In der zweiten Jahreshälfte sind die Hörbücher hier etwas kurz gekommen. Da ist das nahende Jahresende vielleicht ein guter Zeitpunkt um nochmal zurückzublicken. 🙂 Mit dabei: Physik, Qhantentheorie, das Leben nach dem Tod, Holmes & Watson.
„Kurze Antworten auf große Fragen“ Stephen Hawking, Der Hörverlag
Es war schon klar, dass im Buchclub einer IT-Firma früher oder später mal ein Sachbuch mit irgendeinem naturwissenschaftlichen Hintergrund dran ist. Dass sich das früher durchsetzt als ein Science-Fiction- oder Fantasy-Buch ist überraschender. Aber es ist ja auch nicht so, dass die Kollegen es nicht probiert hätten 😉 Da ich mir nicht sicher war, ob ich das Sachbuch innerhalb der nächsten Wochen geschafft hätte, fiel die Wahl für mich auf das Hörbuch aus dem Hörverlag, gelesen von Frank Arnold, Anja Stadlober, Herbert Schäfer, Björn Schalla. Die Anzahl der Sprecher mag jetzt verwundern, schließlich beantwortet in dem Buch doch eigentlich Stephen Hawking wie der Titel verrät große Fragen. Tatsächlich beginnt das Buch mit sage und schreibe drei Einleitungen. Die erste mit den Worten Eddie Redmaynes, der Hawking im Film Die Entdeckung der Unendlichkeit spielte und die zweite von Kip Thorne, einem langjährigen Freund Hawkings, der ebenso Physiker ist. Beide erzählen dort von ihren Begegnungen mit Stephen Hawking. Danach folgt Überraschung: eine dritte Einleitung von Stephen Hawking. Und, ja da kommt noch was, nämlich ein Nachwort von Stephen Hawkings Tochter Lucy. Und alle erzählen sie aus Hawkings Leben – und von seinem Tod. Denn Hawking verstarb ca ein Jahr nach dem Erscheinen von Kurze Fragen …. . Vielleicht bin ich jetzt zu kritisch, aber ich glaube am besten hätte es Hawking wohl gefallen, wenn man es bei seiner Einleitung belassen hätte, vielleicht noch die seiner Tochter und gut ist. Ich drücke es mal fein aus: ich war leicht genervt. Insbesondere wenn man oben erwähnten Film gesehen hat, dann doppelt sich auch einiges. Dass Hawking ein großartiger Denker war, dass sollte vor Allem der Inhalt bescheinigen. Und das tut er auch.
Der Rest des Hörbuchs ist beeindruckend. Hawking beantwortet solche tatsächlich komplexen und großen Fragen wie die, ob Zeitreisen möglich sind und ob es Gott gibt auf eine sehr verständliche, logische und rationale Weise. Muss er physikalische Größen, Effekte und Gleichungen nennen, so erklärt er sie stets von der Kernaussage her oder zuviel wissenschaftliches Geschwafel, sodass auch Normalsterbliche das Prinzip dahinter verstehen. Er wirft auch eine Menge Aspekte auf, die ich noch nie zuvor so betrachtet habe. Beispielsweise, dass früher die DNA der Träger und Langzeit-Speicher menschlicher Information war. Hawking sieht das inzwischen durch die Bücher abgelöst. Da sie inzwischen der Speicher der Informationen sind, der vom Informationsgehalt und -umfang her die DNA quasi überflügelt hat und ähnlich der DNA weiter gegeben wird. Aber wir wissen ja Quantität ist nicht Qualität 😉 Trotzdem fand ich die Betrachtung ungemein interessant. Aus seinen Ausführungen kommen auch immer ein paar biografische Details raus, was ich viel charmanter finde als vier Einleitungen oder Nachworte. So relativiert er beispielsweise seine von den Medien angedichtete zweifelnde Einstellung zu Gott. Bei der Beantwortung einiger der Fragen gibt es Dopplungen in seiner Argumentation und den eben erwähnten biografischen Details. Aber nie so, dass es sehr unangenehm auffallen oder allzu ausschweifend wäre. Stattdessen sorgt es dafür, dass man sich bequem die Fragen und Antworten losgelöst von den anderen anhören kann. Insgesamt ein sehr spannendes Hörbuch mit etwas Längen am Anfang, die man dafür aber natürlich eben auch einfach überspringen kann. An den Sprechern liegt es übrigens nicht – das Resultat ihrer Arbeit ist sehr angenehm. Im Buchclub wurde das Buch oder Hörbuch zwar von einigen trotzdem als komplex oder schwer verständlich wahrgenommen, aber ich denke man hat deutlich mehr Spaß, wenn man auch bereit ist ein paar Fakten einfach zu akzeptieren. Wer sich unsicher ist, findet auf Youtube die einen oder anderen Snippets.
„Lucy Hawking on BRIEF ANSWERS TO THE BIG QUESTIONS by Stephen Hawking“, via Random House (Youtube)
„Ghostbox. Der Tod ist nicht das Ende“ Staffel 1
Hörspiel-Autor Ivar Leon Menger dürfte den meisten noch von Monster 1983 ein Begriff sein. Ghostbox ist nun sein jüngster Streich und wieder ein Horror- bzw Mystery-Hörspiel in gewohnt ausgezeichneter Qualität und mit bekannten Stimmen unter den Sprechern. Das Thema ist ein ganz anderes. Es geht um das Leben nach dem Tod, einen Serienkiller und unethische Experimente. Das Setting wurde dieses Mal in heimische Gefilde verlegt. Wir schlagen uns nicht mehr in amerikanischen Küstenstädtchen während des Kalten Krieges rum, sondern pendeln irgendwo zwischen Berlin und Heidelberg. Ghostbox handelt von der angehenden Berliner Journalistin, noch Praktikantin, Lena Gruenwald (Yvonne Greitzke – Synchronsprecherin von u.a. Alicia Vikander), die fasziniert ist vom Thema Leben nach dem Tod und dafür viel als Spinnerin gescholten wird. Als ihr Bruder plötzlich verstirbt, fährt sie nach Heidelberg um seinen Nachlass zu regeln. Sie lernt seine Studienkollegen kennen und erfährt von der sogenannten Ghostbox, einer Technologie, die sie näher an das Thema Leben nach dem Tod bringt als sie sich wohl gewünscht hätte.
„Audible Original Hörspiel „Ghostbox“ – Trailer“, via Audible Deutschland (Youtube)
Ghostbox ist ziemlich smart inszeniert, knifflig und erfordert Aufmerksamkeit. Zwar suche ich Stoffe, die das Gehirn ein bisschen fordern, aber bei Hörbüchern lasse ich mich verhältnismäßig schnell ablenken und das hier nicht sehr hilfreich. Teil des erzählerisch cleveren Ghostbox-Ansatzes ist es, dass Menschen Erinnerungen anderer vorgeführt bekommen und durchleben als wären sie ihre eigenen. Als Zuhörer hat man daher mehr als einmal den Effekt, dass man sich fragen muss, ob man gerade im Jetzt oder Vergangenheit ist und ob das Gehörte überhaupt real ist. Das ist spannend, aber es ist auch schwierig den Durchblick zu behalten. Zumindest in der zweiten Hälfte. Was das betrifft, hat Ivar Leon Menger narrativ ins Schwarze getroffen. Er nennt spannende Technologien, die mir aus meiner Arbeit in der IT und dem Studium bekannt sind: Mind Uploading, Digitalisierung, Chatbots, um nur ein paar Begriffe zu nennen. Und wer die nicht kennt, bekommt einige Denkanstöße. Dass er viel mit den zeitlichen Ebenen spielt und unsere Wahrnehmung durch die Mittel des Hörspiels geschickt beeinflusst und lenkt hat was. Ich musste tatsächlich etwas an Inception denken, wenn es auch nicht um Träume, sondern Erinnerungen geht. Aber es ist eben narrativ clever, aber nicht durchweg nachvollziehbar. Zumindest bei mir blieb im letzten Drittel ein Restzweifel, ob das Gehörte gerade logisch passt oder ob ich einfach nicht gut genug aufgepasst und etwas verpeilt habe.
Schwierig ist es außerdem mit den Charakteren und dem Rest der Handlung. Zwar ist Ghostbox sehr spannend, aber auch zuweilen etwas over the top. Dass der Größenwahn diverser Antagonisten nicht früher ans Licht kommt, wirkt sehr an den Haaren herbeigezogen und auch mit der Protagonistin Lena bin zumindest ich trotz der sympathischen Stimme dahinter nicht warm geworden. Auch der eine oder andere Twist ist leider absehbar und wirkt etwas aufgesetzt. Selbst die klug inszenierte Geschichte kann einen erzählerischen Könner wie Ivär Leon Menger nicht davor bewahren wie schädlich Tropen für die Narrative sind. Inszeniert ist es wie immer großartig: atmosphärisch, leidenschaftlich gesprochen und besitzt eine realistische und die Handlung perfekt untermalende Soundkulisse. Neben Yvonne Greitzke hören wir außerdem u.a. Joachim Tennstedt, Nico Sablik, Luise Helm (u.a. bekannt als Synchronstimme Scarlett Johanssons), Timmo Niesner (spricht u.a. Elijah Wood) und Tom Vogt (spricht u.a. Colin Firth) und da quasi alle eine ausgewogene Hintergrundgeschichte und Sprechzeit bekommen ist es sicherlich eine gute Anlaufstelle für Fans der Sprecher.
„Sherlock & Watson – Neues aus der Baker Street“ 1-3, Leonhard Koppelmann & Viviane Koppelmann
Die Ant1heldin hat vor einiger Zeit in ihrem Blog die Hörspielreihe Sherlock & Watson – Neues aus der Baker Street empfohlen. Als Pastiche aus der Feder von Leonhard & Viviane Koppelmann basiert nicht (nur) auf den Büchern von Arthur Conan Doyle, sondern hauptsächlich den Charakteren und dem Grundsetting und springt auf den Hype-Train der BBC-Serie auf – der wie wir wissen inzwischen längst abgefahren ist. Ich bin eben spät dran, die Hörspielreihe erschien auch bereits ab 2015. 😉 Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten zu BBCs Sherlock-Adaption groß. Holmes und Watson leben auch hier im London der Gegenwart. Nachrichten, Chats, Getipper auf Tastaturen, Telefonate und als Stimmgewirr dargestellte Deduktionen Sherlocks zeigen, dass die Hörspiele das „moderne Deduzieren“ sehr ähnlich wie die britische Serie aus dem Jahr 2010 lösen. Hier wäre sicherlich Luft nach oben gewesen und der Freiraum etwas anders zu machen doch eigentlich unendlich.
Gerade der Umstand, dass der zweite Fall bzw das zweite Hörbuch Ein Fluch in Rosarot heißt und damit der ersten Folge der britischen Serie ganz ähnlich ist, grenzte im ersten Moment an Einfallslosigkeit. Wer sich den Teaser unten anschaut und anhört, der wird merken, dass sowohl Musik, als auch bestimmte Szenen schon nicht mehr nur angelehnt, sondern viel mehr der Serie und diversen neueren Filmadaptionen entliehen sind. Auch wenn die Ähnlichkeiten zu BBCs Sherlock mir persönlich zu groß sind, gibt es dankbarerweise auch einige Änderungen die anders genug sind. Beispielsweise ist dann doch der Inhalt der oben erwähnten zweiten Folge Ein Fluch in Rosarot dann doch sehr unterschiedlich und recht clever. Ein anderes Beispiel ist John Watsons Gemütslage bevor er Sherlock traf und mit ihm Fälle löste, die doch gravierendere Einstellungen Watsons offen legt.
Man kann an der Stelle eine Debatte darüber machen, ob man das Hörspiel braucht und nicht einfach Sherlock schauen kann. Wie es so üblicherweise mit Hypes und verschiedenen Adaptionen ist, die sich desselben Stoffes annehmen. Betrachtet man aber das Hörspiel als das was es ist, dann kann man sagen: Es macht Spaß. Johann von Bülow spricht einen gewohnt kühlen Sherlock, Florian Lukas einen aufgeweckten Watson, der sehr oft sein eigenes Ding macht und sich nicht durchweg von Sherlock die Butter vom Brot nehmen lassen muss, was auch sehr angenehm ist. Stefan Kaminski spricht außerdem Moriarty, von dem man in den ersten drei Folgen zwar schon einiges mitbekommt, aber von dem man noch mehr hören möchte. Die Soundkulisse der Hörspiele ist abwechslungsreich, realistisch, sehr präsent und malt eine angenehme Landschaft dessen, was gerade passiert. Gehört habe ich bisher Das Rätsel von Musgrave Abbey, indem der Fall eines verschwundenen Kindes und der des gestohlenen Manuskripts einer Star-Romanautorin scheinbar zusammenhängen. Außerdem das oben erwähnte zweite und das dritte Hörbuch Die Spur des Teufels, in der Watson gleich zu Beginn unter Quarantäne gestellt wird mit dem Verdacht auf Strahlenvergiftung, was schon an sich Spannung erzeugt. Wer sich also besser von den Vergleichen zu BBCs Sherlock lösen kann als ich wird viel Freude damit haben. Noch eine Anmerkung, bevor der eine oder die andere enttäuscht wird: die einzelnen Episoden sind mit einer Spielzeit von ca 80 Minuten echt kurz.
„Teaser: 30 Sekunden | Sherlock & Watson – Neues aus der Baker Street | Hörspiele“, via Der Audio Verlag (Youtube)
Man hört vielleicht raus, dass ich zu fast allen der Hörbücher eine etwas gespaltene Meinung habe. Gerade bei „Neues aus der Baker Street“ und „Kurze Antworten …“ stößt es mir etwas unangenehm auf, wenn ich den Eindruck habe, dass etwas ausgeschlachtet wird. Das meine ich im Sinne des künstlich verlängern von „Kurze Antworten …“, so als ob jeder der Stephen Hawking mal gekannt hat jetzt nochmal zu Wort kommen muss (Eddie Redmayne), obwohl man doch eigentlich hören will, was Hawking an Wissen mit uns teilt und was für Gedanken er hat(te). Oder „Neues aus der Baker Street“, dass sich ein Konzept hernimmt, dass man mit dem narrativen Talent, den Mitteln und den grandiosen Sprechern sicherlich auch mehr als „etwas eigenes“ hätte inszenieren können. Gut sind sie alle, das ist keine Frage. Aber da ist dieses unangenehme Jucken an der Stelle am Rücken, an die man nicht rankommt als Metapher für „Da wäre doch noch mehr gegangen, oder?“ „Neues aus der Baker Street“ ist wahrscheinlich aber für diejenigen eine Linderung, die immer noch auf eine weitere „Sherlock“-Staffel warten. Wie steht ihr dazu? Kennt ihr die Reihen, Hörbücher oder Hörspiele?
Schreibe einen Kommentar