Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“ ist wohl das, was man als polarisierend bezeichnen würde. Es scheint nur zwei Meinungen zu geben. Entweder man liebt es, lässt sich davontragen und vergießt viele Tränen; oder man hasst es und fühlt sich davon an der Nase herumgeführt. Ich habe ja die Theorie, dass Bücher ab einer bestimmten Seitenzahl die Intensität mit der sie wahrgenommen werden, multiplizieren. Man verbringt eben soviel Zeit damit! 🙂 Mit diesen 960 Seiten … . Daher fahre ich mal den Ansatz vor meiner Besprechung des Buches fünf Passagen für sich sprechen zu lassen, die mich sehr beeindruckt haben und die ich als sehr „wahr“ empfinde.
„Ich glaube der Trick bei Freundschaften besteht darin, …
… Menschen zu finden, die besser sind als man selbst – nicht klüger, nicht cooler, sondern liebenswürdiger und großzügiger und nachsichtiger -, und sie dann für das wertzuschätzen, was sie dir beibringen können, und ihnen zuzuhören, wenn sie dir etwas über dich sagen, ganz egal wie schlecht – oder gut, es ist, und ihnen zu vertrauen, was der schwierigste Teil ist. Aber auch der beste.“ p. 284
„Warum fanden die Leute solche Freundschaften bewundernswert, …
… wenn man siebundzwanzig war, aber suspekt, wenn man siebenunddreißig war? Warum zählte eine Freundschaft weniger als eine Beziehung? Warum nicht sogar mehr? Zwei Menschen, die Tag für Tag zusammenblieben, nicht durch Sex oder körperliche Anziehung, nicht durch Geld, durch Kinder oder gemeinsamen Besitz aneinander gebunden, sondern allein durch das gegenseitige Einverständnis, zusammenzubleiben, das gemeinsame Bekenntnis zu einer Verbindung, die sich jeder Festschreibung entzog.“ p. 303
[…] und er konnte nicht umhin zu denken, dass die glorreichsten Jahre, …
„… die Jahre, in denen alles aussah wie mit Leuchtfarbe gemalt, vorüber waren. Damals waren alle so viel unterhaltsamer gewesen. Was war nur passiert? Jobs, Geld, Kinder. Die Dinge, die den Tod auf Abstand hielten, mit denen man die eigene Relevanz untermauerte, die Trost spendeten und Zusammenhang und Bedeutung stifteten. Der von Biologie und Konventionen diktierte Marsch voran, dem sich selbst unangepasste Geister nicht entziehen konnten.“ p. 357
„Von all den Dingen, die einem ein einzelner Mensch geben kann – …
… zum Beispiel sexuelle Erfüllung oder befriedigende Gespräche oder finanzielle Unterstützung oder intellektuelle Übereinstimmung oder schlichte Freundlichkeit -, bekommt man drei. Drei – mehr nicht. Vielleicht vier, wenn man großes Glück hat. Den Rest muss man sich wo anders suchen. Nur im Film findet man jemanden, der einem alles gibt.“ p. 754
„Während man älter wurde, erkannte man, dass die Eigenschaften, …
… die man an den Menschen schätzte, mit denen man schlief oder ausging, nicht unbedingt die Eigenschaften waren, mit denen man zusammenleben oder zusammen sein oder sich durch den Tag kämpfen wollte.“ p. 755
Header image/photo credit: Janko Ferlič
Was für Denkanstöße! Wie seht ihr das mit Freundschaften und Beziehungen? Gibt es nicht sogar mehr Schattierungen? Und welche drei der fünf genannten Dinge sind für euch in Beziehungen am wichtigsten? Müsstet ihr von diesen fünf Passagen auf das Buch schließen, was denkt ihr wie es ist? Welchen Weisheiten stimmt ihr zu, welchen nicht?
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