Das gehörte Wort … Hörbuch-Besprechung zu „Der Club Dumas“ von Arturo Pérez-Reverte

Hemator ist mein Nummer 1 Influencer was beispielsweise Hörbücher und Lovecraft anbelangt. In seinem Artikel Art of Adaption: Die neuen Pforten verglich Andreas aka Hemator die Vorlage „Der Club Dumas“ und den Film „Die neun Pforten“ und verblüffte mich mit dem Fakt, dass die Filmadaption einfach mal einen großen Handlungsstrang komplett weglässt. Einen, der quasi fünfzig Prozent der Handlung ausmacht. Das ist viel. Bis dahin kannte ich nur Polańskis Adaption und habe voll der Neugier das Hörbuch nachgeholt.

Kurz umrissen handelt das Buch von dem „Bücherjäger“ Lucas Corso, dem eine seltene, originalhandschriftliche Ausgabe des Kapitels Le vin d’anjou aus Die drei Musketiere von Alexandre Dumas in die Hände fällt. Er soll in Erfahrung bringen, ob das Buch echt ist. Zeitgleich wird er engagiert herauszufinden, ob sein langjähriger Kunde im Besitz der echten Ausgabe von Die Neun Pforten des Königreichs der Schatten ist. Drei davon sind im Umlauf und die Vermutung liegt nahe, dass nur eine davon die echte ist. Das Buch ist berühmt-berüchtigt: es soll den Besitzer angeblich befähigen den Teufel zu beschwören. Als Corso beginnt Nachforschungen anzustellen, wird bald klar, dass auch andere nach der echten Ausgabe suchen. Er trifft u.a. auf eine mysteriöse Frau, die sich selbst „Irene Adler“ nennt und mehr zu wissen scheint als sie vorgibt. Davon abgesehen ist bald klar, dass Corsos Leben in Gefahr ist. Gehört habe ich die Audible-exklusive Version mit David Nathan als Sprecher, der einen gewohnt guten Job macht.

Für eine genauere Analyse der Unterschiede zwischen Film und Vorlage verweise ich auf den exzellenten Artikel von Andreas, der oben verlinkt ist und spare mir das entsprechend an der Stelle. 😉 Sprachlich und inhaltlich hat mich Arturo Pérez-Reverte nicht so recht überzeugen können. Seine Charaktere sind verhältnismäßig plakativ. Schöne Frauen sind Femmes fatales, gefährlich und sexy. Oder sie sind abwesend, eine Legende, unerreichbar. Durchschnitt gibt es nicht. Die Männer dürfen durchschnittlich sein. Es gibt sie in allen Körperformen und mit ähnlich miesen oder dubiosen Charakterzügen wie die Frauen. Während an der Stelle die Charakterisierung sehr eindimensional und geradezu himmelschreiend voreingenommen ist, kann Pérez-Reverte die Handlungen und Optik bis ins kleinste Detail zeichnen. Er beschreibt die Körperhaltung, den Gesichtsausdruck, die Mimik so zielgenau, dass die Charaktere vor dem inneren Auge wortwörtlich lebendig werden wie man sich das immer so von Literatur wünscht. Das ist gleichzeitig Fluch und Segen, da es einem ein wenig die Freiheit des Lesers nimmt ein wenig der eigenen Vorstellungskraft mit einzubringen. Trotzdem zeugt das von einer starken Beobachtungsgabe, die mich recht beeindruckt hat.

Obwohl es Pérez-Reverte offenbar nicht an den Mitteln mangelt, wirkt die Charakterzeichnung aber verhältnismäßig flach. Niemand überrascht einen wirklich und die Muster sind inzwischen etwas ausgetreten. Seine Schriftsprache fällt außerdem durch Merkmale unangenehm auf, die ich ansonsten eher aus Fan-Fiction kenne: Personen werden oftmals durch irgendeine Subjektivierung wie „der Bücherjäger“ oder „die Blonde“ durch die Handlung navigiert statt ihre Namen zu benutzen oder schlicht Personalpronomen. Das gibt dem ganzen einen unheimlich künstlichen und unangenehmen Beigeschmack. Inzwischen erschaudere ich bei dem Wort „Bücherjäger“ – wenn ich das noch einmal in einem Buch lese, muss ich wahrscheinlich das Fenster aufmachen und es rauswerfen. Auch frage ich mich, ob der Erzähler Boris Balkan nicht ein Gary Stu sein könnte. Der Begriff ist das männliche Pendant zur Mary Sue und beschreibt Autoren, die sich selbst in idealisierter Form in ihre Geschichten schreiben. Boris Balkan ist eine fast inhaltsleere Figur. Er trifft Corso, ist ihm überlegen und wird später eine große Offenbarung in die Wege leiten und tritt ansonsten komplett charakterlos in Erscheinung und erzählt die Geschichte. Es ist für mich schwer aus dem Buch schlau zu werden. Ich habe den Eindruck überall zwischen all dem guten seltsame Anwandlungen zu finden.

Selbstverständlich ist das höchst subjektiv und wird bei Weitem nicht jedem Leser oder Hörer so gehen. Aber es wirkt neben all den Facetten von Der Club Dumas einfach zu künstlich, einfach und verringert meinen Gesamteindruck. Es ist außerdem nicht unwichtig, dass man sich ein bisschen mit den Drei Musketieren von Dumas auskennt. Ich selber habe das Buch nie gelesen und konnte nur deswegen folgen, weil Pérez-Reverte dankbarerweise immer mal etwas der Handlung von Dumas‘ erfolgreichem Roman erklärt. Und weil ich einige Filme und einen Anime gesehen habe, die den Stoff (mehr oder weniger frei) adaptieren. Man kommt schon durch, aber wenn man Dumas Roman gelesen hat und mag, ist das alles sicherlich eine umso schönere Hymne auf das Werk Dumas‘. So oder so wird man aber definitiv schlauer und lernt einiges über das Leben des berühmten Dumas.

Wie Pérez-Reverte die beiden Handlungen in seinem Roman miteinander verknüpft gelingt gut, wobei ich den Teil um die Neun Pforten konsequent als spannender und atmosphärischer empfand. Mord, eine Spurensuche unter ständiger Bedrohung, hohe Ambitionen und die Aussicht, dass vielleicht der Teufel selbst die Finger im Spiel hat? Das hat schon bei meiner ersten Begegnung mit dem Stoff als Film funktioniert. Ab etwa der Mitte, wenn die hölzerne Charakterisierung der Pro- und Antagonisten abgeschlossen ist, nimmt der Roman an Fahrt auf und wird herrlich meta. Zwischenzeitlich schaut Corsa gar von außen auf sich und fragt sich, wohin die Reise geht, falls sich jemand ihn und die Geschichte erdacht hat. 😉 Ein witziger Kniff. Auch die ganze Sache um Irene Adler und das Fachsimpeln über Literaturklassiker macht richtig Spaß. So hat das Hörbuch zwar meinen persönlichen Geschmack nicht getroffen, wird aber sicherlich nicht zuletzt wegen solcher Details viele Fans finden. Wie so häufig bei Hörbüchern fehlten mir ein paar Intermezzi mit Musik… . Aber ab dann ist es wohl immer allzu schnell ein „Hörspiel“.

Leider habe ich so gar kein Hörbeispiel gefunden und so muss der Artikel als wall of text auskommen. Jetzt bin ich aber gespannt: kennt ihr möglicherweise das (Hör)Buch und wie habt ihr das empfunden? Oder den Film? Kennt ihr andere Romane von Arturo Pérez-Reverte? 

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