Vorher in Kyōto übernachten und früh morgens oder spät abends zum Fushimi Inari gehen, damit man nicht in soviele Menschen hineinläuft. Oder mehrere Tage Kyōto einplanen. Aber Fokus unserer Reise sollte eigentlich auf Tokyo liegen plus ein, zwei Dinge, die wir einfach mitnehmen „müssen“. Denn auch wenn das pessimistisch klingt: man weiß nicht, ob man es nochmal schafft so eine große Fernreise anzutreten. Fest steht aber für mich bei all dem was man in Kyōto noch hätte anschauen können, dass wir wiederkommen, wenn es so sein soll und nächstes Mal mehrere Tage Kyōto einplanen und sicherlich bei der Gelegenheit auch Osaka und/oder Kobe. Passend zu Kyōto ist der Song des Tages mal einer, der mit klassischen japanischen Instrumenten aufgenommen wurde. Wart ihr schon mal in Kyōto? Bei welcher Reise musstet ihr schon mal auf einige Sehenswürdigkeiten verzichten, wobei euch das Herz blutete?

6 Antworten

  1. Avatar von Steve D.
    Steve D.

    Hallo!

    Mein erster Kommentar hier 🙂 !

    Meine da noch „zukünftige“ Frau (Heiratsantrag am Mori Tower einen Tag vor unserem Trip nach Kyoto) und ich haben 2015 es mit Tokyo Kyoto so gemacht daß wir:

    1.) In einem JTB Sunrise Tours Reisebüro eine Shinkansenfahrt für einen Montag um 6 (!) Uhr früh buchten von Tokyo nach Kyoto.

    2.) Dementsprechend früh waren wir dann dort und der Fushimi Inari Schrein wurde gleich unser erstes Ziel, wir gingen aber ganz hinauf und wieder runter.

    3.) Es war defakto menschenleer als wir losgingen, auf dem Rückweg stürmten v.a. chinesische Touristengruppen und japanische Schulklassen den Schrein.

    4.) Nach Besuch von Sanjusangendo und dem Kiomizudera Tempel und Marsch durch Gion und die berühmte Marktstraße Nishikidori aßen wir noch und sausten mit dem Zug um 21 Uhr wieder retour.

    5.) Die Kosten, da eigentlich eine für japanische Pensionisten gedachte Reise, hielten sich sehr in Grenzen, da wir nur in Tokyo sonst damals waren hatten wir keinen JR Pass und der Shinkansen war eh ein schneller 🙂 !

    War eine perfekte Art einen Tag im Mittelwesten zu verbringen 🙂 !

    Danke für deinen tollen Reisebericht, bringt viele Erinnerungen an meiner bisher vier Aufenthalte quer durch Japan (2006, 2007, 2015, 2016 von Niko / Kanazawa im Norden bis Okinawa im Süden, Kirschblüte wie Herbst erlebt) zurück 🙂 !

    Liebe Grüße,

    Steve

  2. Toll, Kyoto möchte ich auch mal sehen, mich interessiert ja vor allem das alte Japan (würde am liebsten sowas wie in Chihiros Reise ins Zauberland sehen ;-))

  3. Wieder soooo schön!
    Vor allem der Bambuswald und bei den Torii bräucht ich sicher auch eine Menge Geduld, so Menschenmassen sind ja gar nicht meine Freunde 😛
    Schöne Bilder! Ich hüpf direkt zum nächsten Beitrag 😀

    1. Hach, sooo schöne Bilder! Jetzt hab ich gleich noch mehr Fernweh…
      Und mehr habe ich dieses Mal auch gar nicht zu sagen, sondern genieße einfach nur deine Eindrücke.

  4. […] unserem Ausflug nach Kyōto mit dem Fushimi Inari Schrein, Bambuswald, aber auch vielen Menschen war die Frage wie wir an einem […]

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