Eibhlín Dubh Ní Chonaill (auch bekannt als Eileen O’Connell) wird in ihrem Wikipedia-Eintrag als Urheberin des „greatest poem composed in either Ireland or Britain during the eighteenth century“ (Quelle, 04.05.24) beschrieben. Wenn das so ist, warum kennt man ihren Namen nicht? Das fragt sich auch die namenlose Protagonistin in Doireann Ní Ghríofas Roman (wie man ihren Namen ausspricht). Sie beginnt mit einer Reflektion ihres Lebens, ihren täglichen Aufgaben als Mutter und damit, dass auch dies weibliche Texte sind. Weibliche Texte wie sie oft ausgespart und als Bagatellen des Alltäglichen abgetan werden. Eibhlín Dubh ist für sie eine Heldin und sie beginnt sich als Übersetzerin ihrer Texte, später gar als ihre Biografin. Sie folgt Eibhlín Dubhs Spuren und denen ihrer Nachfahren. Immer begleitet von ihren eigenen Belangen. Ihrem Kinderwunsch, ihrer Suche nach beruflicher Erfüllung, ihren Gedanken über Erasure weiblicher Texte – den Geistern in ihrer Kehle, denen sie spätes Gehör verschaffen will.
Man kann Doireann Ní Ghríofas Buch als autofiktionales Schreiben vermuten. Zu sehr wirken ihre Ausführungen über Mutterschaft und ihr Verlangen weiblichen Texten Sichtbarkeit zu schenken wie eine tiefe, persönliche Leidenschaft. Als sie anfangs ihre Mutter-Todos aus Wäsche aufhängen und Kinder anziehen aufzählt und den Wunsch äußert noch und noch ein Kind zu bekommen, konnte ich mich erstmal wenig mit ihr identifizieren und fühlte mich als bisher kinderlose quasi mit einer fremden Welt konfrontiert. Für sie ist Kinder kriegen wie eine Droge. Dann aber offenbart ihre Geschichte all das, was mit Mutterschaft einherkommt und worüber so wenig geredet wird. Der Wunsch für das Kind sorgen zu können. Die Angst und Verwundbarkeit, wenn das nicht so ist. Die Angst vor Fehlgeburt. Auch ganz andere Themen wie finanzielle Sorgen, Abschätzigkeit anderer, Gesundheit und die Veränderungen von Lustempfinden und der Wahrnehmung des eigenen Körpers spielen eine Rolle. Was anfangs für mich befremdlich war, hat umso mehr an Gewicht gewonnen, desto besser ich die Protagonistin kennengelernt habe. Ihre Menschlichkeit und ihre Gedanken haben offenbart wie wenig darüber geredet wird wie Mutterschaft wirklich ist.
Daneben steht eine andere Frau und ihre Geschichte. Eibhlín Dubh (gesprochen ungefähr „Eileen Duwe“), die nur mündlich überlieferten und dann verschwundenen Texte so vieler Frauen und die Geschichte unserer Protagonistin finden ihren Höhepunkt in Szenen, wo sie nach Dubhs Verbleib fragt und andere ihr so antworten, als ob diese Dichterin „nur die Frau von jemanden war“. Sind wir das? Sind wir nur die Frauen von jemandem? Oder die eine, die mal ein Buch schrieb? Oder die Nachbarin von jemandem? Wann ist denn jemand wichtig genug, um deren Geschichten zu erzählen? In manchen Reviews lese ich, dass Ein Geist in der Kehle für sie zu viel Gelaber sei. Das wäre vielleicht auch eine Formulierung für meinen ersten Eindruck bevor mich die Spurensuche und die weiblichen Schicksale fesselten. Mutterschaft ist aber einer bestimmten Stelle in dem Buch gerade etwas brutales, dass den Frauen zum Schutz ihres Kindes alles abzuverlangen scheint. Wurde das schon mal so eingefangen? Mit so viel Zuwendung und Liebe, aber auch so viel Angst und Gewalt?
Meine Kritik ist eher, dass ich die zeitliche Abfolge schwer einordnen konnte. Die Zeitsprünge in der Handlung geben zwar einerseits unserer Protagonistin noch mehr Profil, kommen aber manchmal wie aus dem Nichts. Ihre Zeit als Medizinstudentin und wie sich das auf ihre mentale Gesundheit auswirkte, haben mich sehr stark an meine ersten Jahre in meinem Beruf erinnert. Manche Details wie ihr Job als Lehrerin und die Vereinbarung von Familie, Beruf und Berufung bekommen quasi kaum Erwähnung, außer dadurch, dass sie ihr Kind quasi überall mit hinnimmt, während sie recherchiert, weil es eben nicht anders geht. Es wirkt so als ob wir den 359° Blick auf Mutterschaft bekommen hätten, aber 1° fehlt. Wie schafft man es das Leben einer verstorbenen Poetin zu rekonstruieren, während man vier Kinder versorgt?
Ich habe mich übrigens für das Hörbuch entschieden, weil ich ahnte mit der Aussprache der irischen Namen so meine Probleme zu haben. Mir fehlt da einfach jegliche Kenntnis dafür wie ich vom Wort zur Aussprache komme. Und das Hörbuch ist eine gute Entscheidung. Erschienen beim Hörverlag, wird es gesprochen von Demet Fey. Nicht nur macht sie die Namen für mich greifbar, sondern sie spricht auch mit einer Ruhe, die mich geerdet hat, die aber auch die emotionalen Spitzen des Hörbuchs gut einfängt und hat ein angenehmes Timbre.
Kennt ihr das Buch oder die Autorin? Vielleicht sogar Eibhlín Dubh? Welche irischen Autor:innen empfiehlt ihr? Der einzige Nachteil beim Hörbuch ist wohl, dass man sich das wunderschöne Cover nicht zuhause auf den Bücherstapel legen und betrachten kann…
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